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Wirtschaftliches Eigentum in logischer Sekunde

04.10.2011  — Udo Cremer.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Experte Udo Cremer erläutert die rechtliche Bedeutung der logischen Sekunde.

  1. Ein zivilrechtlicher Durchgangserwerb (in Gestalt einer logischen Sekunde) hat nicht zwangsläufig auch einen steuerrechtlichen Durchgangserwerb i. S. des Innehabens wirtschaftlichen Eigentums in der Person des zivilrechtlichen Durchgangserwerbers zur Folge.
  2. Für die Feststellung des wirtschaftlichen Eigentums kommt es entscheidend auf das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte an, also auf konkrete tatsächliche Umstände; daher ist eine - nicht reale - logische Sekunde als lediglich gedankliche Hilfskonstruktion für eine solche tatsächliche Feststellung unerheblich.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2001 gemeinsam zur ESt veranlagt wurden. Mit notariellem Vertrag vom 30.12.1998 veräußerte der Kläger seinen Geschäftsanteil an der TTE-GmbH im Nennbetrag von 8.800 DM an die WGB-GmbH, die nach dieser Anteilsübertragung im Besitz aller Anteile an der TTE-GmbH war und deren Stammkapital insgesamt 58.800 DM betrug. Lt. Vertrag wurde der Kaufpreis in das Vermögen der WGB-GmbH zur Erhöhung der freien Kapitalrücklage eingelegt. Die Übertragung erfolgte zum gemeinen Wert der Geschäftsanteile, der, im Hinblick auf eine im Jahr 1998 erfolgte Kapitalerhöhung bei der TTE-GmbH, mit 600 % des Nominalwerts festgelegt wurde und somit 52.800 DM betrug. Mit notariellem Vertrag vom 15.10.1999 erwarb der Kläger einen Anteil von 7.500 DM (= 15 %) an der TTM-GmbH; Stammkapital: 50.000 DM, damals noch im Handelsregister unter dem Namen WGB-GmbH eingetragen, zum Preis von 7.500 DM. Bereits tags zuvor, am 14.10.1999, hatten die Kläger privatschriftlich einen "Unterbeteiligungsvertrag" betreffend die (zu erwerbende) Beteiligung des Klägers an der TTM-GmbH geschlossen. Danach wurde ein atypisches "Unterbeteiligungsverhältnis" der Klägerin an dem Geschäftsanteil (15 %) des Klägers i. H. von 5,1 % des Stammkapitals der TTM-GmbH begründet. Der auf die Unterbeteiligung entfallende Betrag (2.550 DM) wurde von der Klägerin im Dezember 1999 an den Kläger überwiesen. Mit notariellem Vertrag vom 14.6.2001 veräußerte der Kläger seine Beteiligung an der TTM-GmbH mit sofortiger Wirkung für 1.500.000 DM. Der Kaufpreis wurde - unter Berücksichtigung der Unterbeteiligung - i. H. von 990.000 DM auf das Konto des Klägers und i. H. von 510.000 DM auf das Konto der Klägerin gezahlt.

Das FA erfasste diesen Vorgang im ESt-Bescheid für das Streitjahr als Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG i. H. von 1.492.500 DM, den es insgesamt dem Kläger zurechnete. Dem hiergegen eingelegten Einspruch der Kläger wurde mit Einspruchsentscheidung insoweit entsprochen, als unter Anerkennung des Unterbeteiligungsvertrags mit der Klägerin dem Kläger nunmehr ein Veräußerungsgewinn i. H. von 985.050 DM zugerechnet und der der Klägerin zuzurechnende Anteil (507.450 DM) nicht der Besteuerung unterworfen wurde. Das FA vertrat aber weiterhin die Ansicht, dass der Kläger in seiner Person eine wesentliche Beteiligung erworben und veräußert habe.

Das FG wies die Klage im hier streitigen Punkt als unbegründet ab. Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (BFH-Urteil vom 26.1.2011 – IX R 7/09).

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen gehalten hat. Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind u. a. Anteile an einer GmbH oder ähnliche Beteiligungen. Als ähnliche Beteiligung kommt auch eine atypische (stille) Unterbeteiligung in Betracht. Eine solche zivilrechtlich wirksame Unterbeteiligung wurde von der Klägerin als Unterbeteiligte am TTM-GmbH-Anteil des Klägers gehalten.

Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mindestens 10 % (im Streitjahr 2001) unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. Die Anteilshöhe einer wesentlichen Beteiligung bestimmt sich nach der im Zeitpunkt der Veräußerung geltenden Gesetzeslage. Auch ein nur kurzfristiges Innehaben der wesentlichen Beteiligung in Gestalt eines Durchgangserwerbs oder einer sog. logischen Sekunde kann u. U. ausreichen. Unbeschadet der im Zivilrecht zum sog. Durchgangs- oder Direkterwerb folgt die steuerrechtliche der zivilrechtlichen Zurechnung allerdings nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht erfüllt sind. Deshalb hat ein zivilrechtlicher Durchgangserwerb nicht zwingend auch einen steuerrechtlichen Durchgangserwerb in Gestalt des Innehabens wirtschaftlichen Eigentums in der Person des zivilrechtlichen Durchgangserwerbers zur Folge; vielmehr ist die steuerrechtliche Frage nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zu beurteilen.

Eine Veräußerung wird mit der entgeltlichen Übertragung des (zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums durch den Veräußerer auf den Erwerber verwirklicht. Notwendige und hinreichende Voraussetzung für die Zurechnung einer (weiterveräußerten) Beteiligung ist das (zumindest) wirtschaftliche Eigentum. Die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers ist dadurch gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Ihm muss also auch der wirtschaftliche Erfolg aus der (hier: Weiter-)Veräußerung gebühren. Gleiches gilt auch im Fall der Unterbeteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts kann deshalb auch anzunehmen sein, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind. Demgemäß ist auch bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend.

Diesen Grundsätzen entspricht die Vorentscheidung des FG nicht, denn der Kläger hatte zu keinem Zeitpunkt das wirtschaftliche Eigentum an dem hier maßgeblichen (Teil seines) GmbH-Anteil (5,1 %) inne, vielmehr stand das wirtschaftliche Eigentum daran mit dem Erwerb durch den Kläger direkt der Klägerin zu. Der Kläger war innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der TTM-GmbH nicht wesentlich i. S. des § 17 Abs. 1 EStG beteiligt, sodass der Gewinn aus der Veräußerung seines (gesamten) GmbH-Anteils nicht der Besteuerung unterliegt.

Udo Cremer Der Autor:

Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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