Aktuelle BFH-Urteile

Mit uns bleiben Sie stets bestens informiert.

Alle aktuellen BMF-Schreiben und BFH-Urteile erhalten Sie auch bequem per E-Mail mit unserem kostenlosen Newsletter »Bilanzierung aktuell«

Kostenlosen Newsletter anfordern

Veröffentlicht: 17.11.2010
Aktenzeichen: V R 55/09

Leitsätze

Enthält die Rechnung entgegen § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG nur eine Zahlenkombination und Buchstabenkombination, bei der es sich nicht um die dem leistenden Unternehmer erteilte Steuernummer handelt, ist der Leistungsempfänger nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG --vorbehaltlich einer Rechnungsberichtigung-- nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt .

Urteil vom 02.09.2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 17. November 2010
Aktenzeichen: III R 43/06

  1. Eine Rücklage für die künftige Anschaffung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens (Ansparabschreibung) konnte auch nachträglich im Wege der Bilanzänderung zur Kompensation eines Betriebsprüfungsmehrergebnisses gebildet werden.
  2. Die Rücklage setzt materiell einen Finanzierungszusammenhang zwischen der Investition und der Rücklagebildung voraus. An diesem Finanzierungszusammenhang fehlt es, wenn die Rücklage mehr als zwei Jahre nach der Investition gebildet wird; dieser Zeitabstand ist taggenau zu berechnen.

Urteil vom 17. Juni 2010

Zum Artikel

Bei der Anschaffung von Gesellschaftsanteilen sind die Kosten der finanziellen und rechtlichen Due Diligence regelmäßig den Anschaffungskosten zuzuordnen. Dies entschied der 13. Senat des Finanzgerichts Köln in seinem Urteil vom 6. Oktober 2010 (13 K 4188/07).Die Klägerin, eine deutsche Aktiengesellschaft, behandelte Beratungskosten in Höhe von ca. 350.000 €, die ihr im Zusammenhang mit dem Erwerb einer britischen Limited und zweier niederländischer Unternehmen entstanden sind, als sofort abziehbare Betriebsausgaben. Das Finanzamt beurteilte die Kosten als ak-tivierungspflichtige Anschaffungsnebenkosten. Der 13. Senat gab dem Finanzamt Recht und wies die Klage ab. Er folgte dabei der Rechtsprechung des VIII.-BFH-Senats. Danach sind Gutachtenkosten, die im Zusammenhang mit der Anschaffung von GmbH-Geschäftsanteilen anfallen, als Anschaffungsnebenkosten zu aktivieren, wenn sie nach einem grundsätzlich gefassten Erwerbsentschluss entstehen und das Gutachten nicht lediglich der Vorbereitung einer noch unbestimmten, erst später zu treffenden Erwerbsentscheidung dient. Der 13. Senat stellte entscheidend darauf ab, dass zum Zeitpunkt der Erteilung eines Due Diligence Auftrags regelmäßig davon auszugehen ist, dass bereits eine grundsätzliche Erwerbsentscheidung gefallen ist. Die Annahme, ein Zielunternehmen eröffne einem Interessenten einen derartig weitgehenden Zugriff auf die Unternehmensinterna, ohne dass die Geheimhaltung und ein gemeinsames Ziel wie ein Kauf oder eine Verschmelzung vereinbart worden seien, hält der Senat für lebensfremd.

Der 13. Senat hat gegen seine Entscheidung die Revision beim Bundesfinanzhof in München zugelassen. Er weist in diesem Zusammenhang unter anderem darauf hin, dass die einschlägigen Entscheidungen des BFH jeweils zu Überschusseinkünften und nicht zu den teilweise durch Sondervorschriften geprägten Gewinneinkünften ergangen seien.

Urteil vom 6. Oktober 2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 8. November 2010
Geschäftszeichen: IV C 6 - S 2128/07/10001

 

Zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens auf Aufwendungen im Zusammenhang mit der Überlassung von Wirtschaftsgütern im Rahmen einer Betriebsaufspaltung und auf Teilwertabschreibungen von betrieblichen Darlehensforderungen sowie zu weiteren Fragen zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens (§ 3c Absatz 2 EStG) nehme ich unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:

1. Aufwendungen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern im Rahmen einer Betriebsaufspaltung

Für die Frage, ob die Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Überlassung von Wirtschaftsgütern im Rahmen einer Betriebsaufspaltung entstehen, ganz oder gemäß § 3c Absatz 2 EStG nur anteilig als Betriebsausgaben abgezogen werden können, ist die Abgrenzung nach dem Veranlassungszusammenhang maßgeblich.

Erfolgt die Überlassung der Wirtschaftsgüter vom Besitzunternehmen an die Betriebskapitalgesellschaft vollentgeltlich, d. h. zu fremdüblichen Konditionen, ist § 3c Absatz 2 EStG nicht anwendbar, weil die Aufwendungen in erster Linie mit den vereinbarten Miet- oder Pachtzinsen und nicht mit den erwarteten Beteiligungserträgen (Gewinnausschüttungen/Dividenden und Gewinnen aus einer zukünftigen Veräußerung oder Entnahme des Anteils) in Zusammenhang stehen.

Erfolgt die Überlassung der Wirtschaftsgüter vom Besitzunternehmen an die Betriebskapitalgesellschaft dagegen unentgeltlich oder teilentgeltlich, d.h. zu nicht fremdüblichen Konditionen, ist § 3c Absatz 2 EStG anzuwenden, weil in diesem Fall die Aufwendungen ganz oder teilweise mit den aus der Betriebsgesellschaft erwarteten Einkünften des Gesellschafters, nämlich den Beteiligungserträgen in Form von Gewinnausschüttungen/Dividenden und den Gewinnen aus einer zukünftigen Veräußerung oder Entnahme des Anteils zusammenhängen. Werden Wirtschaftsgüter teilentgeltlich überlassen, ist eine Aufteilung in eine voll entgeltliche und eine unentgeltliche Überlassung vorzunehmen. Die Aufteilung muss dabei im Verhältnis der vereinbarten Konditionen zu den fremdüblichen Konditionen unter ansonsten gleichen Verhältnissen vorgenommen werden. In den Fällen der Betriebsaufspaltung beruhen die fehlende Fremdüblichkeit und damit die Teilentgeltlichkeit im Regelfall auf einem zu niedrigen Pachtentgelt. Als Aufteilungsmaßstab ist in diesen Fällen grundsätzlich das Verhältnis des tatsächlich gezahlten Pachtentgelts zum fremdüblichen Pachtentgelt heranzuziehen.

2. Teilwertabschreibungen auf Darlehensforderungen

Ein Darlehen, das einer Kapitalgesellschaft gewährt wird, an der der Darlehensgeber beteiligt ist, kann dem Betriebsvermögen des Darlehensgebers zuzuordnen sein. Die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft und die Darlehensforderung stellen auch in diesem Fall jeweils selbstständige Wirtschaftsgüter dar, die getrennt auszuweisen und einzeln zu bewerten sind.

Bei Anwendung des § 3c Absatz 2 EStG auf die Teilwertabschreibung von im betrieblichen Bereich gewährten Darlehen gilt der einheitlich sowohl für die Handelsbilanz als auch für die steuerliche Gewinnermittlung anzuwendende Begriff der Anschaffungskosten des § 255 Absatz 1 HGB.

Ob der durch das Darlehen eines Gesellschafters veranlasste Aufwand (Teilwertabschreibung) in den Anwendungsbereich des § 3c Absatz 2 EStG fällt, ist auch hier nach dem Veranlassungszusammenhang im Hinblick auf die zukünftigen Erträge zu beurteilen. Die Gewährung von Darlehen ist damit im Ergebnis genauso wie die Überlassung von anderen (physischen) Wirtschaftsgütern zu behandeln.

Erfolgt danach eine Darlehensgewährung zu fremdüblichen Konditionen, steht das gewährte Darlehen mit vollumfänglich steuerpflichtigen Zinserträgen in einem Veranlassungszusammenhang, so dass der Anwendungsbereich des § 3c Absatz 2 EStG nicht eröffnet ist. Erfolgt die Darlehensüberlassung hingegen unentgeltlich oder teilentgeltlich, d.h. zu nicht fremdüblichen Konditionen, steht das Darlehen mit nach § 3 Nummer 40 EStG teilweise steuerfreien Beteiligungserträgen (Gewinnausschüttungen/Dividenden und Gewinnen aus einer zukünftigen Veräußerung oder Entnahme des Anteils) in einem wirtschaftlichen Zusammenhang, so dass insoweit § 3c Absatz 2 EStG zur Anwendung kommt.

Ist die Darlehensüberlassung teilentgeltlich erfolgt, ist einkommensteuerrechtlich auch hier eine Aufteilung in eine voll entgeltliche und eine unentgeltliche Überlassung vorzunehmen (vgl. auch BFH-Urteil vom 25. Juli 2000, BStBl 2001 II S. 698).

In die Überprüfung der Fremdüblichkeit der Darlehensüberlassung sind neben dem vereinbarten Zinssatz auch weitere Gesichtspunkte einzubeziehen. Für die Annahme einer Fremdüblichkeit des Darlehens ist es erforderlich, dass die Zinsvereinbarung nicht nur formell vereinbart, sondern auch tatsächlich durchgeführt wird und dass die gestellte Sicherheit drittüblichen Anforderungen entspricht. Insbesondere in den folgenden Fällen ist davon auszugehen, dass eine Darlehensüberlassung nicht als fremdüblich anzusehen ist:

  • Das Darlehen ist nicht verzinslich. In diesem Fall ist der Anwendungsbereich des § 3c Absatz 2 EStG in vollem Umfang eröffnet.
  • Das Darlehen ist zwar voll verzinslich, aber es wurden keine Sicherheiten gestellt, obwohl dies unter Fremden bei einem vergleichbaren Darlehen zu vergleichbaren Konditionen üblich wäre. In diesem Fall ist von einer teilentgeltlichen Überlassung des Darlehens auszugehen, so dass der Anwendungsbereich des § 3c Absatz 2 EStG zumindest teilweise eröffnet ist.
  • Das Darlehen ist zwar voll verzinslich und es wurden auch Sicherheiten gestellt, diese entsprechen allerdings nicht fremdüblichen Anforderungen. In diesem Fall ist ebenfalls von einer teilentgeltlichen Überlassung des Darlehens auszugehen, so dass der Anwendungsbereich des § 3c Absatz 2 EStG zumindest teilweise eröffnet ist.
  • Das Darlehen ist verzinslich und es wurden auch Sicherheiten gestellt, aber das Darlehen wird bei Eintritt der Krise der Gesellschaft nicht zurückgefordert. Das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft führt unabhängig davon, ob das Darlehen fremdüblich besichert war, in vollem Umfang zu einer unüblichen Darlehensüberlassung, so dass der Anwendungsbereich des § 3c Absatz 2 EStG in vollem Umfang eröffnet ist.
In Bezug auf die Gestellung von Sicherheiten im Konzernverbund ist die BFH-Entscheidung vom 29. Oktober 1997 (BStBl 1998 II S. 573) zu beachten.

Liegt eine Teilentgeltlichkeit der Darlehensgewährung vor, weil trotz Verzinsung keine oder keine fremdüblichen Sicherheiten gestellt wurden, ist zunächst der fremdübliche Zinssatz für entsprechende teilweise besicherte Darlehen zu ermitteln und anschließend ist die Aufteilung im Verhältnis dieses Zinssatzes zu dem im Einzelfall tatsächlich vereinbarten und gezahlten Zins vorzunehmen. Ist eine Ermittlung des fremdüblichen Zinssatzes nicht möglich, ist der fremdübliche Zinssatz grundsätzlich zu schätzen. Kann ein fremdüblicher Zinssatz aber auch nicht geschätzt werden, weil ein entsprechendes Darlehen ohne die Gestellung von fremdüblichen Sicherheiten erst gar nicht (auch nicht zu einem höheren Zinssatz) gewährt worden wäre, so ist davon auszugehen, dass die Gewährung des Darlehens allein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und das Darlehen daher - trotz eines ggf. vereinbarten Zinssatzes - in vollem Umfang mit teilweise steuerbefreiten Beteiligungserträgen in Zusammenhang steht, so dass hier § 3c EStG in vollem Umfang zur Anwendung kommt.

Das ausschließlich zum Bereich der Körperschaftsteuer (§ 8b Absatz 3 Satz 3 KStG) ergangene BFH-Urteil vom 14. Januar 2009 (BStBl II S. 674) hat keine Auswirkungen auf die Anwendung von § 3c Absatz 2 EStG.

3. Wechsel des Veranlassungszusammenhangs

Der für die unter 1. und 2. vorzunehmende Einordnung maßgebliche Veranlassungszusammenhang hinsichtlich des überlassenen Wirtschaftsguts oder des gewährten Darlehens kann sich ändern. Das ist z. B. dann der Fall, wenn sich im Rahmen einer Betriebsaufspaltung mit dem Abschluss einer Vereinbarung über den künftigen Verzicht auf Erhebung eines marktüblichen Miet- oder Pachtzinses ein Übergang von einer voll entgeltlichen Überlassung zu einer voll unentgeltlichen Überlassung vollzieht.

In Fällen also, in denen zwar die Pachtentgelte zu fremdüblichen Bedingungen vereinbart worden sind, der Verpächter aber zu einem späteren Zeitpunkt auf die Pachtzahlungen ganz oder teilweise verzichtet hat, ist darauf abzustellen, ob der Verzicht schuldrechtlich veranlasst ist oder auf dem Gesellschaftsverhältnis beruht. Ein (teilweiser) Verzicht ist z. B. schuldrechtlich veranlasst, wenn die vergleichbaren marktüblichen Pachtentgelte generell gesunken sind und fremde Dritte eine Pachtanpassung vereinbart hätten oder wenn der Verzicht im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen, an denen auch gesellschaftsfremde Personen teilnehmen, zeitlich befristet ist. War der Verzicht des Verpächters dagegen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, weil ein fremder Dritter den vereinbarten Verzicht weder in zeitlicher Hinsicht noch der Höhe nach akzeptiert hätte, unterliegen die mit der Nutzungsüberlassung zusammenhängenden Aufwendungen nach dem Wechsel des Veranlassungszusammenhangs in voller Höhe - bei teilweisem Verzicht anteilig - dem Teileinkünfteverfahren.

Für die Prüfung der Frage, ob eine Teilwertabschreibung steuerlich voll oder nur anteilig abziehbar ist, ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Abschreibung abzustellen; die Berücksichtigung späterer Zeitpunkte kommt nicht in Betracht.

4. Spätere Wertaufholung auf die Darlehensforderung

Liegen in späteren Wirtschaftsjahren die Voraussetzungen für den niedrigeren Teilwert nicht mehr vor, ist für die zunächst auf den niedrigeren Teilwert abgeschriebene Darlehensforderung eine Wertaufholung gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 2 EStG vorzunehmen. War in diesem Fall die zugrunde liegende Teilwertabschreibung auf die Darlehensforderung nach den oben unter 2. dargestellten Grundsätzen nur anteilig abziehbar, ist auch der spätere Gewinn aus der Zuschreibung nicht voll, sondern nur anteilig steuerpflichtig („umgekehrte“ Anwendung des § 3c Absatz 2 EStG).

5. Wirkungen eines späteren Forderungsverzichts auf Ebene der schuldenden Kapitalgesellschaft

Sollte einer nur anteilig abziehbaren Teilwertabschreibung ein Verzicht auf die Darlehensforderung nachfolgen, ist dieser Verzicht auf der Ebene der schuldenden Kapitalgesellschaft wie folgt zu behandeln:

Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 9. Juni 1997 (BStBl 1998 II S. 307) führt der durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Forderungsverzicht in Höhe des werthaltigen Teils der Forderung zu einer verdeckten Einlage in die Kapitalgesellschaft. Beim Gesellschafter gilt der Darlehensbetrag insoweit als zurückgezahlt und anschließend in die Kapitalgesellschaft eingelegt.

Die Kapitalgesellschaft bucht die Darlehensverbindlichkeit, die bei ihr i. d. R. noch in voller Höhe passiviert ist, ertragswirksam aus.

6. Rückgriffsforderungen aus einer Bürgschaftsinanspruchnahme

In der Praxis erfolgt insbesondere in den Fällen einer Betriebsaufspaltung häufig eine Gestel- lung von Sicherheiten des Besitzunternehmens in Form einer Bürgschaftserklärung für die Verbindlichkeiten der Betriebsgesellschaft. Für die Abschreibung von Rückgriffsforderungen nach erfolgter Bürgschaftsinanspruchnahme sind die unter 1. bis 5. dargestellten Grundsätze sinngemäß anzuwenden. Entsprechendes gilt bei der Gestellung anderer Sicherheiten.

7. Grundsätze des BFH-Urteils vom 25. Juni 2009 (BStBl. 2010 II S. 220)

Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 25. Juni 2009 - IX R 42/08 - (BStBl. 2010 II S. 220) sind für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2010 zu beachten.

 

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Zum Artikel

Veröffentlicht: 24. Juli 2002
Aktenzeichen: I R 71/00

  1. Für die Verpflichtung, Pensionären und aktiven Mitarbeitern während der Zeit ihres Ruhestandes in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen Beihilfen zu gewähren, ist eine Rückstellung zu bilden.
  2. Der Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte hindert nicht den Ausweis einer Verbindlichkeit, die erst nach Beendigung des Schwebezustands zu erfüllen sein wird ("Verpflichtungsüberhang").

KStG § 8 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 1 Satz 1
HGB § 249 Abs. 1 Satz 1, § 246 Abs. 1, § 252 Abs. 1 Nr. 4
EHGB Art. 28 Abs. 1 Satz 2

Urteil vom 30. Januar 2002 I R 71/00

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 18. April 2000 I 156/95
(EFG 2000, 1306)

Zum Artikel

Veröffentlicht: 30. April 2008
Aktenzeichen: IV R 85/05

Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung ist noch nicht rechtlich entstanden im Sinne der Rechtsprechung zu Verbindlichkeitsrückstellungen, wenn die Rechtsnorm, in der sie enthalten ist, eine Frist für ihre Erfüllung enthält, die am maßgeblichen Bilanzstichtag noch nicht abgelaufen ist (Abgrenzung gegenüber dem BFH-Urteil vom 27. Juni 2001 I R 45/97, BFHE 196, 216, BStBl II 2003, 121).

FGO § 120 Abs. 2 Satz 1
EStG § 5 Abs. 1
HGB § 249

Urteil vom 13. Dezember 2007

Vorinstanz: FG München, Außensenate Augsburg, vom 28. Juni 2005 6 K 2749/03 (EFG 2005, 1528)

Zum Artikel

Veröffentlicht: 13. November 2002
Aktenzeichen: VIII R 30/01

Für die zukünftigen Kosten der Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen, zu der das Unternehmen gemäß § 257 HGB und § 147 AO 1977 verpflichtet ist, ist im Jahresabschluss eine Rückstellung zu bilden.

EStG § 5 Abs. 1
AO 1977 § 147
HGB § 249 Abs. 1 Satz 1, § 257

Urteil vom 19. August 2002

Vorinstanz: FG München vom 23. Mai 2001 9 K 5141/98
(EFG 2001, 1357)

Zum Artikel

Veröffentlicht: 29. Oktober 2010
Geschäftszeichen: IV C 6 - S 2241/10/10002 :001

 

Zur Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO), die im Rahmen eines Einspruchsverfahrens hinsichtlich der Gewinnrealisierung bei Übertragung eines Wirtschaftsguts zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften begehrt wird (§ 6 Absatz 5 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 [BGBl. I S. 3858, BStBl 2002 I S. 35]), nehme ich nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:

Der IV. Senat des BFH hat in seinem Beschluss vom 15. April 2010 - IV B 105/09 - (BStBl II) entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft sei, ob die Übertragung eines Wirtschaftsguts des Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft auf eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft zur Aufdeckung stiller Reserven führt. Die Ausführungen des IV. Senats zur Begründung dieses Beschlusses stehen nicht im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes und widersprechen dem Urteil des I. Senats vom 25. November 2009 (BStBl 2010 II S. 471) und der Verwaltungsauffassung.

Unter die Übertragung von Wirtschaftsgütern nach § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 2 EStG fällt ausschließlich die Übertragung zwischen dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben oder einer anderen Mitunternehmerschaft, an der der Mitunternehmer beteiligt ist, oder die umgekehrte Übertragung. Die unmittelbare Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwesterpersonengesellschaften stellt hingegen keinen Anwendungsfall des § 6 Absatz 5 Satz 3 Nummer 2 EStG dar und ist somit nicht zu Buchwerten zulässig. Ein Analogieschluss dahingehend, dass eine steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern auch in diesem Fall möglich sein müsse, weil die stillen Reserven auch in diesem Fall in einem inländischen Betriebsvermögen verbleiben, ist für die Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwesterpersonengesellschaften nicht zulässig, da dies eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraussetzen würde, die nach dem Willen des historischen Gesetzgebers nicht gegeben ist. Dies gilt auch für beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften.

Der Gleichheitsgrundsatz ist ebenfalls nicht verletzt, da es im deutschen Steuerrecht keinen allgemeinen Grundsatz gibt, der eine gewinnneutrale Übertragung zulässt oder vorschreibt, soweit die Besteuerung der stillen Reserven im Inland sichergestellt ist.

Bei Erlass von Feststellungsbescheiden ist weiterhin daran festzuhalten, dass die Übertragung eines Wirtschaftsguts des Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft auf eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft zur Aufdeckung stiller Reserven führt. Aufgrund des BFH-Beschlusses vom 15. April 2010 (a. a. O.) ist allerdings auf Antrag des Steuerpflichtigen Aussetzung der Vollziehung zu gewähren (§ 361 Absatz 2 und 3 AO).

 

Im Auftrag

Zum Artikel

Veröffentlicht: 27. Oktober 2010
Geschäftszeichen: IV C 3 - S 2190/09/10007

 

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach Einlage von zuvor zur Erzielung von Überschusseinkünften genutzten Wirtschaftsgütern Folgendes:

Die AfA in gleichen Jahresbeträgen von Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, wird nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts ermittelt (§ 7 Absatz 1 Satz 1 EStG). Bei einer Einlage aus dem Privatvermögen in ein Betriebsvermögen tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Einlagewert (§ 6 Absatz 1 Nummer 5 Satz 1 EStG).

Einlagewert ist grundsätzlich der Teilwert (§ 6 Absatz 1 Nummer 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG). Bei der Einlage eines abnutzbaren Wirtschaftsgutes in ein Betriebsvermögen innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung oder Herstellung (§ 6 Absatz 1 Nummer 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchstabe a i. V. m. Satz 2 EStG) ermittelt sich der Einlagewert nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der AfA nach § 7 EStG, den erhöhten Absetzungen (außerplanmäßige AfA) sowie etwaigen Sonderabschreibungen, die auf den Zeitraum zwischen der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts und der Einlage entfallen, unabhängig davon, ob das Wirtschaftsgut vor der Einlage zur Einkunftserzielung genutzt worden ist (R 6.12 Absatz 1 EStR).

Werden Wirtschaftsgüter nach einer Verwendung zur Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bis 7 EStG in ein Betriebsvermögen eingelegt, ist nach § 7 Absatz 1 Satz 5 EStG eine vom Einlagewert nach § 6 Absatz 1 Nummer 5 Satz 1 EStG abweichende AfA-Bemessungsgrundlage zu ermitteln. Die Abschreibung des eingelegten Wirtschaftsguts nach § 7 Absatz 1 EStG bemisst sich in diesem Fall abweichend von R 7.3 Absatz 6 Satz 1 und 2 EStR 2008 nach folgenden Grundsätzen:


Fallgruppe 1

Ist der Einlagewert des Wirtschaftsguts höher als oder gleich den historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, ist die AfA ab dem Zeitpunkt der Einlage nach dem um die bereits in Anspruch genommenen AfA oder Substanzverringerungen (planmäßigen AfA), Sonderabschreibungen oder erhöhten Absetzungen geminderten Einlagewert zu bemessen.

Beispiel 1:
A erwarb im Jahr 01 ein Grundstück mit aufstehendem Gebäude (Anschaffungskosten 800.000 Euro, davon entfallen 700.000 Euro auf das Gebäude). Er vermietete das Grundstück an eine Versicherung und machte im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Gebäude-AfA geltend. Nach Beendigung des Mietverhältnisses im Jahr 25 legt er das Grundstück mit aufstehendem Gebäude zu Beginn des Jahres 26 in das Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens ein. Das Gebäude wird nicht zu Wohnzwecken verwendet. Der Teilwert des Gebäudes beträgt zu diesem Zeitpunkt 1.000.000 Euro. Bis zur Einlage des Gebäudes hat A insgesamt 350.000 Euro als AfA in Anspruch genommen.

  • B 1
    Die Bemessungsgrundlage für die AfA des Gebäudes im Betriebsvermögen beträgt 650.000 Euro. Sie wird nach dem Einlagewert (1.000.000 Euro) abzüglich der bis dahin in Anspruch genommenen AfA (350.000 Euro) ermittelt, denn der Einlagewert (1.000.000 Euro) ist höher als die historischen Anschaffungskosten (700.000 Euro).

  • B 2
    Nach § 7 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 EStG ist von der nach § 7 Absatz 1 Satz 5 ermittelten Bemessungsgrundlage das Gebäudes nach der Einlage jährlich mit einem Betrag von 19.500 Euro (= 3 % von 650.000 Euro) abzusetzen. Der nach Ablauf von 33 Jahren verbleibende Restwert von 6.500 Euro ist im Folgejahr abzusetzen. Von dem danach verbleibenden Restbuchwert in Höhe von 350.000 € darf keine AfA vorgenommen werden. Bei einer Veräußerung ist dieser Restbuchwert gewinnmindernd zu berücksichtigen. § 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 und § 7 Absatz 1 Satz 7 EStG bleiben unberührt.


Fallgruppe 2

Ist der Einlagewert des Wirtschaftsguts geringer als die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, aber nicht geringer als die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten, ist die AfA ab dem Zeitpunkt der Einlage nach den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bemessen.

Beispiel 2:
Wie Beispiel 1, der Teilwert beträgt im Zeitpunkt der Einlage jedoch 400.000 Euro.

  • B 3
    Die Bemessungsgrundlage für die AfA des Gebäudes im Betriebsvermögen beträgt 350.000 Euro. Die AfA wird nach den fortgeführten Anschaffungskosten bemessen, weil der Einlagewert (400.000 Euro) geringer als die historischen Anschaffungskosten (700.000 Euro) jedoch höher als die fortgeführten Anschaffungskosten (350.000 Euro) ist.

  • B 4
    Nach § 7 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 EStG ist von der nach § 7 Absatz 1 Satz 5 ermittelten Bemessungsgrundlage das Gebäude jährlich mit einem Betrag von 10.500 Euro (= 3 % von 350.000 Euro) abzusetzen. Der nach Ablauf von 33 Jahren verbleibende Restwert von 3.500 Euro ist im Folgejahr abzusetzen. Von dem danach verbleibenden Restbuchwert in Höhe von 50.000 € darf keine AfA vorgenommen werden. Bei einer Veräußerung ist dieser Restbuchwert gewinnmindernd zu berücksichtigen. § 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 und § 7 Absatz 1 Satz 7 EStG bleiben unberührt.

 

Fallgruppe 3

Herstellungskosten, bemisst sich die weitere AfA nach diesem ungeminderten Einlagewert.

Beispiel 3:
Wie Beispiel 1, der Teilwert beträgt im Zeitpunkt der Einlage jedoch 100.000 Euro.

  • B 5
    Die Bemessungsgrundlage für die AfA des Gebäudes im Betriebsvermögen beträgt 100.000 Euro. Die AfA wird nach dem Einlagewert (100.000 Euro) bemessen, weil dieser geringer ist als die fortgeführten Anschaffungskosten (350.000 Euro).
  • B 6
    Nach § 7 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 EStG ist vom Einlagewert des Gebäudes jährlich ein Betrag von 3.000 Euro (= 3 % von 100.000 Euro) abzusetzen. Der nach Ablauf von 33 Jahren verbleibende Restbuchwert von 1.000 Euro ist im Folgejahr abzusetzen. Das insgesamt geltend gemachte AfA-Volumen (vor und nach der Einlage) beträgt damit 450.000 Euro. Der von den ursprünglichen Anschaffungskosten des Gebäudes nicht abgeschriebene Betrag in Höhe von 250.000 Euro stellt einen einkommensteuerlich unbeachtlichen Wertverlust im Privatvermögen dar.

 

Fallgruppe 4

Der Einlagewert eines Wirtschaftsguts nach § 6 Absatz 1 Nummer 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchstabe a i. V. m. Satz 2 EStG gilt gleichzeitig auch als AfA-Bemessungsgrundlage gemäß § 7 Absatz 1 Satz 5 EStG.

Die vorstehenden Grundsätze sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Rz. 5 ist erstmals auf Einlagen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2010 vorgenommen werden.

 

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Im Auftrag

Zum Artikel

Veröffentlicht: 3. November 2010
Aktenzeichen: I R 102/09

Werden Darlehen, die bereits in der Bilanz zum 31. Dezember 1998 enthalten waren, erstmals im Wege der Bilanzberichtigung in der Bilanz zum 31. Dezember 2002 abgezinst, kann für den hierbei entstehenden Gewinn eine den Gewinn mindernde Rücklage in Höhe von sechs Zehnteln gebildet werden.

Urteil vom 25. August 2010

Zum Artikel

Ist eine Wertminderung bei Aktien „voraussichtlich dauernd“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG und berechtigt zu einer gewinnmindernden Abschreibung? Diese Frage hat der 9. Senat des Finanzgerichts Münster in seinem Urteil vom 31. August 2010 klar und praxisorientiert beantwortet.

Im Streitfall hielt die Klägerin Aktien im Betriebsvermögen. Deren Wert war zum Bilanzstichtag allerdings deutlich unter die ursprünglichen Anschaffungskosten gesunken - teilweise lag er etwa 8%, teilweise sogar um fast 30% niedriger. Die Klägerin sah die Wertminderungen als „voraussichtlich dauernd“ an und nahm eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG vor. Das Finanzamt erkannte die Abschreibung nicht an. Es berief sich dabei insbesondere auf eine allgemeine Verwaltungsanweisung, nach der eine Teilwertabschreibung voraussetzt, dass der Börsenkurs zum jeweiligen Bilanzstichtag um mehr als 40% unter die Anschaffungskosten gesunken ist.

Der 9. Senat des Finanzgerichts Münster sah dies anders und gab der Klage teilweise statt. Sei der Kurswert einer Aktie zum Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken und lägen im Zeitpunkt der Bilanzerstellung keine Anhaltspunkte für einen alsbaldigen Kursanstieg vor, so sei grundsätzlich von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen. Allerdings könne und müsse – so der 9. Senat – nicht jede Wertveränderung in der Bilanz nachvollzogen werden. Vielmehr sei bei Aktien ein Absinken des Börsenkurses innerhalb einer bestimmten Bandbreite noch als Ausdruck einer lediglich vorübergehenden Wertschwankung anzusehen. In typisierender Weise könne eine Teilwertabschreibung aber dann allein auf die Kursentwicklung gestützt werden, wenn der Börsenkurs am Bilanzstichtag entweder um mehr als 20% unter dem Kurs beim Erwerb des Wertpapiers liege oder dieser an zwei aufeinanderfolgenden Bilanzstichtagen jeweils um mehr als 10% unter den Kurs beim Kauf des Papiers gesunken sei. Allerdings sei die Höhe der Teilwertabschreibung begrenzt, wenn zwar der Börsenkurs am Bilanzstichtag unter der maßgeblichen Grenze liege, er aber am Tag der Bilanzaufstellung wieder höher notiere.

Das Revisionsverfahren wird beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 89/10 geführt.

Urteil vom 31. August 2010

Zum Artikel

Die Finanzverwaltung darf Steuerpflichtigen die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides nicht mit dem Ziel aufdrängen, dem Staat Zinsvorteile zu verschaffen. Dies entschied der 13. Senat des Finanzgerichts Köln in seinem Urteil vom 08. September 2010 (13 K 960/08). Der Entscheidung liegt ein Fall zugrunde, bei dem die Klägerin nach einer steuerlichen Außenprüfung mehrere Millionen an das Finanzamt nachzahlen sollte. Die Klägerin zahlte fristgerecht, legte aber gegen die geänderten Steuerbescheide Einspruch beim Finanzamt ein. Das Finanzamt setzte auf entsprechende Anweisung des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen den gesamten Nachforderungsbetrag ab Fälligkeit von der Vollziehung aus und erstattete den Betrag an die Klägerin zurück. Gegen diese aufgezwungene Aussetzung wehrte sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage. Sie berief sich darauf, dass die Aussetzung unrechtmäßig sei, weil sie zu einem Zinsschaden führe. Sie könne sich am Markt zu einem Zinssatz zwischen ca. 2 % und 4,3 % refinanzieren, während im Falle eines Misserfolges zwingend Aussetzungszinsen von 6 % anfielen. Der 13. Senat gab der Klage im Wesentlichen statt. Er vertrat die Auffassung, dass eine aufgezwungene Aussetzung der Vollziehung grundsätzlich ermessensfehlerhaft sei. Die Aussetzung der Vollziehung diene dem vorläufigen Rechtsschutz des Bürgers. Es finde sich - von Ausnahmefällen abgesehen - kein plausibler Grund, warum das finanzielle Interesse des Staates insoweit von Bedeutung sein solle. Die Zwangsaussetzung verstoße im Übrigen auch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG. Eine Aussetzung der Vollziehung gegen den Willen des Steuerpflichtigen erfolge nämlich nur in einer verschwindend geringen Anzahl von Fällen und soweit ersichtlich nur bei erheblichen Streitwerten.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof in München zugelassen.

Wird während eines Einspruchs- oder Klageverfahrens die Vollziehung eines Steuerbescheides ausgesetzt (§ 361 AO), so sind bei erfolglosem Rechtsbehelf später Aussetzungszinsen in Höhe von 6 % jährlich (§ 237 Abs.1 AO) an den Fiskus zu bezahlen. Ist anderseits eine Aussetzung nicht erfolgt und hat der Steuerpflichtige die streitige Steuerschuld bezahlt, so erhält er im Falle des Erfolgs den Erstattungsbetrag vom Finanzamt mit 6 % verzinst (§ 233a Abs. 1 und 2 AO). In Niedrigzinsphasen, in denen das Kapitalmarktzinsniveau unterhalb der Höhe der Aussetzungs- bzw. Erstattungszinsen von 6 % liegt, kann es für den Steuerpflichtigen im Einzelfall erheblich günstiger sein, auf eine Aussetzung des Steuerbescheides zu verzichten und den streitigen Steuerbetrag (vorübergehend) am Markt zu refinanzieren. Vor diesem Hintergrund ist die Finanzverwaltung in letzter Zeit dazu übergegangen, in lukrativen Fällen den Steuerpflichtigen gegen ihren Willen von Amts wegen eine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren, um damit dem Staat eine Verzinsung über dem Kapitalmarktniveau zu sichern bzw. zu ersparen.

Urteil vom 8. September 2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 21. Oktober 2010
Geschäftszeichen: IV C 6 - S 2244/08/10001

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat unter Geltung des GmbH-Rechts vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 1. November 2008 (BGBl. I S. 2026) in mehreren Urteilen zur Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten gemäß § 17 Absatz 2 EStG in den Fällen des Darlehensverlustes eines i. S. des § 17 EStG beteiligten Gesellschafters Stellung genommen (BFH-Urteile vom 24. April 1997, BStBl 1999 II S. 339 und BStBl 1999 II S. 342, vom 4. November 1997, BStBl 1999 II S. 344, sowie vom 10. November 1998, BStBl 1999 II S. 348). Nach den in diesen Urteilen zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsätzen gehören zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung i. S. des § 17 EStG auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Danach zählt zu diesen Aufwendungen auch die Wertminderung des Rückzahlungsanspruchs aus einem der Gesellschaft gewährten Darlehen. Nach Auffassung des BFH muss der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten in § 17 EStG weit ausgelegt werden, damit das die Einkommensbesteuerung beherrschende Nettoprinzip im Anwendungsbereich dieser Norm ausreichend wirksam werden kann. Dem durch die Beteiligung veranlassten Ertrag ist der durch sie veranlasste Aufwand gegenüberzustellen. Als nachträgliche Anschaffungskosten i. S. des § 17 Absatz 2 EStG kommen deshalb nicht nur Aufwendungen in Betracht, die auf der Ebene der Gesellschaft als Nachschüsse oder verdeckte Einlagen zu werten sind, sondern auch sonstige, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Aufwendungen des Gesellschafters, sofern diese nicht Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder Veräußerungskosten i. S. von § 17 Absatz 2 EStG sind. Die Finanzverwaltung hatte die Anwendung der durch die genannten BFH-Urteile geschaffenen Rechtsgrundsätze seinerzeit in dem BMF-Schreiben vom 8. Juni 1999 (BStBl I S. 545) zusammengefasst.

Zu der Frage, welche Folgen sich für die Anwendung des § 17 EStG aufgrund des ab dem 1. November 2008 geltenden MoMiG (a. a. O.) ergeben, nehme ich im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:

1. Rechtslage auf Grund des MoMiG

Das bisherige Recht bestand zum einen aus dem Bereich der gesetzlichen Regelungen in §§ 32a, 32b GmbHG (sog. Novellenregeln), und zum anderen aus einer aus der BGH-Rechtsprechung entwickelten analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG (sog. Rechtsprechungsregeln). Durch das MoMiG wurde das Eigenkapitalersatzrecht grundlegend dereguliert. Die Bestimmungen über kapitalersetzende Darlehen (§§ 32a, 32b GmbHG) wurden im Rahmen des MoMiG aus dem GmbHG entfernt und im Insolvenzrecht sowie im Anfechtungsgesetz (AnfG) neu geordnet. Damit hat der Gesetzgeber auch den zu §§ 30, 31 GmbHG entwickelten Rechtsprechungsregeln die gesetzliche Grundlage entzogen. Kern der Neuregelungen in den §§ 39 Absatz 1 Nummer 5, §§ 44a, 135, 143 Absatz 3 der Insolvenzordnung (InsO) ist eine gesetzliche Nachrangigkeit aller Rückzahlungsansprüche aus Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz, unabhängig davon, ob sie in der Krise gewährt wurden oder nicht („insolvenzrechtliches Institut der Nachrangigkeit“). Ist das Darlehen im Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags getilgt worden oder wurde es zehn Jahre vor dem Eröffnungsantrag besichert, so ist gemäß § 135 Absatz 1 Nummer 2 InsO zusätzlich die Insolvenzanfechtung eröffnet, d. h. es besteht die Anfechtbarkeit der im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag von der Gesellschaft zurückgezahlten Gesellschafterleistungen, und zwar unabhängig von einer tatbestandlichen Anknüpfung an einen eigenkapitalersetzenden Charakter der Leistung. Wurde das Darlehen im Jahr vor Erlangung eines vollstreckbaren Schuldtitels zurückgezahlt oder wurde es zehn Jahre vor diesem Zeitpunkt besichert, so ist - außerhalb des Insolvenzverfahrens - zusätzlich die Anfechtungsmöglichkeit nach § 6 AnfG eröffnet. Das frühere Sanierungsprivileg und das frühere Kleinanlegerprivileg werden sinngemäß in § 39 Absatz 1 Nummer 5, Absatz 4 und 5 InsO beibehalten, so dass die vorgenannten Einschränkungen hier nicht gelten.

2. Nachrangigkeit der Gesellschafterdarlehen

Während die Rechtsprechung bisher von einer Anbindung an das Eigenkapitalersatzrecht ausging (BFH-Urteil vom 13. Juli 1999, BStBl II S. 724), ist nach Abschaffung der Eigenkapitalersatzregeln in §§ 32a, 32b GmbHG die Darlehensgewährung durch den Gesellschafter selbst die alleinige Voraussetzung für die insolvenzrechtliche Bindung des Darlehens. Mit Ausnahme der durch das Sanierungsprivileg und das Kleinanlegerprivileg begünstigten Gesellschafterdarlehen treten alle Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz unabhängig von ihrer vertraglichen Ausgestaltung und unabhängig vom Zeitpunkt der Hingabe gemäß § 39 Absatz 1 Nummer 5 InsO an die letzte Stelle aller Gläubiger.

Für die Frage nachträglicher Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Absatz 2 EStG ist auf die gesellschaftsrechtliche Veranlassung abzustellen. Unbeschadet der Aufgabe des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG orientiert sich deshalb die Auslegung einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung nach wie vor an der bereits von dem BMF-Schreiben vom 8. Juni 1999 (BStBl I S. 545) herangezogenen Figur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers, so dass bei gesellschaftsrechtlicher Veranlassung auch zukünftig nachträgliche Anschaffungskosten bei uneinbringlichen Rückzahlungsansprüchen des Gesellschafters anzunehmen sind.

3. Steuerliche Folgerungen für den Anschaffungskostenbegriff i. S. des § 17 EStG

Ein Darlehen ist nach Auffassung des BFH u. a. dann durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder Weitergewährung die Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise). Der Begriff der Krise und die steuerliche Anknüpfung an die Krise werden auch im zeitlichen Geltungsbereich des MoMiG beibehalten. Außerdem ist auch nach der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts im Rahmen des MoMiG eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Darlehensgewährung danach zu beurteilen, ob die Gesellschaft unter den bestehenden Verhältnissen von einem Dritten noch einen Kredit zu marktüblichen Bedingungen erhalten hätte. Die bisherige Rechtsprechung des BFH zu nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 Absatz 2 EStG kann daher grundsätzlich weiterhin angewendet werden.

Was im Fall der Hingabe des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gilt, gilt nach Auffassung des BFH grundsätzlich auch bei einem der Gesellschaft vor der Krise gewährten Darlehen, wenn der Gesellschafter das Darlehen stehen lässt, obwohl er es hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, dass die Rückzahlung gefährdet sein wird (sog. stehen gelassenes Darlehen).

Im Einzelnen unterscheidet der BFH für die Frage des Umfangs nachträglicher Anschaffungskosten vier Fallgruppen:

a) Hingabe des Darlehens in der Krise

Im Falle der Hingabe des Darlehens in der Krise ist nach Auffassung des BFH für die Höhe der Anschaffungskosten dessen Nennwert maßgeblich.

b) Stehen gelassene Darlehen

Im Falle eines „stehen gelassenen“ Darlehens ist grundsätzlich der gemeine Wert in dem Zeitpunkt maßgeblich, in dem es der Gesellschafter mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abzieht; dies kann ein Wert erheblich unter dem Nennwert des Darlehens, im Einzelfall sogar ein Wert von 0 Euro sein. Nach der neuen, durch das MoMiG geschaffenen Rechtslage kann allerdings ein „stehen gelassenes“ Darlehen begrifflich nur noch dann vorliegen, wenn die Krise zeitlich vor dem Beginn des Anfechtungszeitraums nach § 6 AnfG entstanden ist.

Ist die Krise erst nach dem Beginn des Anfechtungszeitraums entstanden, ist die Fallgruppe der „krisenbestimmten“ Darlehen anzuwenden (vgl. hierzu unten unter d).

c) Finanzplandarlehen

Schon unter der Geltung des früheren GmbH-Rechts waren von den eigenkapitalersetzenden Darlehen die sog. Finanzplandarlehen abzugrenzen. Dies sind solche Darlehen, die von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft in der Weise einbezogen werden, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung der Gesellschaft krisenunabhängig durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erreicht werden soll. Solche von den Gesellschaftern gewährten „finanzplanmäßigen“ Kredite zur Finanzierung des Unternehmenszwecks sind nach Gesellschaftsrecht den Einlagen gleichgestellt. Die Bindungen für sog. Finanzplandarlehen ergaben sich schon vor dem Inkrafttreten des MoMiG nicht aus dem Eigenkapitalersatzrecht, sondern aus den vertraglich herbeigeführten Vereinbarungen und Bindungen der Gesellschafter. Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat zwischen Eigenkapitalersatzrecht und Finanzplandarlehen differenziert. Die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts hat also keine Auswirkungen auf die bisherige Behandlung der Finanzplandarlehen.

Liegt ein in diesem Sinne krisenunabhängiges Finanzplandarlehen vor, ist es nach Auffassung des BFH nicht nur von vornherein - also mit seiner Hingabe - gesellschaftsrechtlich als Haftkapital gebunden; es ist auch für die steuerrechtliche Beurteilung davon auszugehen, dass es mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt wurde. Dementsprechend erhöhen sich im Falle seines Verlustes die Anschaffungskosten der Beteiligung nicht nur in Höhe seines Wertes im Zeitpunkt der Krise, sondern in Höhe seines Wertes im Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft, also seines Nennwertes.

d) Krisenbestimmte Darlehen

Was für Finanzplandarlehen gilt, muss - jedenfalls im Grundsatz - auch für krisenbestimmte Darlehen gelten. Dies sind Darlehen, bei denen der Gesellschafter schon vor dem Eintritt der Krise mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt, dass er das Darlehen auch im Falle einer Krise stehen lassen werde. Für die Frage der Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten ist allerdings bei krisenbestimmten Darlehen weiter zu differenzieren. Es ist hier zu prüfen, ob die Krisenbindung des Darlehens - wie häufig - auf vertraglichen Vereinbarungen oder aber auf den gesetzlichen Neuregelungen der InsO und des AnfG aufgrund des MoMiG beruht:

aa) Krisenbestimmte Darlehen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen

Hat der Gesellschafter schon zu einem früheren Zeitpunkt mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt, dass er das Darlehen auch in der Krise der Gesellschaft stehen lassen wird, führt der Ausfall eines solchen krisenbestimmten Darlehens zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung in Höhe des Nennwerts des Darlehens. Denn zu einer solchen Erklärung wäre ein Darlehensgeber, der nicht auch Gesellschafter ist, mit Rücksicht auf das ihm bei Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs regelmäßig zustehende außerordentliche Kündigungsrecht im Allgemeinen nicht bereit.

Der Ansatz in Höhe des Nennwerts des Darlehens beruht nach Auffassung des BFH auf der Erwägung, dass bei den krisenbestimmten Darlehen die Bindung bereits mit dem Verzicht auf eine ordentliche und außerordentliche Kündigung im Zeitpunkt der Krise eintritt und deshalb der Verlust des Darlehens auf diesem Verzicht und nicht nur auf den später eintretenden gesetzlichen Rechtsfolgen der Krise beruht, womit sich diese Fallgruppe wesentlich von derjenigen der „stehen gelassenen“ Darlehen unterscheidet.

bb) Krisenbestimmte Darlehen aufgrund der gesetzlichen Neuregelungen in §§ 39, 135 InsO sowie § 6 AnfG

Beruht die Krisenbindung des Darlehens auf den gesetzlichen Neuregelungen der InsO und des AnfG aufgrund des MoMiG, so ist davon auszugehen, dass bereits die gesetzlichen Neuregelungen in der InsO und im AnfG mit Beginn des Anfechtungszeitraums den darlehensgebenden Gesellschafter wirtschaftlich regelmäßig so stellen, als habe er eine Krisenbindung vereinbart.

Die nachträglichen Anschaffungskosten bemessen sich für den Fall, dass die gesellschaftsrechtliche Veranlassung auf die insolvenzrechtliche Nachrangigkeit zurückgeht, nach dem gemeinen Wert im Zeitpunkt des Beginns des Anfechtungszeitraums.

4. Sanierungsprivileg

Nach § 39 Absatz 1 Nummer 5, Absatz 4 InsO unterliegen zwar Darlehen (Darlehensforderungen), die zum Zwecke der Sanierung des Unternehmens hingegeben werden, nicht dem oben beschriebenen Nachranggebot. Gleichwohl ist es nach der Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteil vom 19. August 2008, BStBl II 2009 S. 5) zum bisherigen Sanierungsprivileg (§ 32a Absatz 3 Satz 3 GmbHG a. F), - welche sinngemäß auch auf die neue Rechtslage nach dem MoMiG übertragen werden kann - der Sinn und Zweck des Sanierungsprivilegs als Sonderregelung, Anreize dafür zu bieten, einer GmbH Risikokapital zur Verfügung zu stellen und sich an Sanierungen zu beteiligen. Dieser Zweck würde nach Ansicht des BFH unterlaufen, wenn der das Sanierungskapital gebende Gesellschafter gegenüber anderen Gesellschaftern steuerrechtlich benachteiligt würde. Daher führen spätere Darlehensverluste auch hier sowohl nach der alten als auch nach der neuen Rechtslage zu nachträglichen Anschaffungskosten.

5. Kleinanlegerprivileg

Sinn und Zweck des Kleinanlegerprivilegs gemäß § 39 Absatz 1 Nummer 5, Absatz 5 InsO (bisher Zwerganteilsprivileg nach § 32a Absatz 3 Satz 2 GmbHG a. F.) ist - anders als beim unter 4. beschriebenen Sanierungsprivileg - nicht die Schaffung eines Anreizes zur Gewährung von Risikokapital, sondern allein die gesetzliche Klarstellung, dass nicht geschäftsführende GmbH-Gesellschafter mit einer nur geringen Beteiligung am Stammkapital nicht unternehmerisch beteiligt sind und deshalb nicht in der Finanzierungsverantwortung für die Gesellschaft stehen (BR-Drucks. 967/96 S. 22 f.; BT-Drucks. 13/7141 S. 11 f.). Der damalige Gesetzgeber hat damit die BGH-Rechtsprechung zu den eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen bei Aktiengesellschaften auch im Bereich der Gesellschaften mit beschränkter Haftung für anwendbar gehalten. Diese Grundentscheidung hat der Gesetzgeber auch im Rahmen der durch das MoMiG vollzogenen gesetzlichen Neuregelung beibehalten. Allerdings wurde die Schwelle für die Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters nunmehr rechtsformneutral auf eine 10-Prozent-Beteiligung festgesetzt (BT-Drucks. 16/6140 S. 57).

Die Nichtberücksichtigung des Verlustes eines im Sinne des § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG a. F. beteiligten Gesellschafters im Rahmen der nachträglichen Anschaffungskosten nach § 17 Absatz 2 EStG (BFH-Urteil vom 2. April 2008, BStBl II S. 706) ist daher - unter Beachtung der geänderten Beteiligungsgrenze - auch auf die Rechtslage nach MoMiG übertragbar.

6. Anwendungsregelung

Dieses BMF-Schreiben ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden, bei denen auf die Behandlung des Darlehens die Vorschriften des MoMiG anzuwenden sind. Ein Darlehen ist nach den Vorschriften des MoMiG zu behandeln, wenn das Insolvenzverfahren bei einer GmbH nach dem 31. Oktober 2008 eröffnet wurde oder wenn Rechtshandlungen, die nach § 6 AnfG der Anfechtung unterworfen sind, nach dem 31. Oktober 2008 vorgenommen wurden. Für die übrigen Darlehen gilt weiterhin das BMF-Schreiben vom 8. Juni 1999 (BStBl I S. 545).

 

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Im Auftrag

Zum Artikel

Veröffentlicht: 27.10.2010
Aktenzeichen: I R 89/09

Leitsätze

Die Voraussetzungen einer Organschaft gemäß §§ 14 ff. KStG 2002 sind infolge der in § 12 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1995 angeordneten Gesamtrechtsnachfolge der übernehmenden Gesellschaft in die Position der übertragenden Gesellschaft auch nach einer vorangegangenen Ausgliederung eines Teilbetriebs zur Neugründung und einer anschließenden Anteilseinbringung von Beginn des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft an erfüllt .

Urteil vom 28.07.2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 27.10.2010
Aktenzeichen: IX R 4/10

Leitsätze

Die Zahlung eines Grundstückseigentümers an seinen Nachbarn für eine Zufahrtsbaulast kann zu Anschaffungskosten des Grund und Bodens auch dann führen, wenn damit ein zweiter Zugang zum Grundstück eröffnet wird .

Urteil vom 20.07.2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 27. Oktober 2010
Aktenzeichen: VIII R 3/08

  1. Es besteht die Pflicht, die abschnittsbezogene lineare (so genannte Normal-)AfA auch tatsächlich vorzunehmen.
  2. Wegen des Prinzips der Gesamtgewinngleichheit ist auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die AfA im selben Umfange vorzunehmen wie beim Betriebsvermögensvergleich.
  3. Bei einem bilanzierenden Steuerpflichtigen ist die verspätete Erfassung notwendigen Betriebsvermögens eine fehlerberichtigende Einbuchung, bei der sich der Bilanzansatz nach dem Wert richtet, mit dem das bisher zu Unrecht nicht bilanzierte Wirtschaftsgut bei von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde. Deshalb darf auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die versäumte AfA auf ein zunächst nicht als Betriebsvermögen erfasstes Wirtschaftsgut nicht nachgeholt werden.
  4. Urteil vom 22. Juni 2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 21. September 2010
Geschäftszeichen: IV C 1 - S 2252/09/10003 :004

 

Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder nehme ich hierzu wie folgt Stellung:

 

1. Zeitlicher Anwendungsbereich

Es wird klargestellt, dass die in dem Bezugsschreiben in den Textziffern 1 und 2 geregelten Bescheinigungspflichten bis auf weiteres auch für Dividenden gelten, die nach dem Jahr 2009 zufließen. Die genannten Fristen verschieben sich jeweils um ein weiteres Jahr.

2. Erstattungsverfahren nach § 44b Absatz 6 EStG

In den Fällen des § 44b Absatz 6 Satz 1 bis 3 EStG haben Anteilseigner, die ab dem 1. Januar 2010 Aktien mit Dividendenanspruch erworben, aber ohne Dividendenanspruch geliefert bekommen haben, gegenüber ihrem Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut eine Bescheinigung eines zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung befugten Berufsträgers im Sinne der §§ 3, 3a des Steuerberatungsgesetzes oder einer behördlich anerkannten Wirtschaftsprüfungsstelle einzureichen, in der Folgendes bestätigt wird:

„Mir liegen auf Grund des mir möglichen Einblicks in die Unternehmensverhältnisse und nach Befragung des Steuerpflichtigen keine Erkenntnisse über Absprachen des Steuerpflichtigen im Hinblick auf den über den Dividendenstichtag vollzogenen Erwerb von Aktien sowie entsprechende Leerverkäufe, bei denen § 44 Absatz 1 Satz 3 i. V. m. § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 4 EStG keine Anwendung gefunden hat, vor.“

Das Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut hat die Erstattung im Sinne des § 44b Absatz 6 Satz 1 EStG erst nach Vorlage der Bescheinigung vorzunehmen. Ist die Erstattung im Rahmen der Kapitalertragsteueranmeldung gemäß § 44b Absatz 6 Satz 3 EStG bereits berücksichtigt worden, hat das Kreditinstitut die Kapitalertragsteueranmeldung zu korrigieren. Ist eine Nachbelastung des Empfängers nicht möglich, ist eine Meldung an das Finanzamt analog § 44 Absatz 1 Satz 8 EStG vorzunehmen.

Diese Grundsätze finden keine Anwendung auf natürliche Personen als Anteilseigner.

3. Leerverkäufe mit Anteilen an Investmentvermögen

Die Grundsätze des Bezugsschreibens sind entsprechend anzuwenden, wenn Anteile an solchen Investmentvermögen, die Erträge im Sinne des § 7 Absatz 3 InvStG ausschütten, über den Ausschüttungsstichtag leer veräußert oder zurückgegeben werden. Die Bescheinigungspflichten entsprechend den Textziffern 1 und 2 des Bezugsschreibens sowie der Textziffern 2 und 4 dieses Schreibens sind zu beachten für Ausschüttungen, die nach dem 15. Oktober 2010 zufließen. Zu dem Verfahren bei thesaurierten Erträgen nach § 7 Absatz 3 InvStG ergeht ein gesondertes Schreiben.

4. Erstattung nach § 11 Absatz 2 InvStG; Ausweitung auf PublikumsInvestmentvermögen

Bisher besteht nach Textziffer 4 des Bezugsschreibens eine Bescheinigungspflicht in Fällen des § 11 Absatz 2 InvStG nur für Spezial-Investmentvermögen. Diese Bescheinigungspflicht wird für Dividenden, die ab dem 1. Januar 2010 zufließen, auch auf Publikums-Investmentvermögen ausgeweitet, wenn die zu erstattende und die nicht zu erhebende Kapitalertragsteuer des einzelnen Publikums-Investmentvermögens auf Dividenden im Zusammenhang mit Geschäften um den Dividendenstichtag mehr als 25.000 € im Geschäftsjahr beträgt.

Die Anwendung der Bescheinigungs- und Mitteilungspflichten ist auch bei Publikums-Investmentvermögen geboten, weil entgegen der bei Erstellung des Bezugsschreibens durch alle Beteiligten einvernehmlich vorgenommenen Einschätzung der Sachlage mittlerweile davon auszugehen ist, dass diese kollusiven Gestaltungen auch bei Publikums-Investmentvermögen vorkommen und diese Investmentvermögen zum Teil speziell für die Durchführung dieser Gestaltungen gebildet werden.

Inländische Spezial- und Publikums-Investmentvermögen, die ab dem 1. Januar 2010 Aktien mit Dividendenanspruch erworben, aber ohne Dividendenanspruch geliefert bekommen haben, haben gegenüber ihrer Depotbank bis 31. März 2011 die Bescheinigung des zuständigen Jahresabschlussprüfers oder eines Wirtschaftsprüfers, der in den vergangenen mindestens 5 Jahren Berufsträgerbescheinigungen nach § 5 Absatz 1 Nummer 3 InvStG ausgestellt hat, einzureichen, in der Folgendes bestätigt wird:

„Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass die Kapitalanlagegesellschaft Absprachen im Hinblick auf den über den Dividendenstichtag vollzogenen Erwerb der Aktien im Sinne der Steuerbescheinigung sowie entsprechende Leerverkäufe, bei denen § 44 Absatz 1 Satz 3 i. V. m. § 20 Absatz 1 Nummer 1 Satz 4 EStG keine Anwendung gefunden hat, getroffen hat. Hinsichtlich der von der Kapitalanlagegesellschaft beauftragten externen Portfoliomanager oder Portfolioberater liegen keine Erkenntnisse vor, dass diese durch die Kapitalanlagegesellschaft aufgefordert worden sind, solche Absprachen zu treffen und es liegen auch keine Erkenntnisse vor, dass solche Absprachen getroffen wurden.“

Liegt keine Bescheinigung vor und ist die Erstattung im Rahmen der Kapitalertragsteueranmeldung gemäß § 44b Absatz 6 Satz 3 EStG bereits berücksichtigt worden, hat die Depotbank die Kapitalertragsteueranmeldung zu korrigieren.

Bis auf weiteres gelten die Bescheinigungs- und Mitteilungsfristen auch für die folgenden Jahre.

5. BMF-Schreiben zu den Steuerbescheinigungen vom 18. Dezember 2009

Die in diesem Schreiben und dem Bezugsschreiben vom 5. Mai 2009 geregelten Bescheinigungspflichten sind zusätzlich zu den Bescheinigungspflichten nach dem BMF-Schreiben vom 18. Dezember 2009 „Ausstellung von Steuerbescheinigungen für Kapitalerträge nach § 45a Absatz 2 und 3 EStG“ (BStBl I 2010 Seite 79) zu beachten.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Zum Artikel

Veröffentlicht: 30. September 2010
Geschäftszeichen: IV C 6 - S 2180/09/10001

 

Nach § 6 Absatz 2 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums vom 22. Dezember 2009 (BGBl. 2009 I S. 3950, BStBl 2010 I S. 2) können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von abnutzbaren, beweglichen und einer selbständigen Nutzung fähigen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in voller Höhe als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn die um einen enthaltenen Vorsteuerbetrag verminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das einzelne Wirtschaftsgut 410 Euro nicht übersteigen. Für gleichartige Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 150 Euro, aber nicht 1 000 Euro übersteigen, kann im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung ein Sammelposten gebildet werden (§ 6 Absatz 2a EStG). Die Regelungen gemäß § 6 Absatz 2 und 2a EStG gelten auch bei Einlagen und im Falle der Betriebseröffnung (§ 6 Absatz 1 Nummer 5 bis 6 EStG).

Nach dem Ergebnis einer Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten für die Anwendung von § 6 Absatz 2 und 2a EStG in Ergänzung zu Richtlinie R 6.13 EStR 2008 die folgenden Regelungen. Soweit nichts anderes angegeben, sind bei Verwendung der Begriffe

  • Aufwendungen
    die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um einen darin enthaltenen Vor- steuerbetrag (§ 9b Absatz 1 EStG), oder der nach § 6 Absatz 1 Nummer 5 bis 6 EStG an deren Stelle tretende Wert für das einzelne abnutzbare, bewegliche und einer selbständi- gen Nutzung fähige Wirtschaftsgut des Anlagevermögens und
  • Wirtschaftsjahr
    das Wirtschaftsjahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage eines Wirtschaftsgutes oder der Eröffnung eines Betriebes
gemeint.

 

I. Bilanzsteuerrechtliche Wahlrechte für Aufwendungen bis 1.000 Euro

1. Grundsatz

Die Aufwendungen sind grundsätzlich durch Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach Maßgabe der §§ 7 ff. EStG (insbesondere § 7 Absatz 1 oder Absatz 2 EStG) unter Berücksichtigung der jeweiligen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes gewinnmindernd als Betriebsausgaben abzuziehen.

 

2. Aufwendungen bis 150 Euro

Abweichend von Randnummer 1 können Aufwendungen bis 150 Euro im maßgebenden Wirtschaftsjahr in voller Höhe gemäß § 6 Absatz 2 EStG als Betriebsausgaben abgezogen werden. Das Wahlrecht kann für jedes Wirtschaftsgut individuell in Anspruch genommen werden (wirtschaftsgutbezogenes Wahlrecht).

Bei Anwendung des § 6 Absatz 2 EStG bestehen mit Ausnahme der buchmäßigen Erfassung des Zugangs des Wirtschaftsgutes keine weiteren Aufzeichnungspflichten; aus steuerlichen Gründen ist eine Aufnahme in ein Inventar im Sinne des § 240 HGB nicht erforderlich.

 

3. Aufwendungen von mehr als 150 Euro und nicht mehr als 410 Euro

a) Erstes Wahlrecht

Abweichend von Randnummer 1 können Aufwendungen von mehr als 150 Euro und nicht mehr als 410 Euro im maßgebenden Wirtschaftsjahr in voller Höhe gemäß § 6 Absatz 2 EStG als Betriebsausgaben abgezogen werden.

Nach § 6 Absatz 2 Satz 4 und 5 EStG ist das Wirtschaftsgut unter Angabe des Tages der Anschaffung, Herstellung oder Einlage sowie der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder des Einlagewertes in ein besonderes, laufend zu führendes Verzeichnis aufzunehmen. Das Verzeichnis braucht nicht geführt zu werden, wenn diese Angaben aus der Buchführung ersichtlich sind.

 

b) Zweites Wahlrecht

Die Aufwendungen können im maßgebenden Wirtschaftsjahr gemäß § 6 Absatz 2a EStG in einem Sammelposten erfasst werden (zu den Einzelheiten vgl. Randnummern 8 bis 25). Dieses Wahlrecht kann nach § 6 Absatz 2a Satz 5 EStG nur einheitlich für alle Wirtschaftsgüter des Wirtschaftsjahres mit Aufwendungen von mehr als 150 Euro und nicht mehr als 1 000 Euro (Randnummern 4 bis 7) in Anspruch genommen werden (wirtschaftsjahrbezogenes Wahlrecht).

 

4. Aufwendungen von mehr als 410 Euro und nicht mehr als 1.000 Euro

Abweichend von Randnummer 1 können Aufwendungen von mehr als 410 Euro und nicht mehr als 1 000 Euro im maßgebenden Wirtschaftsjahr gemäß § 6 Absatz 2a EStG in einem Sammelposten (Randnummern 8 bis 25) erfasst werden. Dieses Wahlrecht kann nur einheitlich für alle Wirtschaftsgüter des Wirtschaftsjahres mit Aufwendungen von mehr als 150 Euro und nicht mehr als 1 000 Euro in Anspruch genommen werden (wirtschaftsjahrbezogenes Wahlrecht, Randnummer 6 Satz 2).

 

II. Sammelposten nach § 6 Absatz 2a EStG

1. Bildung des Sammelpostens

Der Sammelposten ist kein Wirtschaftsgut, sondern eine Rechengröße (R 6.13 Absatz 6 Satz 1 EStR).

Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Absatz 2a EStG können alternativ zur Sofortabschreibung nach § 6 Absatz 2 EStG oder zur ratierlichen Absetzung für Abnutzung im maßgebenden Wirtschaftsjahr in einem jahrgangsbezogenen Sammelposten je Bilanz (Gesamthandsbilanz, Sonderbilanz, Ergänzungsbilanz) erfasst werden (vgl. R 6.13 Absatz 5 Satz 1 EStR). Dies gilt sinngemäß auch bei einer Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung. Ein Schrott- oder Schlachtwert für im Sammelposten erfasste Wirtschaftsgüter bleibt außer Ansatz, da bei diesen Wirtschaftsgütern nach vollständiger gewinnmindernder Auflösung des Sammelpostens nicht mehr von einem beträchtlichen Restwert ausgegangen werden kann (BFH-Urteil vom 22. Juli 1971, BStBl II S. 800). Abgesehen von der buchmäßigen Erfassung des Zugangs der Wirtschaftsgüter in den Sammelposten bestehen keine weiteren Aufzeichnungspflichten. Die Wirtschaftsgüter des Sammelpostens müssen aus steuerlichen Gründen nicht in ein Inventar im Sinne des § 240 HGB aufgenommen werden.

Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern im Sinne des § 6 Absatz 2a EStG erhöhen den Sammelposten des Wirtschaftsjahres, in dem die Aufwendungen entstehen (R 6.13 Absatz 5 Satz 2 EStR). Beabsichtigt der Steuerpflichtige, in diesem Wirtschaftsjahr § 6 Absatz 2a EStG nicht anzuwenden (vgl. Randnummern 6 und 7), beschränkt sich der Sammelposten auf die nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in Satz 1 genannten Wirtschaftsgüter. Fallen die nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten bereits im Wirtschaftsjahr der Investition an und übersteigt die Summe der Gesamtkosten in diesem Wirtschaftsjahr die Betragsgrenze von 1 000 Euro, kann § 6 Absatz 2a EStG nicht angewendet werden; das Wirtschaftsgut ist nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 EStG einzeln zu bewerten. Scheidet ein Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage aus dem Betriebsvermögen aus, liegen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Wirtschaftsgutes im Sammelposten zum Schluss dieses Wirtschaftsjahres nicht vor.

Anschaffungs- oder Herstellungskosten von nicht selbständig nutzbaren Wirtschaftsgütern sind, sofern sie keine nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten darstellen, nicht im Sammelposten zu erfassen.

Beispiel

Einzelunternehmer A schafft am Ende des Wirtschaftsjahres 01 für sein Anlagevermögen einen PC an. Die Anschaffungskosten betragen 500 Euro. Im Wirtschaftsjahr 02 erfolgt die Anschaffung eines Druckers - welcher neben dem Drucken keine weiteren Funktionen ausführen kann - sowie einer PC-Maus, die bisher nicht im Lieferumfang des PC enthalten war. Die Anschaffungskosten für den Drucker betragen 180 Euro und für die PC-Maus 25 Euro. A wendet in 01 und 02 die Regelungen zum Sammelposten gemäß § 6 Absatz 2a EStG an.

Lösung

Der PC ist als selbständig nutzungsfähiges Wirtschaftsgut des Anlagevermögens im Sammelposten des Wirtschaftsjahres 01 zu erfassen. Eine Abschreibung über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer kommt nicht in Betracht, da A sich für die Anwendung der Regelungen zum Sammelposten entschieden hat (einheitliche Wahlrechtsausübung). Dagegen ist der Drucker ein nicht selbständig nutzungsfähiges Wirtschaftsgut (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 2004, BStBl II S. 958). Die Aufwendungen stellen aber keine nachträglichen Anschaffungskosten des PC dar. Der Drucker ist einzeln nach den Vorschriften des § 6 Absatz 1 Nummer 1 EStG zu bewerten und die Anschaffungskosten sind über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzuschreiben. Demgegenüber bildet die ebenfalls nicht selbständig nutzungsfähige PC-Maus eine Nutzungseinheit mit dem PC. Daher sind die Aufwendung für die PC-Maus nachträgliche Anschaffungskosten des PC und im Sammelposten des Wirtschaftsjahres 02 zu erfassen (vgl. R 6.13 Absatz 5 Satz 2 EStR).

Die Regelungen zum Sammelposten gelten sowohl für notwendiges als auch für gewillkürtes Betriebsvermögen.

Der Ansatz von Festwerten (§ 240 Absatz 3 HGB) ist für im Sammelposten erfasste Wirtschaftsgüter nicht zulässig. Der Festwert für Wirtschaftsgüter, die zulässigerweise mit einem gleich bleibenden Wert angesetzt wurden, ist planmäßig gemäß R 5.4 Absatz 3 EStR anzupassen.

 

2. Auflösung des Sammelpostens

Scheidet ein im Sammelposten erfasstes Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen durch Entnahme, Veräußerung, Verschrottung oder sonstiges Abhandenkommen aus, hat dieser Vorgang keine Auswirkung auf den Sammelposten. Auch der Abgang sämtlicher im Sammelposten erfasster Wirtschaftsgüter führt nicht zu einer Auflösung des Sammelpostens. Bei im Sammelposten erfassten Wirtschaftsgütern sind Sonderabschreibungen sowie Teilwertabschreibungen nicht zulässig.

Sammelposten sind jahrgangsbezogen mit jeweils einem Fünftel gewinnmindernd zum Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres aufzulösen. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der einzelnen Wirtschaftsgüter ist für die Auflösung des Sammelpostens auch dann unbeachtlich, wenn diese weniger als fünf Jahre beträgt. Die jahrgangsbezogene Auflösung zum Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres mit jeweils einem Fünftel gilt auch bei Rumpfwirtschaftsjahren, beispielsweise bei Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe vor Ablauf des regulären Wirtschaftsjahres. Die gewinnmindernde Auflösung zum Ende des (Rumpf-)Wirtschaftsjahres mit einem Fünftel ist beim laufenden Gewinn dieses (Rumpf-)Wirtschaftsjahres zu erfassen. Der verbleibende Restbuchwert ist bei der Ermittlung des Gewinns nach § 16 Absatz 2 EStG zu berücksichtigen.

Die Grundsätze der Randnummer 15 gelten für die Feststellung des Unterschiedsbetrages nach § 5a Absatz 4 EStG entsprechend. Der Unterschiedsbetrag ist für den einzelnen Sammelposten insgesamt durch die Gegenüberstellung des Buchwerts des Sammelpostens und der Teilwerte der im Betriebsvermögen noch vorhandenen Wirtschaftsgüter des jeweiligen Sammelpostens festzustellen. Scheidet ein in einem Sammelposten erfasstes Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen aus oder dient es nicht mehr dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr, führt dies nicht zur Hinzurechnung nach § 5a Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 EStG.

In den Fällen der Realteilung (§ 16 Absatz 3 Satz 2 bis 4 EStG) sind die Sammelposten des Gesamthandsvermögens entsprechend der Beteiligung am Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft bei den einzelnen Mitunternehmern fortzuführen. Sammelposten des Sonderbetriebsvermögens sind unmittelbar bei den einzelnen Mitunternehmern planmäßig aufzulösen.

Werden im Sammelposten erfasste Wirtschaftsgüter außerbetrieblich genutzt, ist für die Ermittlung der als Entnahme zu behandelnden Selbstkosten der Wertverzehr im Schätzungsweg zu berücksichtigen.

 

3. Sammelposten in Fällen der Übertragung im Sinne des § 6 Absatz 3 EStG, Überführung oder Übertragung im Sinne des § 6 Absatz 5 EStG und Einbringung im Sinne der §§ 20, 24 UmwStG

a) Übertragung oder Einbringung eines gesamten Betriebes

In den Fällen der Übertragung oder Einbringung eines gesamten Betriebes zum Buchwert gehen die im Sammelposten erfassten Wirtschaftsgüter zusammen mit dem Betrieb auf den neuen Rechtsträger über. Der übernehmende Rechtsträger führt den Sammelposten unverändert fort.

Bei einer Einbringung zu einem über dem Buchwert liegenden Wert liegt für den übernehmenden Rechtsträger ein Anschaffungsvorgang vor, der unter den Voraussetzungen des § 6 Absatz 2a EStG zur Bildung eines neuen Sammelpostens führen kann.

Behält der übertragende, überführende oder einbringende Rechtsträger Betriebsvermögen zurück (z. B. Einbringung des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft in eine andere Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft, wenn die einbringende Personengesellschaft fortbesteht), ist der Sammelposten im verbleibenden Betriebsvermögen auszuweisen.

 

b) Übertragung oder Einbringung eines Teilbetriebes

Die Übertragung oder Einbringung eines Teilbetriebes hat ungeachtet des Verbleibs der im Sammelposten zu erfassenden erfassten Wirtschaftsgüter keine Auswirkung auf den Sammelposten des übertragenden oder einbringenden Rechtsträgers (R 6.13 Absatz 6 EStR); Entsprechendes gilt für nach § 6 Absatz 5 EStG überführte oder übertragene und im Sammelposten erfasste Wirtschaftsgüter.

Wird ein Teilbetrieb zum Buchwert übertragen oder eingebracht, erfolgt beim übernehmenden Rechtsträger mangels eines eigenen Buchwertes für im Sammelposten erfasste Wirtschaftsgüter weder ein Ausweis dieser Wirtschaftsgüter noch der Ausweis eines Sammelpostens. Dies gilt auch für eine Übertragung oder Überführung von Wirtschaftsgütern zum Buchwert nach entsprechender Anwendung des § 6 Absatz 5 EStG.

 

4. Übertragung und Veräußerung eines Mitunternehmeranteils

Bei der unentgeltlichen Übertragung des gesamten oder eines Teils eines Mitunternehmeranteils bleibt der im Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft gebildete Sammelposten unverändert bestehen. Ein im Sonderbetriebsvermögen des übertragenen Mitunternehmeranteils enthaltener Sammelposten geht auf den Rechtsnachfolger über, wenn der gesamte Mitunternehmeranteil übertragen wird. Wird hingegen nur ein Teil eines Mitunternehmeranteils übertragen, wird der Sammelposten im Sonderbetriebsvermögen des Übertragenden unverändert fortgeführt, es sei denn, mit der Übertragung des Teils eines Mitunternehmeranteils wird das gesamte Sonderbetriebsvermögen unentgeltlich übertragen. Beim rückwirkenden Ansatz des Teilwerts nach § 6 Absatz 3 Satz 2 EStG bleibt der Sammelposten aus Vereinfachungsgründen in unveränderter Höhe bestehen.

Die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils hat keine Auswirkungen auf den Sammelposten der Gesamthandsbilanz der Mitunternehmerschaft. Für die Sammelposten der Sonderbilanz des veräußerten Mitunternehmeranteils ist Randnummer 15 zu beachten. In der Ergänzungsbilanz des Erwerbers ist aus Vereinfachungsgründen immer nur ein Posten für im Sammelposten enthaltene Mehr- oder Minderwerte zu bilden, unabhängig davon, ob der Mehr- oder Minderwert auf Wirtschaftsgüter entfällt, die in einem oder in verschiedenen Sammelposten erfasst wurden. Der Sammelposten in der Ergänzungsbilanz ist im Wirtschaftsjahr des Erwerbs und in den folgenden vier Wirtschaftsjahren mit jeweils einem Fünftel aufzulösen.

Beispiel
Die ABCD-oHG hat in der Gesamthandsbilanz zum 31.12.02 für Anschaffungen des Jahres 01 (200 Wirtschaftsgüter zu je 500 Euro; Anschaffungskosten somit 100 000 Euro) einen Sammelposten 01 in Höhe von 60 000 Euro (Anschaffungskosten 100 000 Euro abzgl. je ein Fünftel = 20 000 Euro für 01 und 02) und für Anschaffungen des Jahres 02 (100 Wirtschaftsgüter zu je 250 Euro; Anschaffungskosten somit 25 000 Euro) einen Sammelposten 02 in Höhe von 20 000 Euro (Anschaffungskosten 25 000 Euro abzgl. ein Fünftel = 5 000 Euro für 02) gebildet.

Mitunternehmer A hat in seiner Sonderbilanz zum 31.12.02 für Anschaffungen des Jahres 01 (AK 20 000 Euro) einen Sammelposten 01 in Höhe von 12 000 Euro (Anschaffungskosten 20 000 Euro abzgl. je ein Fünftel = 4 000 Euro für 01 und 02) und für Anschaffungen des Jahres 02 (Anschaffungskosten 5 000 Euro) einen Sammelposten 02 in Höhe von 4 000 Euro (Anschaffungskosten 5 000 Euro abzgl. ein Fünftel = 1 000 Euro für 02) gebildet.

ABCD-oHG 31.12.02
Sammelposten 01 60.000 Kapital A 20.000
Sammelposten 02 20.000 Kapital B 20.000
    Kapital C 20.000
    Kapital D 20.000

Sonderbilanz A 31.12.02
Sammelposten 01 12.000 Kapital 16.000
Sammelposten 02 4.000    

Zum 01.01.03 veräußert A seinen Mitunternehmeranteil für 50 000 Euro an E. Die Wirtschaftsgüter seines Sonderbetriebsvermögens entnimmt er in sein Privatvermögen (Teilwert = 17 000 Euro). Von den Anschaffungskosten des E entfallen 24 000 Euro auf die in den Sammelposten erfassten Wirtschaftsgüter, der Rest entfällt auf den Geschäfts- oder Firmenwert.

Behandlung A
Veräußerungserlös 50.000 Euro
Entnahmewert 17.000 Euro
Kapitalkonto Gesamthandsvermögen - 20.000 Euro
Kapitalkonto Sonderbetriebsvermögen - 16.000 Euro
Veräußerungsgewinn 31.000 Euro


Behandlung oHG und E:
In der Gesamthandsbilanz der BCDE-oHG erfolgt keine Änderung auf Grund der Veräußerung des Mitunternehmeranteils bei den Sammelposten 01 und 02. Die Sammelposten in der Gesamthandsbilanz werden in den Folgejahren wie bisher jeweils um ein Fünftel (für 01 je 20 000 Euro und für 02 je 5 000 Euro) gewinnmindernd aufgelöst. Den Mehrwert für die im Sammelposten der Gesamthandsbilanz erfassten Wirtschaftsgüter (24 000 Euro abzgl. 20 000 Euro = 4 000 Euro) hat E in einem Sammelposten neben dem Geschäfts- oder Firmenwert (26 000 Euro) in seiner Ergänzungsbilanz zu erfassen. E muss im Jahr 03 in seiner Ergänzungsbilanz den Mehrwert für die im Sammelposten erfassten Wirtschaftsgüter entsprechend § 6 Absatz 2a Satz 2 EStG um ein Fünftel (= 800 Euro) gewinnmindernd auflösen.

 

5. Zeitliche Anwendung

a) Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. Dezember 2009 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden

Bei Wirtschaftsgütern, die nach dem 31. Dezember 2009 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt werden, sind die Randnummern 1 bis 25 anzuwenden (§ 52 Absatz 16 Satz 14 EStG).

 

b) Wirtschaftsgüter, die nach dem 31. Dezember 2007 und vor dem 1. Januar 2010 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden

Abweichend von den Randnummern 1 bis 7 ist bei Wirtschaftsgütern, die nach dem 31. Dezember 2007 und vor dem 1. Januar 2010 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden, § 6 Absatz 2 und 2a i. V. m. § 52 Absatz 16 Satz 18 EStG i. d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912, BStBl I S. 630) anzuwenden. Danach sind Aufwendungen bis 150 Euro zwingend in voller Höhe als Betriebsausgaben abzusetzen. Für Aufwendungen von mehr als 150 Euro und nicht mehr als 1 000 Euro ist zwingend ein Sammelposten im Sinne der Randnummern 8 bis 13 zu bilden, der nach Maßgabe der Randnummern 14 bis 18 aufzulösen ist. Abgesehen von der buchmäßigen Erfassung des Zugangs der Wirtschaftsgüter mit Aufwendungen bis 1 000 Euro bestehen keine weiteren steuerlichen Aufzeichnungspflichten.

 

c) Vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftjahr (§ 4a EStG)

Weicht das Wirtschaftjahr vom Kalenderjahr ab (§ 4a Absatz 1 Nummer 1 und 2 EStG), sind in dem vor dem 1. Januar 2010 beginnenden Wirtschaftsjahr (Übergangsjahr) sowohl Randnummer 26 als auch Randnummer 27 zu beachten. Wird im Übergangsjahr hinsichtlich der nach dem 31. Dezember 2009 angeschafften, hergestellten oder eingelegten Wirtschaftsgüter das Wahlrecht nach den Randnummern 6 und 7 in Anspruch genommen, ist insoweit kein eigener Sammelposten zu bilden; diese Wirtschaftsgüter sind vielmehr in dem für die vor dem 1. Januar 2010 angeschafften, hergestellten oder eingelegten Wirtschaftsgüter mit Aufwendungen von mehr als 150 Euro und nicht mehr als 1 000 Euro zwingend gebildeten Sammelposten zu erfassen.

In vor dem 1. Januar 2008 beginnenden abweichenden Wirtschaftsjahren ist für die vor dem 1. Januar 2008 angeschafften, hergestellten oder eingelegten Wirtschaftsgüter ausschließlich § 6 Absatz 2 EStG in der Fassung vor der zeitlichen Anwendung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912, BStBl I S. 630) maßgebend; Randnummer 27 ist insoweit nicht anzuwenden.


Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Zum Artikel

Veröffentlicht: 6. Oktober 2010
Aktenzeichen: II R 42/09

Ein Grundstückswert für ein unbebautes Grundstück kann für Bewertungsstichtage vor dem 1. Januar 2007 nicht festgestellt werden, wenn der Gutachterausschuss für das Grundstück keinen Bodenrichtwert ermittelt hatte.

Urteil vom 25. August 2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 6. Oktober 2010
Aktenzeichen: VIII R 42/07

Eine Hinzurechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen aufgrund von Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG ist auch dann vorzunehmen, wenn im Veranlagungszeitraum keine Überentnahme vorliegt, sich aber ein Saldo aufgrund von Überentnahmen aus den Vorjahren ergibt.

Urteil vom 17. August 2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 06.10.2010
Aktenzeichen: X R 37/08

Leitsätze

  1. Dänische Renteneinkünfte aus der DSS und der ATP sind im Rahmen des Progressionsvorbehalts mit dem Besteuerungsanteil zu berücksichtigen.

  2. Bei der Anwendung des deutschen Steuerrechts ist stets eine rechtsvergleichende Qualifizierung der ausländischen Einkünfte nach deutschem Recht vorzunehmen. Vergleichbarkeit von Altersrenten ist dann anzunehmen, wenn die ausländische Leistung in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Leistung entspricht .

  3. Das Charakteristikum der Renten i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist, dass sie der sog. Basisversorgung dienen. Zu den wesentlichen Merkmalen der Basisversorgung gehört, dass die Renten erst bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze bzw. bei Erwerbsunfähigkeit gezahlt werden und als Entgeltersatzleistung der Lebensunterhaltssicherung dienen .

Urteil vom 14.07.2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 29. September 2010
Aktenzeichen: IX R 49/09

Bei der Vermietung von Gewerbeobjekten ist die Einkünfteerzielungsabsicht stets konkret festzustellen.

Urteil vom 20. Juli 2010

Zum Artikel

Im diesem Verfahren des 1. Senates war wiederum die Höhe eines Veräußerungsgewinns aus § 17 EStG streitig. In dem Sachverhalt, der dieser Entscheidung zugrunde lag, übertrug der Vater dem Kläger GmbH-Anteile, behielt sich aber an den übertragenen Gesellschaftsanteilen das lebenslängliche unentgeltliche Nießbrauchsrecht vor. Später wurden die Anteile veräußert. Der Vater verzichtete in diesem Zusammenhang auf sein Nießbrauchsrecht und erhielt dafür einen Ablösebetrag in Millionenhöhe. Der Kläger berücksichtigte den Ablösebetrag bei der Berechnung seines Veräußerungsgewinns. Das beklagte Finanzamt vertrat die Auffassung, bei der Eigentumsübertragung unter Nießbrauchvorbehalt und der späteren Ablösung des Nießbrauchs gegen Abfindungszahlung handele es sich um zwei getrennte, selbständig zu beurteilende Vorgänge. Mit der unentgeltlichen Übertragung sei für den Erwerber der Erwerbsvorgang abgeschlossen und könne keine nachträglichen Anschaffungskosten mehr zu Folge haben.

Der 1. Senat folgte dieser Auffassung nicht und gab der Klage weit überwiegend statt. Der BFH habe bereits mehrfach entschieden, dass zu den Anschaffungskosten einer Beteiligung auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung gehören, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten seien. Der Begriff der nachträglichen Anschaffungskosten in § 17 EStG müsse weit ausgelegt werden, damit das die Einkommensbesteuerung beherrschende Nettoprinzip im Anwendungsbereich dieser Norm ausreichend wirksam werden könne. Als nachträgliche Anschaffungskosten i.S. von § 17 EStG kämen deshalb nicht nur Aufwendungen in Betracht, die auf der Ebene der Gesellschaft als Nachschüsse oder verdeckte Einlagen zu werte n seien, sondern auch sonstige, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Aufwendungen des Gesellschafters. Ohne die Ablösung des Nießbrauchsrechts hätte der Kläger die nießbrauchsbelasteten Anteile gar nicht bzw. nur zu einem entsprechend niedrigeren Veräußerungspreis veräußern können.

Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen.

Zum Artikel

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der steuerliche Abzug von Verlusten aus der Beteiligung an einer GmbH dann nicht auf die Hälfte des Verlustes begrenzt, wenn der Beteiligte keinerlei Einnahmen aus der Beteiligung erzielt hat. Das Finanzgericht Düsseldorf hat in Anwendung dieser Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine Begrenzung des Verlustabzugs dann angenommen, wenn der Beteiligte für seine Beteiligung einen symbolischen Kaufpreis von 1 EUR erhalten hat.

Zum Artikel

Veröffentlicht: 17. März 2010
Aktenzeichen: III R 101/06

Die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für die Veräußerung von Immobilien sind für die Zuordnung zum gewerblichen Grundstückshandel oder zur Vermögensverwaltung unerheblich; dies gilt auch für wirtschaftliche Zwänge wie z.B. Druck der finanzierenden Bank und Androhung von Zwangsmaßnahmen.

Die --durch die Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb von etwa fünf Jahren indizierte-- (zumindest) bedingte Veräußerungsabsicht beim Erwerb kann nur durch objektive Umstände widerlegt werden, nicht aber durch Erklärungen des Steuerpflichtigen über seine Absichten. In Betracht kommen vornehmlich Gestaltungen des Steuerpflichtigen in zeitlicher Nähe zum Erwerb, die eine spätere Veräußerung wesentlich erschweren oder unwirtschaftlicher machen.

EStG § 15 Abs. 2

Urteil vom 17. Dezember 2009

Vorinstanz: FG Köln vom 26. Oktober 2006 6 K 394/04 (EFG 2007, 185)

Zum Artikel

  1. Zeigt sich aufgrund bislang vergeblicher Vermietungsbemühungen, dass für das Objekt, so wie es baulich gestaltet ist, kein Markt besteht und die Immobilie deshalb nicht vermietbar ist, so muss der Steuerpflichtige --will er seine fortbestehende Vermietungsabsicht belegen-- zielgerichtet darauf hinwirken, unter Umständen auch durch bauliche Umgestaltungen einen vermietbaren Zustand des Objekts zu erreichen.
  2. Bleibt er untätig und nimmt den Leerstand auch künftig hin, spricht dieses Verhalten gegen den endgültigen Entschluss zu vermieten oder --sollte er bei seinen bisherigen, vergeblichen Vermietungsbemühungen mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt haben-- für deren Aufgabe.

EStG § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

Urteil vom 25. Juni 2009

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 23. Juli 2008 2 K 2541/05

Zum Artikel

  1. Eine Ertragsminderung, die das nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG erforderliche Ausmaß erreicht, führt auch dann zu einem Grundsteuererlass, wenn sie strukturell bedingt und nicht nur vorübergehender Natur ist.
  2. Bei bebauten Grundstücken i.S. des § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG ist für die Berechnung der Ertragsminderung zunächst danach zu unterscheiden, ob die von der Ertragsminderung betroffenen Räume/Raumeinheiten zu Beginn des Erlasszeitraums leer standen oder --wenn auch verbilligt-- vermietet waren.
  3. Bei zu diesem Zeitpunkt leer stehenden Räumen bildet die übliche Miete die Bezugsgröße, an der die Ertragsminderung zu messen ist. Bei den vermieteten Räumen bildet die vereinbarte Miete diese Bezugsgröße, solange die Miete nicht um mehr als 20 v.H. von der üblichen Miete abweicht.
  4. Ist die Ertragsminderung durch einen Leerstand bedingt, hat sie der Steuerpflichtige nicht zu vertreten, wenn er sich nachhaltig um eine Vermietung zu einem marktgerechten Mietzins bemüht hat.

GrStG § 33 Abs. 1
BewG § 79 Abs. 1 und 2

Urteil vom 24. Oktober 2007

Vorinstanz: FG Berlin vom 26. Februar 2003 2 K 2331/00

Zum Artikel

Leitsätze

Bei der steuerrechtlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen ist der zivilrechtlichen Unwirksamkeit des Vertragsabschlusses nur indizielle Bedeutung beizumessen (Anschluss an BFH-Urteil vom 13. Juli 1999 VIII R 29/97, BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386).

Urteil vom 07.06.2006

Zum Artikel

Leitsätze

  1. Die entgeltliche Überlassung von urheberrechtlich geschützten Computerprogrammen unterliegt nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Urheber oder Nutzungsberechtigte dem Leistungsempfänger die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte auf Vervielfältigung und Verbreitung nicht nur als Nebenfolge einräumt.

  2. Bei der Prüfung, ob die in § 69c UrhG bezeichneten Rechte nicht nur als Nebenfolge eingeräumt worden sind, ist von den vertraglichen Vereinbarungen und den tatsächlichen Leistungen auszugehen. Ergänzend ist auf objektive Beweisanzeichen (z.B. die Tätigkeit des Leistungsempfängers, die vorhandenen Vertriebsvorbereitungen und Vertriebswege, die wirkliche Durchführung der Vervielfältigung und Verbreitung sowie die Vereinbarungen über die Bemessung und Aufteilung des Entgelts) abzustellen.

  3. Der Weitervertrieb von Computerprogrammen an rechtlich selbständige Konzernunternehmen und an Kooperationspartner kann eine Verbreitung i.S. der § 17, § 69c Nr. 3 UrhG sein.

Urteil vom 25.11.2004

Zum Artikel

Der Formunwirksamkeit eines unter nahen Angehörigen abgeschlossenen Vertrages kommt eine Indizwirkung gegen dessen steuerrechtliche Anerkennung zu (Anschluss an BFH-Urteil vom 7. Juni 2006 IX R 4/04, BFH/NV 2006, 2162).

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1, § 12, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 1629 Abs. 1 Satz 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1

Urteil vom 22. Februar 2007

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 19. September 2006 4 K 177/02 (EFG 2006, 1824)

Zum Artikel

Veröffentlicht: 23. Juni 2010
Aktenzeichen: V R 9/09

Betriebsaufspaltung: Keine umsatzsteuerrechtliche Organschaft, wenn mehreren Gesellschaftern nur gemeinsam die Anteilsmehrheit an Besitz- und Betriebsgesellschaft zusteht - Bedeutung des Grundsatzes der Rechtssicherheit bei der Auslegung der Organschaftsvoraussetzungen.

Urteil vom 22. April 2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 21. Juli 2010
Aktenzeichen: IX R 36/09

Überträgt der Eigentümer bei der Veräußerung eines nicht parzellierten Grundstücks eine Teilfläche ohne Ansatz eines Kaufpreises und erhält er dafür gegenüber der erwerbenden Gemeinde einen Rückübertragungsanspruch auf ein entsprechendes, parzelliertes und beplantes Grundstück, so schafft er dieses im Wege des Tausches i.S. von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG an.

Urteil vom 13. April 2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 14. Juli 2010
Aktenzeichen: IX R 22/09

Veräußert ein i.S. des § 17 EStG qualifiziert beteiligter Gesellschafter Anteile an der Kapitalgesellschaft, die er zuvor aus seinem Betriebsvermögen in sein Privatvermögen überführt hat, so tritt der Teilwert oder der gemeine Wert dieser Anteile nur dann an die Stelle der (historischen) Anschaffungskosten, wenn durch die Entnahme die stillen Reserven tatsächlich aufgedeckt und bis zur Höhe des Teilwerts oder gemeinen Werts steuerrechtlich erfasst sind oder noch erfasst werden können.

Urteil vom 13. April 2010

Zum Artikel

Veröffentlicht: 14. Juli 2010
Aktenzeichen: IV R 54/07

Auch bei einem Antrag auf befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung, der für das Verschieben des Prüfungsbeginns ursächlich ist, entfällt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO nur, wenn die Finanzbehörde nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung beginnt (Heranziehung des in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 AO enthaltenen Rechtsgedankens).

Urteil vom 17. März 2010

Zum Artikel

↯ Hinweis – aktueller Artikel verfügbar

Die Inhalte dieses Fachartikels entsprechen nicht mehr der neuesten Rechtslage. Eine aktuelle Version dieses Artikels finden Sie hier:


Rückbauverpflichtungen

Bei den Rückbauverpflichtungen handelt es sich um Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten am Bilanzstichtag in Form einer Außenverpflichtung des Unternehmens, bei denen i.d.R. Ungewissheit über die Höhe der Verpflichtung und nicht über das Bestehen existiert.

Hierbei ist es nicht erforderlich, dass die Person bekannt ist, gegenüber der eine ungewisse Verbindlichkeit besteht. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob es sich um ein einklagbares Recht handelt. Die Verpflichtung kann aus einem öffentlichen Vertrag, einem Verwaltungsakt oder aus einem Gesetz erwachsen. Rückstellungen aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen können aus Rückbau oder Entsorgungsverpflichtungen, aber auch aus Rekultivierungsverpflichtungen entstehen. Unter den Begriff der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten fallen aber auch die gesetzlichen Verpflichtungen zur Erstellung und ggf. Prüfung eines Jahresabschlusses. Eine Rückstellung aufgrund öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen ist nur zulässig, sofern ein Gesetz oder eine Verfügung der zuständigen Behörde ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorschreibt und wenn an die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, so dass sich das Unternehmen der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann.

Eine ungewisse öffentlich-rechtliche Verpflichtung ist nach Auffassung des BFH nur dann rückstellbar, wenn lediglich Ungewissheit hinsichtlich ihrer Höhe, nicht jedoch hinsichtlich ihres Bestehens existiert. dieser Auffassung widerspricht jedoch dem Grundsatz der Vollständigkeit und dem Vorsichtsprinzip des HGB. Eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung liegt somit bereits dann vor, wenn der Kaufmann die Verpflichtung kennt oder bei angemessener Sorgfalt kennen musste.

Eine faktische Verpflichtung ist ebenfalls ein Grund für die Bildung von Rückstellungen. Ein faktischer Leistungszwang ist gegeben, wenn sich der ordentliche Kaufmann auch ohne Rechtspflicht einer Leistung nicht entziehen kann oder will.

Faktische Verpflichtungen können in folgenden Fällen vorliegen:

  • Verpflichtungen aus nichtigen Verträgen, die aber durchgeführt wurden,

  • Verflechtungen aus dem Bestehen einer fehlerhaften Gesellschaft,

  • Umweltschutzmaßnahmen, die noch nicht gesetzlich vorgeschrieben sind,

  • Eingehen auf Ansprüche, um geschäftsschädigende, öffentliche Prozesse zu vermeiden.

Die Ungewissheit kann sich auf

  • die Höhe der Verbindlichkeit,

  • das Bestehen der Verbindlichkeit

  • oder auf beides beziehen.

In diesen Fällen liegen ungewisse Verbindlichkeiten vor. Somit setzen Rückstellungen nicht voraus, dass eine Verbindlichkeit dem Grunde nach gewiss ist. Eine Verpflichtung ist damit auch dann gegeben, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass nach vernünftiger Beurteilung eine solche eintreten kann. Rückstellungen sind somit auch für Gewährleistungen zu bilden, bei denen ungewiss ist, ob eine rechtliche Verpflichtung besteht. Hierbei handelt es sich dann um Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten, die nach § 285 Nr. 12 HGB im Anhang zu erläutern sind. Es handelt sich damit nicht um Rückstellungen i.S.d. § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 HGB.

Eine Verbindlichkeit ist dem Grunde nach ungewiss, wenn beispielsweise eine Gewährleistungsverpflichtung innerhalb der Garantiezeit eintreten kann. Der Höhe nach sind beispielsweise Pensionsverpflichtungen oder Verpflichtungen aus noch fehlenden Eingangsrechnungen als ungewiss anzusehen.

Nach Auffassung des Steuerrechts sind die Voraussetzungen für den Ansatz einer Rückstellung erfüllt, wenn mehr Gründe für als gegen das Bestehen einer Verbindlichkeit und eine künftige Inanspruchnahme sprechen. Hier versucht die Rechtsprechung die subjektiven Erwartungen des Kaufmanns zu entkräften und damit als Grundlage für die Bildung von Rückstellungen ein objektives Moment einzuführen. Andererseits sind jedoch Verpflichtungen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt werden, nicht passivierungsfähig, BFH vom 22. November 1988, VIII R 62 / 85, BStBl. II 89, 359 (361); BFH vom 9. Februar 1993, VIII R 21 / 92, BStBl. II 93, 543.

Der BFH führt im Urteil vom 19. Oktober 1993, VIII R 14 / 92, BStBl. II 93, 891 (893) aus, dass eine Passivierung von Altlasten erst zulässig ist, wenn eine Inanspruchnahme des Schuldners wahrscheinlich ist. Dieses ist dann gegeben, wenn die den Anspruch begründenden Tatsachen entdeckt sind und dem Geschädigten bekannt seien oder das Bekanntwerden unmittelbar bevorsteht. Aus handelsrechtlicher Sicht verdrängt der BFH hierbei das Vorsichtsprinzip.

Handelsrechtlich ist eine Rückstellung bereits zu bilden, wenn stichhaltige Gründe dafür sprechen, dass das Unternehmen voraussichtlich in Anspruch genommen wird. Die Gründe für die Bildung von Rückstellungen sind jedoch objektiv nachvollziehbar zu dokumentieren.

Besteht die Ungewissheit nur bezogen auf die Höhe der Verbindlichkeit hinsichtlich der Höhe einer Verbindlichkeit, so ist der Teil der sicheren Verpflichtung als Verbindlichkeit auszuweisen.

Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F. sind Rückstellungen in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags anzusetzen. Rückstellungen sind somit mit dem Betrag auszuweisen, den der Schuldner der ungewissen Verbindlichkeit voraussichtlich aufbringen muss, unter Beachtung von zukünftigen voraussichtlichen Preis- und Kostenverhältnissen im Zeitpunkt der Verpflichtungserfüllung. Somit werden Entwicklungen, die sich nach dem Bilanzstichtag ereignen, bei der Bewertung von Rückstellungen zu berücksichtigen sein. Voraussetzung ist jedoch eine ausreichende objektive Beurteilung des möglichen Eintritts dieser Ereignisse. Um die zukünftigen Preis- und Kostensteigerungen zu prognostizieren, ist eine branchenspezifischer Trendfortschreibung vorzunehmen.

Da sich bei den Herstellungskosten die Behandlung von Gemeinkosten geändert hat, ist bei der Bemessung der Rückstellungen vom Vollkostenansatz auszugehen, da insbesondere eine Passivierung der insgesamt für die Erfüllung der Verpflichtung notwendigen Kosten zu erfolgen hat.

Unter Beachtung der Definition des Erfüllungsbetrags im Rahmen der internationalen Rechnungslegung sowie der nunmehr erfolgten handelsrechtlichen Anpassungsversuche an die IFRS sind konsequenterweise in die Berechnung des Erfüllungsbetrags zukünftige Ereignisse in Betracht zu ziehen, die den zur Erfüllung einer Verpflichtung erforderlichen Betrag beeinflussen können*.

Nach § 253 Abs. 2 HGB n.F. sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr grundsätzlich abzuzinsen. Es erfolgt so eine Annäherung an IFRS. Ziel dieser Regelung ist die Darstellung der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens.

Die Abzinsung erfolgt auf der Grundlage des durchschnittlichen Marktzinssatzes der vergangenen sieben Geschäftsjahre. Damit sollen bilanzpolitische Spielräume eingeschränkt werden. Die Bundesbank veröffentlicht monatlich im Internet den anzuwendenden Zinssatz, die Berechnung erfolgt mithilfe einer so genannten Zinsstrukturkurve.

Das Bundesministerium für Justiz hat den Entwurf der RückAbzinsV sowie die auf dessen Basis ermittelten, vorläufigen Abzinsungszinssätze zur Verfügung gestellt:

http:// www.bundesbank.de / statistik / statistik_zinsen.php#abzinsung

oder:

http:// www.bmj.bund.de / enid / 46b674bcbd92308b5f55b0d63f85f9a0,c1b2c85f7472636964092d0935323933 / Bilanzrecht / Rueckstellungsabzinsungsverordnung_1mk.html

Durch die Verpflichtung zur Abzinsung kommt es zu Erträgen und Aufwendungen, die im Finanzergebnis unter den entsprechenden Posten Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge bzw. Zinsen und ähnliche Aufwendungen zu erfassen sind. In der Folge bleibt das operative Ergebnis und der EBIT (Earnings Before Interest and Taxes) unberührt.

Rückstellungen mit einer (Rest-)Laufzeit von einem Jahr und weniger sind nicht abzuzinsen, so bei der noch zulässigen Aufwandsrückstellung.

Liegt eine Rückstellung in Form einer Fremdwährungsverpflichtung vor und weicht der Marktzins wesentlich vom vorgegebenen Zinssatz ab, so kann dieser selbst ermittelt oder von privaten Anbietern bezogen werden*.

Damit die Entwicklung des Bilanzpostens Rückstellungen für den Abschlussadressaten transparenter wird, ist es sinnvoll, einen Rückstellungsspiegel zu erstellen.* In dem Rückstellungsspiegel werden die Auswirkungen aus der Ab- und Aufzinsung gesondert darstellt.

Für die buchhalterische Erfassung der Zinsen bestehen zwei Möglichkeiten:

  • Einerseits können die sonstigen Rückstellungen zunächst mit dem vollen Erfüllungsbetrag im operativen Ergebnis erfasst werden. Eine Abzinsung erfolgt im zweiten Schritt und berührt damit das Finanzergebnis. Letztlich führt diese Methode zu einem niedrigeren operativen Ergebnis und in gleicher Höhe zu einem höheren Finanzergebnis.

  • Andererseits kann die Rückstellung abgezinst und somit zu ihrem Barwert erfasst werden. Im Ergebnis führt dies dazu, dass das operative Ergebnis höher ist als im ersten Fall. Die Regelung des § 277 Abs. 5 S. 1 HGB steht dem nicht entgegen.

Beispiel:

Erfüllungsbetrag: 1.500 Euro
Laufzeit: 3 Jahre
Zinssatz: 4 Prozent
Barwert: 1.500 Euro / 1,043 = 1.333,50 Euro

Methode 1

Periode 01

Aufwand

1.500 Euro

an sonstige Rückstellung

1.500 Euro

sonstige Rückstellung

166,50 Euro

an Zinserträge

166,50 Euro

Periode 02

Zinsaufwand

53,33 Euro (03: 55,47 Euro, 04: 57,70 Euro)

an Rückstellung

53,33 Euro (03: 55,47 Euro, 04: 57,70 Euro)


Methode 2

Periode 01

sonstiger betrieblicher Aufwand

1.333,50 Euro

an sonstige Rückstellung

1.333,50 Euro

Periode 02

Zinsaufwand

53,33 Euro (03: 55,47 Euro, 04: 57,70 Euro)

an Rückstellungen

53,33 Euro (03: 55,47 Euro, 04: 57,70 Euro)



Zum Artikel

Veröffentlicht: 23. Juni 2010
Aktenzeichen: V R 9/09

Verfügen mehrere Gesellschafter nur gemeinsam über die Anteilsmehrheit an einer GmbH und einer Personengesellschaft, ist die GmbH nicht finanziell in die Personengesellschaft eingegliedert (Änderung der Rechtsprechung).

Urteil vom 22. April 2010

Zum Artikel

↯ Hinweis – aktueller Artikel verfügbar

Die Inhalte dieses Fachartikels entsprechen nicht mehr der neuesten Rechtslage. Eine aktuelle Version dieses Artikels finden Sie hier:


Als Aufwandsrückstellungen werden Rückstellungen bezeichnet, bei denen eine Innenverpflichtung gegeben ist.

Eine Verpflichtung gegenüber einem Dritten besteht nicht. Die Passivierung von Innenverpflichtungen ist nach § 249 HGB n.F. eingeschränkt worden. Aufwandsrückstellungen umfassen nunmehr nur die Rückstellungen für unterlassene Instandhaltungen und die Rückstellungen für Abraumbeseitigungen, jeweils unter besonderen Voraussetzungen. Das Wahlrecht zur Bildung einer Aufwandrückstellung für unterlassene Instandhaltungen, die nach Ablauf des ersten Quartals, aber vor Ablauf des letzten Quartals im neuen Geschäftsjahr nachgeholt werden, wird ersatzlos gestrichen, § 249 Abs. 1 S. 3 HGB a.F.

Nach § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HGB n.F. ist eine Aufwandsrückstellung für im Geschäftsjahr unterlassene Abraumbeseitigung zu bilden, wenn diese im folgenden Geschäftsjahr nachgeholt wird. Die Abraumbeseitigung kann aber auch auf einer privatrechtlichen, öffentlich-rechtlichen oder faktischen Verpflichtung beruhen. In diesen Fällen handelt es sich nicht um eine Aufwandsrückstellung, sondern vielmehr um eine ungewisse Verbindlichkeit. Damit wird der Zeitraum bis zur Nachholung bedeutungslos.

Daneben ist nach § 249 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HGB eine Aufwandsrückstellung für unterlassene Instandhaltungen zu bilden, die innerhalb von drei Monaten im neuen Geschäftsjahr nachgeholt werden. Unter Instandhaltung ist eine regelmäßige Instandsetzung, Wartung und Inspektion des Anlagevermögens zu verstehen. Dazu gehören beispielsweise die Verschleißbeseitigung, die Verschleißhemmung oder die Inspektion. Instandhaltung kann aber auch bei der Pflege von Anwendersoftware auftreten, damit erstreckt sich diese Rückstellung auch auf immaterielle Vermögensgegenstände. Vor einer außerplanmäßigen Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert i.S.d. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB ist eine Instandhaltungsrückstellung zu bilden.

Zum Artikel

Veröffentlicht: 3. Dezember 2003
Aktenzeichen: IV R 13/03

  1. Die Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) steht der Bildung gewillkürten Betriebsvermögens nicht entgegen (Änderung der Rechtsprechung; zuletzt: BFH-Urteil vom 7. Oktober 1982 IV R 32/80, BFHE 137, 19, BStBl II 1983, 101).
  2. Die Zuordnung eines gemischt genutzten Wirtschaftsguts zum gewillkürten Betriebsvermögen scheidet aus, wenn das Wirtschaftsgut nur in geringfügigem Umfang betrieblich genutzt wird und daher zum notwendigen Privatvermögen gehört. Als geringfügig ist ein betrieblicher Anteil von weniger als 10 v.H. der gesamten Nutzung anzusehen.
  3. Bei der Einnahmenüberschussrechnung ist die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum gewillkürten Betriebsvermögen in unmissverständlicher Weise durch entsprechende, zeitnah erstellte Aufzeichnungen auszuweisen.

EStG § 4 Abs. 1 und 3, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2

Urteil vom 2. Oktober 2003 IV R 13/03

Vorinstanz: FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Dezember 2002 2 K 194/01 (EFG 2003, 918)

Zum Artikel

Leitsätze

  1. Die Bildung einer Rückstellung wegen Verletzung fremder Patente nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG setzt nicht voraus, dass der Patentinhaber von der Rechtsverletzung Kenntnis erlangt hat.

  2. Wird ein und dasselbe Schutzrecht in mehreren Jahren verletzt, bestimmt sich der Ablauf der dreijährigen Auflösungsfrist i.S. des § 5 Abs. 3 Satz 2 EStG nach der erstmaligen Rechtsverletzung.

Urteil vom 09.02.2006

Zum Artikel

Veröffentlicht: 16. Oktober 2008
Geschäftszeichen: IV B 8 - S 7100/07/10050


 

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken Folgendes:

Verzehrfertig zubereitete Speisen können sowohl im Rahmen einer ggfs. ermäßigt besteuerten Lieferung als auch im Rahmen einer nicht ermäßigt besteuerten sonstigen Leistung abgegeben werden. Nach der EuGH- und BFH-Rechtsprechung liegt eine sonstige Leistung vor, wenn aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers das Dienstleistungselement der Speisenabgabe qualitativ überwiegt. Bei der Beurteilung, ob das Dienstleistungselement der Abgabe von fertig zubereiteten Speisen qualitativ überwiegt, sind nur solche Dienstleistungen zu berücksichtigen, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Die Zubereitung der Speisen ist bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen, weil sie die notwendige Vorstufe der Vermarktung zubereiteter Speisen darstellt. Ein für die Annahme einer Lieferung schädliches qualitatives Überwiegen der Dienstleistungselemente ist dagegen stets anzunehmen, wenn sich der leistende Unternehmer nicht auf die Ausübung der Handels- und Verteilerfunktion des Lebensmittelhandels und -handwerks beschränkt (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1988, V R 30/83, BStBl 1989 II S. 210). Jedes einzelne über die Vermarktung hinausgehende Leistungselement führt insgesamt zur Annahme einer Dienstleistung.

Insbesondere die folgenden Elemente sind nicht notwendig mit der Vermarktung von Speisen verbunden und führen zur Annahme einer sonstigen Leistung:

  • Zur Verfügung stellen von Verzehreinrichtungen (z. B. Räumlichkeiten, (Steh-)Tische, Bänke oder Stühle). Dies gilt jedoch nicht, soweit diese Verzehreinrichtungen tatsächlich nicht genutzt, d. h. die Speisen lediglich „zum Mitnehmen“ abgegeben werden (vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 2006, V R 58, 59/04, BStBl 2007 II S. 487);
  • Servieren der Speisen oder Gestellung von Bedienungs- oder Kochpersonal oder Portionieren einschließlich Ausgeben der Speisen vor Ort;
  • Nutzungsüberlassung von Geschirr oder Besteck oder Reinigung bzw. Entsorgung der überlassenen Gegenstände (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 2006, V R 55/04, BStBl 2007 II S. 480).
Die genannten Elemente führen auch dann zur Annahme einer sonstigen Leistung, wenn sie von Dritten im Rahmen eines zwischen dem die Speise abgebenden Unternehmer und dem Dritten abgestimmten Gesamtkonzepts erbracht werden (z. B. im Rahmen von Bietergemeinschaften). Dabei gilt der Leistungsempfänger nicht als Dritter. Die Erbringung solcher Dienstleistungselemente durch den Leistungsempfänger ist unschädlich.

Die Abgabe von Speisen und Getränken bei Veranstaltungen und Aufführungen mit Sitzplätzen ist dann eine sonstige Leistung, wenn die Bestuhlung für den Verzehr von Speisen speziell ausgestattet ist, da mit dem Bereitstellen einer derartigen Bestuhlung Dienstleistungen gegenüber dem Besucher erbracht werden, die den bestimmungsgemäßen Verzehr an Ort und Stelle ermöglichen.

Folgende Elemente sind hingegen notwendig mit der Vermarktung von Speisen verbunden und im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen:
  • Übliche Nebenleistungen (z. B. Portionieren und Abgabe „über die Verkaufstheke“, Verpacken, Anliefern - auch in Einweggeschirr, Beigabe von Einwegbesteck);
  • Bereitstellung von Papierservietten (vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 2006, V R 58, 59/04, a.a.O.);
  • Abgabe von Senf, Ketchup, Mayonnaise oder Apfelmus;
  • Bereitstellung von Abfalleimern an Kiosken, Verkaufsständen, Würstchenbuden usw.;
  • Bereitstellung von Einrichtungen und Vorrichtungen, die in erster Linie dem Verkauf von Waren dienen (z. B. Verkaufstheken und -tresen sowie Ablagebretter an Kiosken, Ver- kaufsständen, Würstchenbuden usw.);
  • bloße Erstellung von Leistungsbeschreibungen (z. B. Speisekarten oder -pläne);
  • Erläuterung des Leistungsangebots.
Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für Imbissstände wie für Verpflegungsleistungen in Schulen und Kantinen, Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen, bei Leistungen von Catering-Unternehmen (Partyservice) und Mahlzeitendiensten („Essen auf Rädern“).

Beispiel 1:

Der Betreiber eines Imbissstandes gibt verzehrfertige Speisen an seine Kunden in Pappbehältern ab. Der Kunde erhält dazu eine Serviette, ein Einwegbesteck und auf Wunsch Ketchup, Mayonnaise oder Senf. Der Imbissstand verfügt nur über eine Verkaufstheke. Für die Rücknahme des Einweggeschirrs und Bestecks stehen Abfalleimer bereit. Die Kunden verzehren die Speisen im Stehen in der Nähe des Imbissstandes oder entfernen sich mit den Speisen gänzlich vom Imbissstand.

Es liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, da neben den Speisenlieferungen nur Dienstleistungselemente erbracht werden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Speisen zum Mitnehmen verpackt werden.

Beispiel 2:

Der Betreiber eines Imbissstandes gibt verzehrfertige Speisen an seine Kunden in Pappbehältern ab. Der Kunde erhält dazu eine Serviette, ein Einwegbesteck und auf Wunsch Ketchup, Mayonnaise oder Senf. Der Imbissstand verfügt über eine Theke, an der Speisen eingenommen werden können. Der Betreiber hat vor dem Stand drei Stehtische aufgestellt. 80 % der Speisen werden zum sofortigen Verzehr abgegeben. 20 % der Speisen werden zum Mitnehmen abgegeben.

Soweit die Speisen zum Mitnehmen abgegeben werden, liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, da der Unternehmer in diesen Fällen nur Dienstleistungselemente erbringt, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Speisen zum Mitnehmen verpackt werden.

Beispiel 3:

Der Catering-Unternehmer A verabreicht in einer Schule auf Grund eines mit dem Schulträger geschlossenen Vertrags verzehrfähig angeliefertes Mittagessen. A übernimmt mit eigenem Personal die Ausgabe des Essens, die Reinigung der Räume sowie der Tische, des Geschirrs und des Bestecks.

Es liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor, da neben den Speisenlieferungen noch Dienstleistungselemente (Portionierung und Ausgabe der Speisen vor Ort, Reinigung der Räume sowie der Tische, des Geschirrs und des Bestecks) hinzukommen und nicht nur Dienstleistungen erbracht werden, die notwendig

mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 2006, V R 38/05, BStBl 2007 II S. 482).

Beispiel 4:

Ein Schulverein bietet in der Schule für die Schüler ein Mittagessen an. Das verzehrfertige Essen wird von dem Catering-Unternehmer A in Großgebinden oder einzelportioniert in Warmhaltevorrichtungen angeliefert und anschließend durch die Mitglieder des Schulvereins im Rahmen der Selbstbedienung an die Schüler ausgegeben. Das Essen wird von den Schülern in einem Mehrzweckraum, der über Tische und Stühle verfügt, eingenommen. Der Schulverein übernimmt auch die Reinigung der Räume sowie der Tische, des Geschirrs und des Bestecks.

Der Catering-Unternehmer A erbringt begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, da neben den Speisenlieferungen nur Dienstleistungen erbracht werden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Das Transportieren in den Warmhaltevorrichtungen ist unschädlich.

Der Schulverein erbringt sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG, da neben den Speisenlieferungen noch Dienstleistungselemente hinzukommen und nicht nur Dienstleistungen erbracht werden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen können die Umsätze jedoch dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG unterliegen.

Beispiel 5: Ein Unternehmer beliefert ein Krankenhaus mit Mittag- und Abendessen für die Patienten. Er bereitet die nur teilweise verzehrfähig angelieferten Speisen bzw. Nahrungsmittel in der Küche des auftraggebenden Krankenhauses fertig zu und portioniert sie. Den Transport auf die Stationen, die Ausgabe der Speisen an die Patienten und die anschließende Reinigung des Geschirrs und Bestecks übernimmt das Krankenhauspersonal.

Es liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, da zu den Speisenlieferungen nur Dienstleistungselemente hinzutreten, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Die durch das Krankenhauspersonal erbrachten Dienstleistungselemente sind bei der Beurteilung der Speisenlieferungen als begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG oder als nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG nicht zu berücksichtigen.

Beispiel 6:

Sachverhalt wie im Beispiel 5. Ein Dritter ist jedoch verpflichtet, das Geschirr und Besteck in der Küche des Krankenhauses zu reinigen. Die Speisenlieferungen und die Reinigungsleistungen werden im Rahmen eines zwischen dem die Speisen abgebenden

Unternehmer und dem Dritten abgestimmten Gesamtkonzepts erbracht. Die zwischen dem Krankenhaus und den leistenden Unternehmern geschlossenen Verträge sind so miteinander verknüpft, dass jeder Vertrag mit dem anderen „steht oder fällt“.

Es liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor, da neben den Speisenlieferungen noch ein Dienstleistungselement (Reinigung des Geschirrs und Bestecks) hinzukommt und damit nicht nur Dienstleistungselemente erbracht werden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Da die Leistungen im Rahmen eines zwischen dem die Speisen abgebenden Unternehmer und dem Dritten abgestimmten Gesamtkonzepts erbracht werden, ist das von dem Dritten erbrachte Dienstleistungselement - trotz getrennter zivilrechtlicher Verträge - bei der Beurteilung der Speisenlieferungen als begünstigte Lieferungen oder als nicht begünstigte sonstige Leistungen heranzuziehen.

Beispiel 7:

Ein Unternehmer hat die Bewirtschaftung der Küche eines Krankenhauses übernommen. Er bereitet mit eigenem Personal die Mahlzeiten für die Patienten in der Küche des Krankenhauses zu, transportiert die portionierten Speisen auf die Stationen und reinigt das Geschirr und Besteck sowie den Küchenbereich. Die Ausgabe der Speisen an die Patienten erfolgt durch das Krankenhauspersonal

Es liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor, da neben den Speisenlieferungen noch weitere Dienstleistungselemente (Führung der Küche mit Produktion bestimmter Speisen, Reinigung des Geschirrs und Bestecks und Reinigung des Küchenbereichs) hinzukommen und damit nicht nur Dienstleistungselemente erbracht werden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind.

Beispiel 8:

Eine Metzgerei betreibt einen Partyservice. Sie belegt Platten mit kalten Käse- und Wurstwaren und gibt noch Brot und Brötchen dazu. Außerdem wird frisch zubereitete Suppe in einem Warmhaltebehälter bereitgestellt. Die fertig belegten Platten und die Suppe werden von den Kunden abgeholt oder von der Metzgerei zu den Kunden geliefert.

Es liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, da neben den Speisenlieferungen nur Dienstleistungselemente erbracht werden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Auch das zur Verfügung stellen der Platten und des Warmhaltebehälters ist unschädlich.

Beispiel 9:

Sachverhalt wie Beispiel 8, zusätzlich verleiht die Metzgerei jedoch Geschirr und Besteck.

Es liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor, weil die Metzgerei neben der Speisenlieferung die nicht notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbundenen Dienstleistungen „zur Verfügung stellen von Geschirr und Besteck“ erbringt.

Beispiel 10:

Der Betreiber eines Partyservice liefert verzehrfertige Speisen für eine Feier seines Auftraggebers an. Er richtet das Buffet her, indem er die Speisen auf Tischen des Auftraggebers anordnet und festlich dekoriert.

Es liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor, weil der leistende Unternehmer neben der Speisenlieferung Dienstleistungselemente erbringt, die nicht notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind.

Beispiel 11:

Der Betreiber eines Partyservice liefert verzehrfertige Speisen für eine Party seines Auftraggebers an. Der Auftraggeber erhält darüber hinaus Servietten, Einweggeschirr und -besteck. Der Betreiber des Partyservice hat sich verpflichtet, das Einweggeschirr und -besteck abzuholen und zu entsorgen.

Es liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor, da zu den Speisenlieferung noch das Dienstleistungselement „Abholung und Entsorgung des Geschirrs und Bestecks“ hinzukommt, das nicht notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden ist.

Beispiel 12:

Ein Mahlzeitendienst übergibt Einzelabnehmern verzehrfertig zubereitetes Mittag- und Abendessen in Warmhaltevorrichtungen auf vom Mahlzeitendienst zur Verfügung gestelltem Geschirr, auf dem die Speisen nach dem Abheben der Warmhaltehaube als Einzelportionen verzehrfertig angerichtet sind. Dieses Geschirr wird - nach einer Vorreinigung durch die Einzelabnehmer - zu einem späteren Zeitpunkt vom Mahlzeitendienst zurückgenommen und endgereinigt.

Es liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor, da der Mahlzeitendienst mit der Nutzungsüberlassung des Geschirrs sowie dessen Endreinigung Dienstleistungselemente erbringt, die nicht notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind. Auf das Material oder die Form des Geschirrs kommt es dabei nicht an. Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen können die Umsätze jedoch dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG unterliegen (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 2006, V R 55/04, a.a.O.).

Beispiel 13:

Ein Mahlzeitendienst übergibt Einzelabnehmern verzehrfertig zubereitetes Mittag- und Abendessen in Transportbehältnissen und Warmhaltevorrichtungen, die nicht dazu bestimmt sind, dass Speisen von diesen verzehrt werden. Die Ausgabe der Speisen auf dem Geschirr der Einzelabnehmer und die anschließende Reinigung des Geschirrs und Bestecks in der Küche der Einzelabnehmer übernimmt der Pflegedienst des Abnehmers. Zwischen Mahlzeiten- und Pflegedienst bestehen keine Verbindungen.

Es liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, weil sich der Mahlzeitendienst auf die Lieferung der verzehrfertig zubereiteten Speisen beschränkt. Die Leistungen des Pflegedienstes führen insoweit nicht zur Annahme einer sonstigen Leistung, da sie nicht im Rahmen eines abgestimmten Gesamtkonzepts erbracht werden.

Die dargestellten Grundsätze gelten auch für unentgeltliche Wertabgaben. Ist der Verzehr durch den Unternehmer selbst als sonstige Leistung anzusehen, liegt eine unentgeltliche Wertabgabe § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vor, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegt. Für unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b UStG - z. B. Entnahme von Nahrungsmitteln durch einen Gastwirt zum Verzehr in einer von der Gaststätte getrennten Wohnung - kommt der ermäßigte Steuersatz in Betracht. Auf die in der Richtsatzsammlung in der jeweils gültigen Fassung vorgesehenen Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben wird hingewiesen.

Die Regelungen dieses Schreibens sind auf alle offenen Fälle anzuwenden. Sofern bisher ergangene Anweisungen - insbesondere in Abschnitt 25a UStR - dem entgegenstehen, sind sie nicht mehr anzuwenden. Beruft sich der Unternehmer für vor dem 1. Januar 2009 ausgeführte Umsätze auf eine danach für ihn günstigere Besteuerung, wird dies nicht beanstandet.

 

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Im Auftrag
Kraeusel

Zum Artikel

Veröffentlicht: 4. September 2009
Geschäftszeichen: IV B 9 - S 7117/08/10001

 

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung der Regelungen der §§ 3a, 3b und 3e UStG zum Ort der sonstigen Leistung in der ab 1. Januar 2010 geltenden Fassung von Art. 7 Nr. 2 und 3 des Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794) Folgendes:

 

Inhaltsverzeichnis
(Durch Klick auf die zugehörige Randnummer gelangen Sie zum entsprechenden Punkt.)

 

I. Ort der sonstigen Leistung nach § 3a UStG

  1. Ort der sonstigen Leistung am Sitzort oder der Betriebsstätte des leistenden Unternehmers bei Leistungen an Nichtunternehmer (§ 3a Abs. 1 UStG)
  2. Ort der sonstigen Leistung am Sitzort oder der Betriebsstätte des Leistungsempfängers (§ 3a Abs. 2 UStG) bei Leistungen an Unternehmer und diesen gleichgestellte juristische Personen
  3. Ort der sonstigen Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG)
  4. Ort der kurzfristigen Vermietung eines Beförderungsmittels (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG)
  5. Ort der Tätigkeit (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG)
  6. Ort der sonstigen Leistung bei Messen und Ausstellungen
  7. Ort der Vermittlungsleistung (§ 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG
  8. Ort der in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG bezeichneten sonstigen Leistungen
  9. Leistungskatalog des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 bis 10 UStG
  10. Sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG
  11. Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 12 UStG
  12. Auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 13 UStG
  13. Gewährung des Zugangs zu Erdgas- und Elektrizitätsnetzen und die Fernleitung, die Übertragung oder die Verteilung über diese Netze sowie damit unmittelbar zusammenhängende sonstige Leistungen (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 14 UStG)
  14. Ort der sonstigen Leistung bei Einschaltung eines Erfüllungsgehilfen
  15. Sonderfälle des Orts der sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 6 und 7 UStG)
    • a) Nutzung und Auswertung bestimmter sonstiger Leistungen im Inland (§ 3a Abs. 6 UStG)
    • b) Kurzfristige Fahrzeugvermietung zur Nutzung im Drittlandsgebiet (§ 3a Abs. 7 UStG)
II. Ort der Beförderungsleistung und der damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen (§ 3b UStG)
  1. Ort einer Personenbeförderung und Ort einer Güterbeförderung, die keine innergemeinschaftliche Güterbeförderung ist (§ 3b Abs. 1 UStG)
  2. Ort der Leistung, die im Zusammenhang mit einer Güterbeförderung steht (§ 3b Abs. 2 UStG)
  3. Ort der innergemeinschaftlichen Güterbeförderung (§ 3b Abs. 3 UStG)
III. Ort der Restaurationsleistungen während einer Beförderung an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn (§ 3e UStG)

IV. Besteuerungsverfahren bei sonstigen Leistungen

V. Anwendungszeitpunkt


 

I. Ort der sonstigen Leistung nach § 3a UStG

1. Ort der sonstigen Leistung am Sitzort oder der Betriebsstätte des leistenden Unternehmers bei Leistungen an Nichtunternehmer (§ 3a Abs. 1 UStG) )

1

(1) Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 1 UStG nur bei Leistungen an

  • Leistungsempfänger, die nicht Unternehmer sind,
  • Unternehmer, wenn die Leistung nicht für ihr Unternehmen bezogen wird, oder
  • nicht unternehmerisch tätige juristische Personen, denen keine USt-IdNr. erteilt worden ist
  • (Nichtunternehmer).
Der Leistungsort bestimmt sich nur nach § 3a Abs. 1 UStG, wenn kein Tatbestand des § 3a Abs. 3 bis 7 UStG, des § 3b UStG, des § 3e UStG oder des § 3f UStG vorliegt.

2

(2) Maßgeblich ist grundsätzlich der Ort, von dem aus der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt (vgl. § 21 AO). Ist dieser Ort bei natürlichen Personen nicht eindeutig bestimmbar, kommen als Leistungsort der Wohnsitz des Unternehmers (§ 8 AO) oder der Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts (§ 9 AO) in Betracht. Bei Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen ist der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) maßgeblich. Der Ort einer einheitlichen sonstigen Leistung liegt nach § 3a Abs. 1 UStG auch dann an dem Ort, von dem aus der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt, wenn einzelne Leistungsteile nicht von diesem Ort aus erbracht werden (vgl. BFH-Urteil vom 26. 3. 1992, V R 16/88, BStBl II S. 929).

3

(3) Der Ort einer Betriebsstätte ist nach § 3a Abs. 1 Satz 2 UStG Leistungsort, wenn die sonstige Leistung von dort ausgeführt wird, d.h. die sonstige Leistung muss der Betriebsstätte tatsächlich zuzurechnen sein. Dies ist der Fall, wenn die für die sonstige Leistung erforderlichen einzelnen Arbeiten ganz oder überwiegend durch Angehörige oder Einrichtungen der Betriebsstätte ausgeführt werden. Es ist nicht erforderlich, dass das Umsatzgeschäft von der Betriebsstätte aus abgeschlossen wurde. Wird ein Umsatz sowohl an dem Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt, als auch von einer Betriebsstätte ausgeführt, ist der Leistungsort nach dem Ort zu bestimmen, an dem die sonstige Leistung überwiegend erbracht wird.

4

(4) Betriebsstätte im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmers dient. Eine solche Einrichtung oder Anlage kann aber nur dann als Betriebsstätte angesehen werden, wenn sie über einen ausreichenden Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln verfügt, der für die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen erforderlich ist. Außerdem muss die Einrichtung oder Anlage einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweisen, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der jeweiligen Dienstleistungen ermöglicht (vgl. hierzu EuGH-Urteile vom 4. 7. 1985, Rs. 168/84, EuGHE S. 2251, vom 2. 5. 1996, C-231/94, EuGHE I S. 2395, vom 17. 7. 1997, C-190/95, EuGHE I S. 4383, und vom 20. 2. 1997, C-260/95, EuGHE I S. 1005). Eine solche beständige Struktur liegt z. B. vor, wenn die Einrichtung über eine Anzahl von Beschäftigten verfügt, von hier aus Verträge abgeschlossen werden können, Rechnungslegung und Aufzeichnungen dort erfolgen und Entscheidungen getroffen werden, z. B. über den Wareneinkauf. Betriebsstätte kann auch eine Organgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sein. Der Ort sonstiger Leistungen, die an Bord eines Schiffs tatsächlich von einer dort belegenen Betriebsstätte erbracht werden, bestimmt sich nach § 3a Abs. 1 Satz 2 UStG. Hierzu können z. B. Leistungen in den Bereichen Friseurhandwerk, Kosmetik, Massage und Landausflüge gehören.

5

(5) Die Leistungsortbestimmung nach § 3a Abs. 1 UStG kommt z. B. in folgenden Fällen in Betracht:

  • Reiseleistungen (§ 25 Abs. 1 Satz 4 UStG),
  • Reisebetreuungsleistungen von angestellten Reiseleitern (vgl. BFH-Urteil vom 23. 9. 1993, V R 132/89, BStBl 1994 II S. 272),
  • Leistungen der Vermögensverwalter und Testamentsvollstrecker (vgl. EuGH-Urteil vom 6. 12. 2008, Rs. C-401/06, EuGHE I S. 10609),
  • Leistungen der Notare, soweit sie nicht Grundstücksgeschäfte beurkunden (vgl. Rz. 30 bis 32) oder nicht selbständige Beratungsleistungen an im Drittlandsgebiet ansässige Leistungsempfänger erbringen (vgl. Rz. 70),
  • die in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG bezeichneten sonstigen Leistungen, wenn der Leistungsempfänger innerhalb der EG ansässig ist (vgl. jedoch Rz. 107 bis 109),
  • sonstige Leistungen im Rahmen einer Bestattung, soweit diese Leistungen als einheitliche Leistungen (vgl. Abschnitt 29 UStR) anzusehen sind (vgl. Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005, ABl. EU 2005 Nr. L 288 S. 1),
  • langfristige Vermietung eines Beförderungsmittels (zur kurzfristigen Vermietung siehe § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG, vgl. Rz. 34 und 35; zum Begriff des Beförderungsmittels vgl. Rz. 36 und 37).

6

(6) Zur Sonderregelung für den Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 6 UStG wird auf Rz. 107 bis 109 verwiesen.

 

2. Ort der sonstigen Leistung am Sitzort oder der Betriebsstätte des Leistungsempfängers bei Leistungen an Unternehmer und diesen gleichgestellte juristische Personen (§ 3a Abs. 2 UStG)

7

(1) Voraussetzung für die Anwendung des § 3a Abs. 2 UStG ist, dass der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist und die Leistung für sein Unternehmern bezogen hat (vgl. im Einzelnen Rz. 14 bis 18) oder eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person ist, der eine USt-IdNr. erteilt worden ist (einem Unternehmer gleichgestellte juristische Person; vgl. Rz. 13). Der Leistungsort bestimmt sich nur dann nach § 3a Abs. 2 UStG, wenn kein Tatbestand des § 3a Abs. 3 Nrn. 1, 2 und 3 Buchstaben a und b, Abs. 6 Nr. 1 und 3 und Abs. 7 UStG, des § 3b Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG, des § 3e UStG oder des § 3f UStG vorliegt.

8

(2) Als Leistungsempfänger im umsatzsteuerrechtlichen Sinn ist grundsätzlich derjenige zu behandeln, in dessen Auftrag die Leistung ausgeführt wird (vgl. Abschn. 192 Abs. 16 UStR). Aus Vereinfachungsgründen ist bei steuerpflichtigen Güterbeförderungen, steuerpflichtigen selbständigen Nebenleistungen hierzu und bei der steuerpflichtigen Vermittlung der vorgenannten Leistungen, bei denen sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG richtet, der Rechnungsempfänger auch als Leistungsempfänger anzusehen.

Beispiel:
Der in Deutschland ansässige Unternehmer U versendet Güter per Frachtnachnahme an den Unternehmer D mit Sitz in Dänemark. Die Güterbeförderungsleistung ist für unternehmerische Zwecke des D bestimmt. Bei Frachtnachnahmen wird regelmäßig vereinbart, dass der Beförderungsunternehmer die Beförderungskosten dem Empfänger der Sendung in Rechnung stellt und dieser die Beförderungskosten bezahlt. Der Rechnungsempfänger der innergemeinschaftlichen Güterbeförderung ist als Empfänger der Beförderungsleistung und damit als Leistungsempfänger anzusehen, auch wenn er den Transportauftrag nicht unmittelbar erteilt hat. Hierdurch wird erreicht, dass diese Leistungen in dem Staat besteuert werden, in dem der Rechnungsempfänger umsatzsteuerlich erfasst ist.

9

(3) Nach § 3a Abs. 2 UStG bestimmt sich der Leistungsort maßgeblich nach dem Ort, von dem aus der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt (vgl. § 21 AO). Ist dieser Ort bei natürlichen Personen nicht eindeutig bestimmbar, kommen als Leistungsort der Wohnsitz des Leistungsempfängers (§ 8 AO) oder der Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts (§ 9 AO) in Betracht. Bei Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen ist der Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) maßgeblich.

10

(4) Die sonstige Leistung kann auch an eine Betriebsstätte des Leistungsempfängers ausgeführt werden (zum Begriff der Betriebsstätte vgl. Rz. 4). Dies ist der Fall, wenn die Leistung ausschließlich oder überwiegend für die Betriebsstätte bestimmt ist. Es ist nicht erforderlich, dass der Auftrag von der Betriebsstätte aus an den leistenden Unternehmer erteilt wird, der die sonstige Leistung durchführt, z. B. Verleger, Werbeagentur, Werbungsmittler. Auch ist unerheblich, ob das Entgelt für die Leistung von der Betriebsstätte aus bezahlt wird.

Beispiel:
Ein Unternehmen mit Sitz im Inland unterhält im Ausland Betriebsstätten. Durch Aufnahme von Werbeanzeigen in ausländischen Zeitungen und Zeitschriften wird für die Betriebsstätten geworben. Die Anzeigenaufträge werden an ausländische Verleger durch eine inländische Werbeagentur im Auftrag des im Inland ansässigen Unternehmens erteilt.

Die ausländischen Verleger und die inländische Werbeagentur unterliegen mit ihren Leistungen für die im Ausland befindlichen Betriebsstätten nicht der deutschen Umsatzsteuer.

11

(5) Bei Werbeanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften und bei Werbesendungen in Rundfunk und Fernsehen oder im Internet ist davon auszugehen, dass sie ausschließlich oder überwiegend für im Ausland belegene Betriebsstätten bestimmt und daher im Inland nicht steuerbar sind, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Es handelt sich um
    • a) fremdsprachige Zeitungen und Zeitschriften, um fremdsprachige Rundfunk- und Fernsehsendungen oder um fremdsprachige Internet-Seiten oder
    • b) deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften oder um deutschsprachige Rundfunk- und Fernsehsendungen, die überwiegend im Ausland verbreitet werden.
  2. Die im Ausland belegenen Betriebsstätten sind in der Lage, die Leistungen zu erbringen, für die geworben wird.

12

(6) Lässt sich nicht feststellen, dass eine sonstige Leistung ausschließlich oder überwiegend für eine Betriebsstätte eines Unternehmers bestimmt ist, gilt die Leistung an dem Ort als erbracht, von dem aus der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG). Bei einer einheitlichen sonstigen Leistung ist es nicht möglich, für einen Teil der Leistung den Ort der Betriebsstätte und für den anderen Teil den Sitz des Unternehmens als maßgebend anzusehen und die Leistung entsprechend aufzuteilen. Ist die Zuordnung zu einer Betriebsstätte zweifelhaft und verwendet der Leistungsempfänger eine ihm von einem anderen EU-Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr., kann davon ausgegangen werden, dass die Leistung für die im EU-Mitgliedstaat der verwendeten USt-IdNr. belegene Betriebsstätte bestimmt ist.

13

(7) Unternehmern gleichgestellt werden nach § 3a Abs. 2 Satz 3 UStG nicht unternehmerisch tätige juristische Personen. Hierunter fallen insbesondere juristische Personen des öffentlichen Rechts, aber auch juristische Personen, die nicht Unternehmer sind (z. B. eine Holding, die ausschließlich eine bloße Vermögensverwaltungstätigkeit ausübt). Voraussetzung ist aber, dass diesen juristischen Personen eine USt-IdNr. erteilt wurde, d. h. sie also für umsatzsteuerliche Zwecke erfasst sind. Juristische Personen, denen eine USt-IdNr. erteilt worden ist, müssen diese gegenüber dem leistenden Unternehmer verwenden, damit dieser die Leistungsortregelung des § 3a Abs. 2 UStG anwenden kann. Verwendet die juristische Person als Leistungsempfänger keine USt-IdNr., hat der leistende Unternehmer nachzufragen, ob ihr eine solche Nummer erteilt worden ist.

Beispiel:
Der in Belgien ansässige Unternehmer U erbringt an eine juristische Person des öffentlichen Rechts J mit Sitz in Deutschland eine Beratungsleistung. J verwendet für diesen Umsatz keine USt-IdNr. Auf Nachfrage teilt J dem U mit, ihr sei keine USt-IdNr. erteilt worden.

Da J angegeben hat, ihr sei keine USt-IdNr. erteilt worden, kann U davon ausgehen, dass die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Satz 3 UStG nicht erfüllt sind. Der Ort der Beratungsleistung des U an J liegt in Belgien (§ 3a Abs. 1 UStG).

14

(8) Voraussetzung für die Anwendung der Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG ist, dass die Leistung für den unternehmerischen Bereich des Leistungsempfängers ausgeführt worden ist. Hierunter fallen auch Leistungen an einen Unternehmer, soweit diese Leistungen für die Erbringung von der Art nach nicht steuerbaren Umsätzen (z. B. Geschäftsveräußerungen im Ganzen) bestimmt sind.

15

(9) § 3a Abs. 2 UStG regelt nicht, wie der leistende Unternehmer nachzuweisen hat, dass sein Leistungsempfänger Unternehmer ist, der die sonstige Leistung für den unternehmerischen Bereich bezieht. Entsprechend bleibt es dem leistenden Unternehmer überlassen, auf welche Weise er den entsprechenden Nachweis führt. Verwendet der Leistungsempfänger gegenüber seinem Auftragnehmer eine ihm von einem Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr., kann dieser regelmäßig davon ausgehen, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist und die Leistung für dessen unternehmerischen Bereich bezogen wird. Dies gilt auch dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Leistung vom Leistungsempfänger tatsächlich für nicht unternehmerische Zwecke verwendet worden ist, wenn der leistende Unternehmer gem. § 18e UStG von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich die Gültigkeit einer USt-IdNr. eines anderen EU-Mitgliedstaates sowie den Namen und die Anschrift der Person, der diese Nummer erteilt wurde, durch das BZSt bestätigen zu lassen.

Beispiel:
Der Schreiner S mit Sitz in Frankreich erneuert für den Unternehmer U mit Sitz in Freiburg einen Aktenschrank. U verwendet für diesen Umsatz seine deutsche USt-IdNr. Bei einer Betriebsprüfung stellt sich im Nachhinein heraus, dass U den Aktenschrank für seinen privaten Bereich verwendet.

Der Leistungsort für die Reparatur des Schranks ist nach § 3a Abs. 2 UStG in Deutschland. Da U gegenüber S seine USt-IdNr. verwendet hat, gilt die Leistung als für das Unternehmen des U bezogen. Unbeachtlich ist, dass der Aktenschrank tatsächlich von U für nicht unternehmerische Zwecke verwendet wurde. U ist für die Leistung des S Steuerschuldner (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 UStG). U ist allerdings hinsichtlich der angemeldeten Steuer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da die Leistung nicht für unternehmerische Zwecke bestimmt ist.

16

(10) Verwendet der Leistungsempfänger eine USt-IdNr., soll dies grundsätzlich vor Ausführung der Leistung erfolgen und in dem jeweiligen Auftragsdokument schriftlich festgehalten werden. Der Begriff „Verwendung“ einer USt-IdNr. setzt ein positives Tun des Leistungsempfängers, in der Regel bereits bei Vertragsabschluss, voraus. So kann z. B. auch bei mündlichem Abschluss eines Auftrags zur Erbringung einer sonstigen Leistung eine Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug durch Verwendung einer bestimmten USt-IdNr. abgegeben und dies vom Auftragnehmer aufgezeichnet werden. Es reicht ebenfalls aus, wenn bei der erstmaligen Erfassung der Stammdaten eines Leistungsempfängers zusammen mit der für diesen Zweck erfragten USt-IdNr. zur Feststellung der Unternehmereigenschaft und des unternehmerischen Bezugs zusätzlich eine Erklärung des Leistungsempfängers aufgenommen wird, dass diese USt-IdNr. bei allen künftigen – unternehmerischen – Einzelaufträgen verwendet werden soll. Eine im Briefkopf eingedruckte USt-IdNr. oder eine in einer Gutschrift des Leistungsempfängers formularmäßig eingedruckte USt-IdNr. reicht allein nicht aus, um die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug der zu erbringenden Leistung zu dokumentieren. Unschädlich ist es im Einzelfall, wenn der Leistungsempfänger eine USt-IdNr. erst nachträglich verwendet oder durch eine andere ersetzt. In diesem Fall muss ggf. die Besteuerung in dem einen EU-Mitgliedstaat rückgängig gemacht und in dem anderen EU-Mitgliedstaat nachgeholt und ggf. die abgegebene ZM berichtigt werden. In einer bereits erteilten Rechnung sind die USt-IdNr. des Leistungsempfängers (vgl. § 14a Abs. 1 UStG) und ggf. ein gesonderter Steuerausweis (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 8 und § 14c Abs. 1 UStG) zu berichtigen. Die nachträgliche Angabe oder Änderung einer USt-IdNr. als Nachweis der Unternehmereigenschaft und des unternehmerischen Bezugs ist der Umsatzsteuerfestsetzung nur zu Grunde zu legen, wenn die Steuerfestsetzung in der Bundesrepublik Deutschland noch änderbar ist.

17

(11) Ist der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig, kann der Nachweis der Unternehmereigenschaft durch eine Bescheinigung einer Behörde des Sitzstaates geführt werden, in der diese bescheinigt, dass der Leistungsempfänger dort als Unternehmer erfasst ist. Die Bescheinigung sollte inhaltlich der Unternehmerbescheinigung nach § 61a Abs. 4 UStDV entsprechen (vgl. Abschnitt 242 Abs. 6 UStR).

18

(12) Erbringt der leistende Unternehmer gegenüber einem im Drittlandsgebiet ansässigen Auftraggeber eine in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG bezeichnete Leistung, muss der leistende Unternehmer grundsätzlich nicht prüfen, ob der Leistungsempfänger Unternehmer oder Nichtunternehmer ist, da der Leistungsort – unabhängig vom Status des Leistungsempfängers – im Drittlandsgebiet liegt (§ 3a Abs. 2 UStG oder § 3a Abs. 4 Satz 1 UStG). Dies gilt nicht für die in § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 und 12 UStG bezeichneten Leistungen, bei denen die Nutzung oder Auswertung im Inland erfolgt, so dass der Leistungsort nach § 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 UStG im Inland liegen würde, wenn der Leistungsempfänger kein Unternehmer wäre (vgl. Rz. 109).

Eine Prüfung der Unternehmereigenschaft entfällt auch bei Vermittlungsleistungen gegenüber einem im Drittlandsgebiet ansässigen Auftraggeber, wenn der Ort der vermittelten Leistung im Drittlandsgebiet liegt, da der Ort der Vermittlungsleistung – unabhängig vom Status des Leistungsempfängers – in solchen Fällen immer im Drittlandsgebiet liegt (§ 3a Abs. 2 UStG, § 3a Abs. 3 Nr. 1 oder 4 UStG).

19

(13) Bei Leistungsbezügen juristischer Personen, die sowohl unternehmerisch als auch nichtunternehmerisch tätig sind, kommt es für die Frage der Ortsbestimmung darauf an, ob die Leistung für das Unternehmen ausgeführt worden ist. § 3a Abs. 2 Satz 3 UStG findet in diesen Fällen keine Anwendung. Soweit inländische und ausländische Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts untereinander entgeltliche sonstige Leistungen ausführen, gelten hinsichtlich der Umsatzbesteuerung solcher zwischenstaatlicher Leistungen deshalb die allgemeinen Regelungen zum Leistungsort. Der Leistungsort bestimmt sich bei zwischenstaatlichen Leistungen der Rundfunkanstalten nach § 3a Abs. 2 UStG, wenn die die Leistung empfangende Rundfunkanstalt

  • Unternehmer ist und die Leistung für den unternehmerischen Bereich bezogen wurde oder
  • eine einem Unternehmer gleichgestellte juristische Person ist (siehe Rz. 7).
Ist die Rundfunkanstalt weder ein Unternehmer noch eine einem Unternehmer gleichgestellte juristische Person, richtet sich der Leistungsort grundsätzlich nach § 3a Abs. 1 UStG. Bei den in Satz 2 genannten Fällen ist die inländische Rundfunkanstalt als Leistungsempfänger Steuerschuldner (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 UStG). Die Sätze 1 bis 4 sind entsprechend anzuwenden, wenn an den zwischenstaatlichen Leistungen eine andere ausländische Rundfunkorganisation, z. B. die European Broadcasting Union (EBU), beteiligt ist.

20

(14) Grundsätzlich fallen unter die Ortsregelung des § 3a Abs. 2 UStG alle sonstigen Leistungen an einen Unternehmer, soweit sich nicht aus § 3a Abs. 3 Nr. 1, 2 und 3 Buchstaben a und b, Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 und 3 und Abs. 7, § 3b Abs. 1 Sätze 1 und 2, §§ 3e und 3f UStG eine andere Ortsregelung ergibt. Zu den sonstigen Leistungen, die ab dem 1. Januar 2010 unter die Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 2 UStG fallen, sind insbesondere zu nennen:

  • Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und die Begutachtung dieser Gegenstände,
  • alle Vermittlungsleistungen, soweit diese nicht unter § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG fallen,
  • Leistungen, die in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG genannt sind,
  • die langfristige Vermietung eines Beförderungsmittels,
  • Güterbeförderungen, einschließlich innergemeinschaftlicher Güterbeförderungen sowie der Vor- und Nachläufe zu innergemeinschaftlichen Güterbeförderungen (Beförderungen eines Gegenstands, die in dem Gebiet desselben Mitgliedstaats beginnt und endet, wenn diese Beförderung unmittelbar einer innergemeinschaftlichen Güterbeförderung vorangeht oder folgt),
  • das Beladen, Entladen, Umschlagen und ähnliche mit einer Güterbeförderung im Zusammenhang stehende selbständige Leistungen.

21

(15) Wird eine Güterbeförderungsleistung tatsächlich ausschließlich im Drittlandsgebiet erbracht und ist der Leistungsort für diese Leistung unter Anwendung von § 3a Abs. 2 UStG im Inland, wird es nicht beanstandet, wenn der Leistungsempfänger den Umsatz nicht der Umsatzbesteuerung in Deutschland unterwirft.

22

(16) Wird ein Gegenstand im Zusammenhang mit einer Ausfuhr oder einer Einfuhr grenzüberschreitend befördert und ist der Leistungsort für diese Leistung unter Anwendung von § 3a Abs. 2 UStG im Inland, ist dieser Umsatz unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 3 UStG steuerfrei (§ 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a UStG), auch wenn bei dieser Beförderung das Inland nicht berührt wird.

23

(17) Nicht unter die Ortsregelung des § 3a Abs. 2 UStG fallen folgende sonstigen Leistungen:

  • Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG, vgl. Rz. 24 bis 33),
  • die kurzfristige Vermietung von Beförderungsmitteln (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 7 UStG; vgl. Rz. 34 und 35 sowie 110),
  • kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen, wie Leistungen im Zusammenhang mit Messen und Ausstellungen einschließlich der Leistungen der jeweiligen Veranstalter sowie die damit zusammenhängenden Tätigkeiten, die für die Ausübung der Leistungen unerlässlich sind (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG; vgl. Rz. 40 bis 45),
  • die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistungen) nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe b UStG (vgl. Rz. 46 und 47) und nach § 3e UStG (vgl. Rz. 138),
  • Personenbeförderungen (§ 3b Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG).

 

3. Ort der sonstigen Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG)

24

(1) § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG gilt sowohl für sonstige Leistungen an Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) als auch an Unternehmer und diesen gleichgestellte juristische Personen (siehe Rz. 7).

25

(2) Für den Ort einer sonstigen Leistung – einschließlich Werkleistung – im Zusammenhang mit einem Grundstück ist die Lage des Grundstücks entscheidend. Als Grundstück im Sinne des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG ist auch der Meeresboden anzusehen. Zu einem Grundstück gehören auch dessen wesentliche Bestandteile (§ 94 BGB), selbst wenn sie ertragsteuerlich selbständige Wirtschaftsgüter sind. Auch sonstige Leistungen an Scheinbestandteilen (§ 95 BGB) stehen im Zusammenhang mit einem Grundstück. Dies gilt jedoch nicht für sonstige Leistungen am Zubehör (§ 97 BGB).

Beispiel:
Ein Industrieunternehmer hat anderen Unternehmern übertragen: die Pflege der Grünflächen des Betriebsgrundstücks, die Gebäudereinigung, die Wartung der Heizungsanlage und die Pflege und Wartung der Aufzugsanlagen.

Es handelt sich in allen Fällen um sonstige Leistungen, die im Zusammenhang mit einem Grundstück stehen.

26

(3) Die sonstige Leistung muss in engem Zusammenhang mit dem Grundstück stehen. Ein enger Zusammenhang ist gegeben, wenn sich die sonstige Leistung nach den tatsächlichen Umständen überwiegend auf die Bebauung, Verwertung, Nutzung oder Unterhaltung des Grundstücks selbst bezieht.

27

(4) Zu den in § 4 Nr. 12 UStG der Art nach bezeichneten sonstigen Leistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchstabe a UStG), gehört die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken. Die Begriffe Vermietung und Verpachtung sind grundsätzlich nach bürgerlichem Recht zu beurteilen. Es kommt nicht darauf an, ob die Vermietungs- oder Verpachtungsleistung nach § 4 Nr. 12 UStG steuerfrei ist. Auch die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer bereithält, um kurzfristig Fremde zu beherbergen, die Vermietung von Plätzen, um Fahrzeuge abzustellen, die Überlassung von Wasser- und Bootsliegeplätzen für Sportboote (vgl. BFH-Urteil vom 8. 10. 1991, V R 46/88, BStBl 1992 II S. 368), die kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen, die entgeltliche Unterbringung auf einem Schiff, das für längere Zeit auf einem Liegeplatz befestigt ist (vgl. BFH-Urteil vom 7. 3. 1996, V R 29/95, BStBl II S. 341), die Überlassung von Wochenmarkt-Standplätzen an Markthändler (vgl. BFH-Urteil vom 24. 1. 2008, V R 12/05, BStBl 2009 II S. 60) und die Überlassung von Räumlichkeiten für Aufnahme- und Sendezwecke von inländischen und ausländischen Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts untereinander fallen unter § 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchstabe a UStG. Das gilt auch für die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, wenn sie wesentliche Bestandteile oder Scheinbestandteile eines Grundstücks sind. Zum Begriff der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken vgl. im Einzelnen Abschn. 76 UStR.

28

(5) Die Überlassung von Camping-, Park- und Bootsliegeplätzen steht auch dann im Zusammenhang mit einem Grundstück, wenn sie nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 4. 12. 1980, V R 60/79, BStBl 1981 II S. 231, bürgerlich-rechtlich nicht auf einem Mietvertrag beruht. Vermieten Unternehmer Wohnwagen, die auf Campingplätzen aufgestellt sind und ausschließlich zum stationären Gebrauch als Wohnung überlassen werden, ist die Vermietung als sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück anzusehen (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG). Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Wohnwagen nicht fest mit dem Grund und Boden verbunden sind und deshalb auch als Beförderungsmittel verwendet werden könnten. Maßgebend ist nicht die abstrakte Eignung eines Gegenstandes als Beförderungsmittel. Entscheidend ist, dass die Wohnwagen nach dem Inhalt der abgeschlossenen Mietverträge nicht als Beförderungsmittel, sondern zum stationären Gebrauch als Wohnungen überlassen werden. Das gilt ferner in den Fällen, in denen die Vermietung der Wohnwagen nicht die Überlassung des jeweiligen Standplatzes umfasst und die Mieter deshalb über die Standplätze besondere Verträge mit den Inhabern der Campingplätze abschließen müssen.

29

(6) Zu den Leistungen der in § 4 Nr. 12 UStG bezeichneten Art zählen auch die Überlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen zur Nutzung auf Grund eines auf Übertragung des Eigentums gerichteten Vertrages oder Vorvertrages (§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe b UStG) sowie die Bestellung und Veräußerung von Dauerwohnrechten und Dauernutzungsrechten (§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchstabe c UStG).

30

(7) Zu den sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit der Veräußerung oder dem Erwerb von Grundstücken (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchstabe b UStG) gehören die sonstigen Leistungen der Grundstücksmakler und Grundstückssachverständigen sowie der Notare bei der Beurkundung von Grundstückskaufverträgen und anderen Verträgen, die auf die Veränderung von Rechten an einem Grundstück gerichtet sind und deshalb zwingend einer notariellen Beurkundung bedürfen, z. B. Bestellung einer Grundschuld. Bei selbständigen Beratungsleistungen der Notare, die nicht im Zusammenhang mit der Beurkundung von Grundstückskaufverträgen und Grundstücksrechten stehen, richtet sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Sätze 1 und 2 Nr. 3 UStG.

31

(8) Zu den sonstigen Leistungen, die der Erschließung von Grundstücken oder der Vorbereitung oder der Ausführung von Bauleistungen dienen (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchstabe c UStG), gehören z. B. die Leistungen der Architekten, Bauingenieure, Vermessungsingenieure, Bauträgergesellschaften, Sanierungsträger sowie der Unternehmer, die Abbruch- und Erdarbeiten ausführen. Dazu gehören ferner Leistungen zum Aufsuchen oder Gewinnen von Bodenschätzen. In Betracht kommen Leistungen aller Art, die sonstige Leistungen sind. Die Vorschrift erfasst auch die Begutachtung von Grundstücken.

32

(9) Im engen Zusammenhang mit einem Grundstück stehen auch die Einräumung dinglicher Rechte, z. B. dinglicher Nießbrauch, Dienstbarkeiten, Erbbaurechte, sowie sonstige Leistungen, die dabei ausgeführt werden, z. B. Beurkundungsleistungen eines Notars. Unter die Vorschrift fällt ferner die Vermittlung von Vermietungen von Grundstücken, Wohnungen, Ferienhäusern, Hotelzimmern.

33

(10) Nicht im engen Zusammenhang mit einem Grundstück stehen folgende Leistungen, sofern sie selbständige Leistungen sind:

  1. der Verkauf von Anteilen und die Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Grundstücksgesellschaften;
  2. die Veröffentlichung von Immobilienanzeigen, z. B. durch Zeitungen;
  3. die Finanzierung und Finanzierungsberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Grundstücks und dessen Bebauung;
  4. die Rechts- und Steuerberatung in Grundstückssachen.

 

4. Ort der kurzfristigen Vermietung eines Beförderungsmittels (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG)

34

(1) Die Ortsbestimmung des § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG gilt für die kurzfristige Vermietungsleistung von Beförderungsmitteln sowohl an Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) als auch an Unternehmer und diesen gleichgestellte juristische Personen (siehe Rz. 7). Zum Ort der kurzfristigen Fahrzeugvermietung zur Nutzung im Drittlandsgebiet vgl. Rz. 110.

35

(2) Der Ort bei der kurzfristigen Vermietung eines Beförderungsmittels ist regelmäßig der Ort, an dem das Beförderungsmittel dem Leistungsempfänger tatsächlich zur Verfügung gestellt wird, das ist der Ort, an dem das Beförderungsmittel dem Leistungsempfänger übergeben wird. Eine kurzfristige Vermietung liegt vor, wenn die Vermietung über einen ununterbrochenen Zeitraum von nicht mehr als 90 Tagen bei Wasserfahrzeugen und von nicht mehr als 30 Tagen bei anderen Beförderungsmitteln erfolgt.

Beispiel:
Das Bootsvermietungsunternehmen B mit Sitz in Düsseldorf vermietet an den Unternehmer U eine Yacht für drei Wochen. Die Übergabe der Yacht erfolgt an der Betriebsstätte des B in einem italienischen Adriahafen.

Der Leistungsort für die Vermietungsleistung des B an U ist in Italien, dem Ort, an dem das vermietete Boot tatsächlich von B an U übergeben wird.

Die Dauer der Vermietung richtet sich nicht nach der vertraglichen Vereinbarung, sondern nach der tatsächlichen Dauer der Nutzungsüberlassung. Wird ein Fahrzeug mehrfach unmittelbar hintereinander für einen Zeitraum vermietet, liegt eine kurzfristige Vermietung nur dann vor, wenn der ununterbrochene Vermietungszeitraum von nicht mehr als 90 Tagen bzw. 30 Tagen insgesamt nicht überschritten wird.

36

(3) Als Beförderungsmittel sind Gegenstände anzusehen, deren Hauptzweck auf die Beförderung von Personen und Gütern zu Lande, zu Wasser oder in der Luft gerichtet ist und die sich auch tatsächlich fortbewegen. Zu den Beförderungsmitteln gehören auch Auflieger, Sattelanhänger, Fahrzeuganhänger, Eisenbahnwaggons, Elektro-Caddywagen, Transportbetonmischer, Segelboote, Ruderboote, Paddelboote, Motorboote, Sportflugzeuge, Segelflugzeuge, Wohnmobile, Wohnwagen (vgl. jedoch Rz. 28). Keine Beförderungsmittel sind z. B. Bagger, Planierraupen, Bergungskräne, Schwertransportkräne, Transportbänder, Gabelstapler, Elektrokarren, Rohrleitungen, Ladekräne, Schwimmkräne, Schwimmrammen, Container, militärische Kampffahrzeuge, z. B. Kriegsschiffe – ausgenommen Versorgungsfahrzeuge –, Kampfflugzeuge, Panzer. Unabhängig hiervon kann jedoch mit diesen Gegenständen eine Beförderungsleistung ausgeführt werden. Als Vermietung von Beförderungsmitteln gilt auch die Überlassung von betrieblichen Kraftfahrzeugen durch Arbeitgeber an ihre Arbeitnehmer zur privaten Nutzung sowie die Überlassung eines Rundfunk- oder Fernsehübertragungswagens oder eines sonstigen Beförderungsmittels inländischer und ausländischer Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts untereinander.

37

(4) Wird eine Segel- oder Motoryacht oder ein Luftfahrzeug ohne Besatzung verchartert, ist eine Vermietung eines Beförderungsmittels anzunehmen. Bei einer Vercharterung mit Besatzung ohne im Chartervertrag festgelegte Reiseroute ist ebenfalls eine Vermietung eines Beförderungsmittels anzunehmen. Das gilt auch, wenn die Yacht oder das Luftfahrzeug mit Besatzung an eine geschlossene Gruppe vermietet wird, die mit dem Vercharterer vorher die Reiseroute festgelegt hat, diese Reiseroute aber im Verlauf der Reise ändern oder in anderer Weise auf den Ablauf der Reise Einfluss nehmen kann. Eine Beförderungsleistung ist dagegen anzunehmen, wenn nach dem Chartervertrag eine bestimmte Beförderung geschuldet wird und der Unternehmer diese unter eigener Verantwortung vornimmt, z. B. bei einer vom Vercharterer organisierten Rundreise mit Teilnehmern, die auf Ablauf und nähere Ausgestaltung der Reise keinen Einfluss haben.

38

(6) Werden Beförderungsmittel langfristig vermietet, bestimmt sich der Leistungsort bei der Vermietung an Nichtunternehmer nach § 3a Abs. 1 oder § 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 UStG und bei der Vermietung an Unternehmer für deren Unternehmen oder an eine einem Unternehmer gleichgestellte juristische Person (siehe Rz. 7) nach § 3a Abs. 2 UStG.

Beispiel:
Ein kanadischer Staatsbürger tritt eine private Europareise in München an und mietet ein Kraftfahrzeug bei einem Unternehmer mit Sitz in München für vier Monate. Das Fahrzeug soll sowohl im Inland als auch im Ausland genutzt werden.

Es handelt sich nicht um eine kurzfristige Vermietung. Der Leistungsort ist deshalb nach § 3a Abs. 1 UStG zu bestimmen. Die Vermietung des Kraftfahrzeugs durch einen im Inland ansässigen Unternehmer ist insgesamt im Inland steuerbar, auch wenn das vermietete Beförderungsmittel während der Vermietung im Ausland genutzt wird.

 

5. Ort der Tätigkeit (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG)

39

(1) Die Regelung des § 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG gilt nur für sonstige Leistungen, die in einem positiven Tun bestehen. Bei diesen Leistungen bestimmt sich der Leistungsort nach dem Ort, an dem die sonstige Leistung tatsächlich bewirkt wird (vgl. EuGH-Urteil vom 9. 3. 2006, C-114/05, EuGHE I S. 2427). Der Ort, an dem der Erfolg eintritt oder die sonstige Leistung sich auswirkt, ist ohne Bedeutung (BFH-Urteil vom 4. 4. 1974, V R 161/72, BStBl II S. 532). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, wo der Unternehmer, z. B. Künstler, im Rahmen seiner Gesamttätigkeit überwiegend tätig wird; vielmehr ist der jeweilige Umsatz zu betrachten. Es ist nicht erforderlich, dass der Unternehmer im Rahmen einer Veranstaltung tätig wird.

 

Leistungen nach §3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG

40

(2) § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG gilt sowohl für sonstige Leistungen an Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) als auch an Unternehmer und diesen gleichgestellte juristische Personen (siehe Rz. 7).

41

(3) Leistungen, die im Zusammenhang mit Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG unerlässlich sind, werden an dem Ort erbracht, an dem diese Leistungen tatsächlich bewirkt werden. Hierzu können auch tontechnische Leistungen im Zusammenhang mit künstlerischen oder unterhaltenden Leistungen gehören (EuGH-Urteil vom 26. 9. 1996, C-327/94, EuGHE I 1996 S. 4595, BStBl 1998 II S. 313).

42

(4) Bei in § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG aufgeführten Leistungen – insbesondere den künstlerischen und wissenschaftlichen Leistungen – ist zu beachten, dass sich im Falle der Übertragung von Nutzungsrechten an Urheberrechten und ähnlichen Rechten (vgl. hierzu Rz. 60 und 61 sowie Abschnitt 168 UStR) der Leistungsort nicht nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG richtet. Der Leistungsort bestimmt sich nach § 3a Abs. 2 UStG, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder eine einem Unternehmer gleichgestellte juristische Person ist (vgl. Rz. 7 bis 23). Ist in derartigen Fällen der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer, richtet sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 1 UStG (vgl. Rz. 1 bis 6) oder nach § 3a Abs. 4 Sätze 1 und 2 Nr. 1 UStG (vgl. Rz. 60 und 61).

Beispiel:
Ein Sänger gibt auf Grund eines Vertrags mit einer Konzertagentur ein Konzert im Inland. Auf Grund eines anderen Vertrags mit dem Sänger zeichnet eine ausländische Schallplattengesellschaft das Konzert auf.

Der Ort der Leistung für das Konzert befindet sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG im Inland, da es sich um eine künstlerische Leistung handelt. Mit der Aufzeichnung des Konzerts für eine Schallplattenproduktion überträgt der Sänger Nutzungsrechte an seinem Urheberrecht (vgl. BFH-Urteil vom 22. 3. 1979, V R 128/70, BStBl II S. 598). Für den Ort dieser Leistung ist § 3a Abs. 2 UStG maßgeblich.

43

(5) Die Frage, ob bei einem wissenschaftlichen Gutachten eine wissenschaftliche Leistung nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG oder eine Beratungsleistung vorliegt, ist nach dem Zweck zu beurteilen, den der Auftraggeber mit dem von ihm bestellten Gutachten verfolgt. Eine wissenschaftliche Leistung im Sinne des § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG setzt voraus, dass das erstellte Gutachten nicht auf Beratung des Auftraggebers gerichtet ist; dies ist der Fall, wenn das Gutachten nach seinem Zweck keine konkrete Entscheidungshilfe für den Auftraggeber darstellt. Soll das Gutachten dem Auftraggeber dagegen als Entscheidungshilfe für die Lösung konkreter technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Fragen dienen, liegt eine Beratungsleistung vor. Der Leistungsort bestimmt sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Satz 1 UStG.

Beispiel 1:
Ein Hochschullehrer hält im Auftrag eines Verbandes auf einem Fachkongress einer juristischen Person des öffentlichen Rechts einen Vortrag. Inhalt des Vortrags ist die Mitteilung und Erläuterung der von ihm auf seinem Forschungsgebiet, z. B. Maschinenbau, gefundenen Ergebnisse. Zugleich händigt der Hochschullehrer allen Teilnehmern ein Manuskript seines Vortrags aus. Vortrag und Manuskript haben nach Inhalt und Form den Charakter eines wissenschaftlichen Gutachtens. Sie sollen allen Teilnehmern des Fachkongresses zur Erweiterung ihrer beruflichen Kenntnisse dienen. Der Leistungsort bestimmt sich nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG.

Beispiel 2:
Ein Wirtschaftsforschungsunternehmen erhält von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, die nicht unternehmerisch tätig und der keine USt-IdNr. erteilt worden ist, den Auftrag, in Form eines Gutachtens Struktur- und Standortanalysen für die Errichtung von Gewerbebetrieben zu erstellen.

Auch wenn das Gutachten nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden ist, handelt es sich um eine Beratung, da das Gutachten zur Lösung konkreter wirtschaftlicher Fragen verwendet werden soll. Der Leistungsort bestimmt sich nach § 3a Abs. 1 UStG.

44

(6) Eine sonstige Leistung, die darin besteht, der Allgemeinheit gegen Entgelt die Benutzung von Geldspielautomaten zu ermöglichen, die in Spielhallen aufgestellt sind, ist als unterhaltende oder ähnliche Tätigkeit nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG anzusehen (vgl. EuGH-Urteil vom 12. 5. 2005, C-452/03, EuGHE I S. 3947). Für die Benutzung von Geldspielautomaten außerhalb von Spielhallen richtet sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 1 UStG (vgl. EuGH-Urteil vom 4. 7. 1985, 168/84, EuGHE S. 2251).

45

Zum Ort der sonstigen Leistung bei Messen und Ausstellungen vgl. Rz. 51 bis 56.

 

Leistungen nach § 3a Abs 3 Nr. 3 Buchstabe b UStG

46

(7) § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe b UStG gilt sowohl für sonstige Leistungen an Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) als auch an Unternehmer und diesen gleichgestellte juristische Personen (siehe Rz. 7).

47

(8) Bei der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistung) richtet sich der Leistungsort nach dem Ort, an dem diese Leistung tatsächlich erbracht wird (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe b UStG). Die Restaurationsleistung muss aber als sonstige Leistung anzusehen sein; zur Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung bei der Abgabe von Speisen und Getränken wird auf das BMF-Schreiben vom 16. 10. 2008 (BStBl I S. 949) verwiesen. Die Ortsregelung gilt nicht für Restaurationsleistungen an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn während einer Beförderung im Inland oder im übrigen Gemeinschaftsgebiet. In diesen Fällen bestimmt sich der Leistungsort nach § 3e UStG (vgl. Rz. 138).

 

Leistungen nach § 3a Abs 3 Nr. 3 Buchstabe c UStG

48

(9) Bei Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und bei der Begutachtung dieser Gegenstände für Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) bestimmt sich der Leistungsort nach dem Ort, an dem der Unternehmer tatsächlich die Leistung ausführt (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c UStG). Ist der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder eine gleichgestellte juristische Person (siehe Rz. 7), richtet sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG (vgl. Rz. 7 bis 23).

49

(10) Als Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen sind insbesondere Werkleistungen (§ 3 Abs. 10 UStG) in Gestalt der Bearbeitung oder Verarbeitung von beweglichen körperlichen Gegenständen anzusehen. Hierzu ist grundsätzlich eine Veränderung des beweglichen Gegenstandes erforderlich. Wartungsleistungen an Anlagen, Maschinen und Kraftfahrzeugen können als Werkleistungen angesehen werden. Verwendet der Unternehmer bei der Be- oder Verarbeitung eines Gegenstandes selbstbeschaffte Stoffe, die nicht nur Zutaten oder sonstige Nebensachen sind, ist keine Werkleistung, sondern eine Werklieferung gegeben (§ 3 Abs. 4 UStG). Baut der leistende Unternehmer die ihm vom Leistungsempfänger sämtlich zur Verfügung gestellten Teile einer Maschine nur zusammen und wird die zusammengebaute Maschine nicht Bestandteil eines Grundstücks, bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c UStG (vgl. Artikel 3 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005, ABl. EU 2005 Nr. L 288 S. 1), wenn der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer ist.

50

(11) Bei der Begutachtung beweglicher körperlicher Gegenstände durch Sachverständige hat § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c UStG Vorrang vor § 3a Abs. 4 Satz 1 und 2 Nr. 3 UStG. Wegen der Leistungen von Handelschemikern vgl. Rz. 71 Satz 3.

 

6. Ort der sonstigen Leistung bei Messen und Ausstellungen

Sonstige Leistungen der Veranstalter von Messen und Ausstellungen an die Aussteller

51

(1) Bei der Überlassung von Standflächen auf Messen und Ausstellungen durch die Veranstalter an die Aussteller handelt es sich um sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück. Diese Leistungen werden im Rahmen eines Vertrages besonderer Art (vgl. Abschnitt 81 Abs. 2 Nr. 1 UStR) dort ausgeführt, wo die Standflächen liegen (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG). Dies gilt entsprechend für folgende Leistungen der Veranstalter an die Aussteller:

  1. Überlassung von Räumen und ihren Einrichtungen auf dem Messegelände für Informationsveranstaltungen einschließlich der üblichen Nebenleistungen;
  2. Überlassung von Parkplätzen auf dem Messegelände.
Als Messegelände sind auch örtlich getrennte Kongresszentren anzusehen. Übliche Nebenleistungen sind z. B. die Überlassung von Mikrofonanlagen und Simultandolmetscheranlagen sowie Bestuhlungsdienste, Garderobendienste und Hinweisdienste.

52

(2) In der Regel erbringen die Veranstalter neben der Überlassung von Standflächen usw. eine Reihe weiterer Leistungen an die Aussteller. Es kann sich insbesondere um folgende sonstige Leistungen der Veranstalter handeln:

  1. Technische Versorgung der überlassenen Stände. Hierzu gehören z. B.
    • a) Herstellung der Anschlüsse für Strom, Gas, Wasser, Wärme, Druckluft, Telefon, Telex, Internetzugang und Lautsprecheranlagen,
    • b) die Abgabe von Energie, z. B. Strom, Gas, Wasser und Druckluft, wenn diese Leistungen umsatzsteuerrechtlich Nebenleistungen zur Hauptleistung der Überlassung der Standflächen darstellen;
  2. Planung, Gestaltung sowie Aufbau, Umbau und Abbau von Ständen. Unter die „Planung“ fallen insbesondere Architektenleistungen, z. B. Anfertigung des Entwurfs für einen Stand. Zur „Gestaltung“ zählt z. B. die Leistung eines Gartengestalters oder eines Beleuchtungsfachmannes;
  3. Überlassung von Standbauteilen und Einrichtungsgegenständen, einschließlich Miet-System-Ständen;
  4. Standbetreuung und Standbewachung;
  5. Reinigung von Ständen;
  6. Überlassung von Garderoben und Schließfächern auf dem Messegelände;
  7. Überlassung von Eintrittsausweisen einschließlich Eintrittskarten;
  8. Überlassung von Telefonapparaten, Telefaxgeräten und sonstigen Kommunikationsmitteln zur Nutzung durch die Aussteller;
  9. Überlassung von Informationssystemen, z. B. von Bildschirmgeräten oder Lautsprecheranlagen, mit deren Hilfe die Besucher der Messen und Ausstellungen unterrichtet werden sollen;
  10. Schreibdienste und ähnliche sonstige Leistungen auf dem Messegelände;
  11. Beförderung und Lagerung von Ausstellungsgegenständen wie Exponaten und Standausrüstungen;
  12. Übersetzungsdienste;
  13. Eintragungen in Messekatalogen, Aufnahme von Werbeanzeigen usw. in Messekatalogen, Zeitungen, Zeitschriften usw., Anbringen von Werbeplakaten, Verteilung von Werbeprospekten und ähnliche Werbemaßnahmen.
Handelt es sich um eine einheitliche Leistung (vgl. Abschnitt 29 UStR), ist diese sonstige Leistung als ähnliche Tätigkeit nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG anzusehen (vgl. EuGH-Urteil vom 9. 3. 2006, C-114/05, EuGHE I S. 2427).

53

(3) Werden die in Rz 52 Satz 2 bezeichneten sonstigen Leistungen als selbständige Leistungen einzeln erbracht, gilt Folgendes:

  1. Die in Rz. 52 Satz 2 Nr. 1 bis 7 bezeichneten Leistungen fallen unter § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG. Wegen der sonstigen Leistungen, die die Planung und den Aufbau eines Messestandes betreffen, vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 24. 11. 1994, V R 30/92, BStBl 1995 II S. 151.
  2. Der Leistungsort der in Rz. 52 Satz 2 Nr. 8 bezeichneten Telekommunikationsleistungen richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Sätze 1 und 2 Nr. 11 UStG.
  3. Der Leistungsort der in Rz. 52 Satz 2 Nr. 9 und 10 bezeichneten sonstigen Leistungen richtet sich nach § 3a Abs. 1 oder 2 UStG.
  4. Der Leistungsort der in Rz. 52 Satz 2 Nr. 11 bezeichneten Beförderungsleistungen richtet sich nach § 3a Abs. 2, § 3b Abs. 1 oder 3 UStG.
  5. Der Leistungsort der in Rz. 52 Satz 2 Nr. 11 bezeichneten Lagerung von Ausstellungsgegenständen richtet sich nach § 3a Abs. 2 oder § 3b Abs. 2 UStG.
  6. Der Leistungsort der in Rz. 52 Satz 2 Nr. 12 bezeichneten Übersetzungsleistungen richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Sätze 1 und 2 Nr. 3 UStG.
  7. Der Leistungsort der in Rz. 52 Satz 2 Nr. 13 bezeichneten Werbeleistungen richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Sätze 1 und 2 Nr. 2 UStG.

 

Sonstige Leistungen ausländischer Durchführungsgesellschaften

54

(4) Im Rahmen von Messen und Ausstellungen werden auch Gemeinschaftsausstellungen durchgeführt, z. B. von Ausstellern, die in demselben ausländischen Staat ansässig sind. Vielfach ist in diesen Fällen zwischen dem Veranstalter und den Ausstellern ein Unternehmen eingeschaltet, das im eigenen Namen die Gemeinschaftsausstellung organisiert (sog. Durchführungsgesellschaft). In diesen Fällen erbringt der Veranstalter die in den Rz. 48 und 49 bezeichneten sonstigen Leistungen an die zwischengeschaltete Durchführungsgesellschaft. Diese erbringt die sonstigen Leistungen an die an der Gemeinschaftsausstellung beteiligten Aussteller. Für die umsatzsteuerliche Behandlung der Leistungen der Durchführungsgesellschaft gelten die Ausführungen in den Rz. 51 bis 53 entsprechend. Zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Leistungen im Ausland ansässiger Durchführungsgesellschaften vgl. Abschnitt 182a Abs. 27 UStR.

55

(5) Einige ausländische Staaten beauftragen mit der Organisation von Gemeinschaftsausstellungen keine Durchführungsgesellschaft, sondern eine staatliche Stelle, z. B. ein Ministerium. Im Inland werden die ausländischen staatlichen Stellen vielfach von den Botschaften oder Konsulaten der betreffenden ausländischen Staaten vertreten. Im Übrigen werden Gemeinschaftsausstellungen entsprechend den Ausführungen in Rz. 54 durchgeführt. Hierbei erheben die ausländischen staatlichen Stellen von den einzelnen Ausstellern ihres Landes Entgelte, die sich in der Regel nach der beanspruchten Ausstellungsfläche richten. Bei dieser Gestaltung sind die ausländischen staatlichen Stellen als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG anzusehen. Die Ausführungen in Rz. 51 gelten deshalb für die ausländischen staatlichen Stellen entsprechend.

 

Sonstige Leistungen anderer Unternehmer

56

(6) Erbringen andere Unternehmer als die Veranstalter einzelne der in Rz. 52 bezeichneten sonstigen Leistungen an die Aussteller oder an Durchführungsgesellschaften, gilt Rz. 53 entsprechend.

 

7. Ort der Vermittlungsleistung (§ 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG)

57

(1) Der Leistungsort einer Vermittlungsleistung bestimmt sich nur bei Leistungen an Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) nach § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG. Bei Leistungen an einen Unternehmer oder an eine gleichgestellte juristische Person (siehe Rz. 7) richtet sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG (vgl. Rz. 7 bis 23), bei der Vermittlung von Vermietungen von Grundstücken, Wohnungen, Ferienhäusern und Hotelzimmern nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG.

58

(2) Die Vermittlung einer nicht steuerbaren Leistung zwischen Nichtunternehmern wird an dem Ort erbracht, an dem die vermittelte Leistung ausgeführt wird (vgl. EuGH-Urteil vom 27. 5. 2004, C-68/03, EuGHE I S. 5879).

 

8. Ort der in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG bezeichneten sonstigen Leistungen

59

Bei der Bestimmung des Leistungsorts für die in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG bezeichneten Leistungen sind folgende Fälle zu unterscheiden:

  1. Ist der Empfänger der sonstigen Leistungen ein Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) und hat er seinen Wohnsitz oder Sitz außerhalb des Gemeinschaftsgebiets (vgl. Abschnitt 13a Abs. 1 UStR) wird die sonstige Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger seinen Wohnsitz oder Sitz hat (§ 3a Abs. 4 Satz 1 UStG).
  2. Ist der Empfänger der sonstigen Leistung ein Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) und hat er seinen Wohnsitz oder Sitz innerhalb des Gemeinschaftsgebiets (vgl. Abschnitt 13a Abs. 1 UStR), wird die sonstige Leistung dort ausgeführt, wo der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Insoweit verbleibt es bei der Regelung des § 3a Abs. 1 UStG (vgl. jedoch § 3a Abs. 5 UStG sowie § 3a Abs. 6 UStG und Rz. 107 bis 109).
  3. Ist der Empfänger der sonstigen Leistung ein Unternehmer oder eine einem Unternehmer gleichgestellte juristische Person (siehe Rz. 7), wird die sonstige Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt bzw. die juristische Personihren Sitz hat (§ 3a Abs. 2 UStG; vgl. Rz. 7 bis 23).

 

9. Leistungskatalog des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 bis 10 UStG

Patente, Urheberrechte, Markenrechte

60

(1) Sonstige Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UStG ergeben sich u. a. auf Grund folgender Gesetze:

  1. Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte;
  2. Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten;
  3. Patentgesetz;
  4. Markenrechtsreformgesetz;
  5. Gesetz über das Verlagsrecht;
  6. Gebrauchsmustergesetz.

61

(2) Hinsichtlich der Leistungen auf dem Gebiet des Urheberrechts vgl. Rz. 42. Außerdem sind die Ausführungen in Abschnitt 168 UStR zu beachten. Bei der Auftragsproduktion von Filmen wird auf die Rechtsprechung des BFH zur Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung hingewiesen (BFH-Urteil vom 19. 2. 1976, V R 92/74, BStBl II S. 515). Die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten (vgl. Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005, ABl. EU Nr. L 288 S. 1) und die Freigabe eines Berufsfußballspielers gegen Ablösezahlung sind als ähnliche Rechte im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UStG anzusehen.

 

Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Werbungsmittler, Werbeagenturen

62

(3) Unter dem Begriff „Leistungen, die der Werbung dienen“ im Sinne von § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 UStG sind die Leistungen zu verstehen, die bei den Werbeadressaten den Entschluss zum Erwerb von Gegenständen oder zur Inanspruchnahme von sonstigen Leistungen auslösen sollen (vgl. BFH-Urteil vom 24. 9. 1987, V R 105/77, BStBl 1988 II S. 303). Unter den Begriff fallen auch die Leistungen, die bei den Werbeadressaten ein bestimmtes außerwirtschaftliches, z. B. politisches, soziales, religiöses Verhalten herbeiführen sollen. Es ist nicht erforderlich, dass die Leistungen üblicherweise und ausschließlich der Werbung dienen.

63

(4) Zu den Leistungen, die der Werbung dienen, gehören insbesondere:

  1. die Werbeberatung. Hierbei handelt es sich um die Unterrichtung über die Möglichkeiten der Werbung;
  2. die Werbevorbereitung und die Werbeplanung. Dabei handelt es sich um die Erforschung und Planung der Grundlagen für einen Werbeeinsatz, z. B. die Markterkundung, die Verbraucheranalyse, die Erforschung von Konsumgewohnheiten, die Entwicklung einer Marktstrategie und die Entwicklung von Werbekonzeptionen;
  3. die Werbegestaltung. Hierzu zählen die graphische Arbeit, die Abfassung von Werbetexten und die vorbereitenden Arbeiten für die Film-, Funk- und Fernsehproduktion;
  4. die Werbemittelherstellung. Hierzu gehört die Herstellung oder Beschaffung der Unterlagen, die für die Werbung notwendig sind, z. B. Reinzeichnungen und Tiefdruckvorlagen für Anzeigen, Prospekte, Plakate usw., Druckstöcke, Bild- und Tonträger, einschließlich der Überwachung der Herstellungsvorgänge;
  5. die Werbemittlung (vgl. Rz. 66). Der Begriff umfasst die Auftragsabwicklung in dem Bereich, in dem die Werbeeinsätze erfolgen sollen, z. B. die Erteilung von Anzeigenaufträgen an die Verleger von Zeitungen, Zeitschriften, Fachblättern und Adressbüchern sowie die Erteilung von Werbeaufträgen an Funk- und Fernsehanstalten und an sonstige Unternehmer, die Werbung durchführen;
  6. die Durchführung von Werbung. Hierzu gehören insbesondere die Aufnahmen von Werbeanzeigen in Zeitungen, Zeitschriften, Fachblättern, auf Bild- und Tonträgern und in Adressbüchern, die sonstige Adresswerbung, z. B. Zusatzeintragungen oder hervorgehobene Eintragungen, die Beiheftung, Beifügung oder Verteilung von Prospekten oder sonstige Formen der Direktwerbung, das Anbringen von Werbeplakaten und Werbetexten an Werbeflächen, Verkehrsmitteln usw., das Abspielen von Werbefilmen in Filmtheatern oder die Ausstrahlung von Werbesendungen im Fernsehen oder Rundfunk.

64

(5) Zeitungsanzeigen von Unternehmern, die Stellenangebote enthalten, ausgenommen Chiffreanzeigen, und sog. Finanzanzeigen, z. B. Veröffentlichung von Bilanzen, Emissionen, Börsenzulassungsprospekten usw., sind Werbeleistungen. Zeitungsanzeigen von Nichtunternehmern, z. B. Stellengesuche, Stellenangebote von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Familienanzeigen, Kleinanzeigen, sind dagegen als nicht der Werbung dienend anzusehen.

65

(6) Unter Leistungen, die der Öffentlichkeitsarbeit dienen, sind die Leistungen zu verstehen, durch die Verständnis, Wohlwollen und Vertrauen erreicht oder erhalten werden sollen. Es handelt sich hierbei in der Regel um die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Zielsetzungen, Leistungen und die soziale Aufgeschlossenheit staatlicher oder privater Stellen. Die Ausführungen in den Rz. 59 und 60 gelten entsprechend.

66

(7) Werbungsmittler ist, wer Unternehmern, die Werbung für andere durchführen, Werbeaufträge für andere im eigenen Namen und für eigene Rechnung erteilt (vgl. auch Rz. 63 Nr. 5).

67

(8) Eine Werbeagentur ist ein Unternehmer, der neben der Tätigkeit eines Werbungsmittlers weitere Leistungen, die der Werbung dienen, ausführt. Bei den weiteren Leistungen handelt es sich insbesondere um Werbeberatung, Werbeplanung, Werbegestaltung, Beschaffung von Werbemitteln und Überwachung der Werbemittelherstellung (vgl. hierzu Rz. 63 Nr. 1 bis 4).

 

Beratungs- und Ingenieurleistungen

68

(9) § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG ist z. B. bei folgenden sonstigen Leistungen anzuwenden, wenn sie Hauptleistungen sind: Rechts-, Steuer- und Wirtschaftsberatung; hierzu gehören auch sonstige Leistungen, die im Zusammenhang mit der Beantragung oder Vereinnahmung der Steuer im Vorsteuer-Vergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG) stehen (vgl. Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005, ABl. EU Nr. L 288 S. 1). Nicht unter § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG fallen Beratungsleistungen, wenn die Beratung nach den allgemeinen Grundsätzen des Umsatzsteuerrechts nur als Nebenleistung, z. B. zu einer Werklieferung, zu beurteilen ist.

69

(10) Bei Rechtsanwälten, Patentanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern fallen alle berufstypischen Leistungen unter § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG. Zur Beratungstätigkeit gehören daher z. B. bei einem Rechtsanwalt die Prozessführung, bei einem Wirtschaftsprüfer auch die im Rahmen von Abschlussprüfungen erbrachten Leistungen. Keine berufstypische Leistung eines Rechtsanwaltes oder Steuerberaters ist die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker oder Nachlasspfleger (vgl. BFH-Urteil vom 3. 4. 2008, V R 62/05, BStBl II S. 900).

70

(11) § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG erfasst auch die selbständigen Beratungsleistungen der Notare. Sie erbringen jedoch nur dann selbständige Beratungsleistungen, wenn die Beratungen nicht im Zusammenhang mit einer Beurkundung stehen. Das sind insbesondere die Fälle, in denen sich die Tätigkeit der Notare auf die Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege, insbesondere die Anfertigung von Urkundsentwürfen und die Beratung der Beteiligten beschränkt (vgl. § 24 BNotO und §§ 145 und 147 Abs. 2 KostO).

71

(12) Unter § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG fallen auch die Beratungsleistungen von Sachverständigen. Hierzu gehören z. B. die Anfertigung von rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gutachten, soweit letztere nicht in engem Zusammenhang mit einem Grundstück (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG und Rz. 30) oder mit beweglichen Gegenständen (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe c UStG und Rz. 50) stehen, sowie die Aufstellung von Finanzierungsplänen, die Auswahl von Herstellungsverfahren und die Prüfung ihrer Wirtschaftlichkeit. Leistungen von Handelschemikern sind als Beratungsleistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG zu beurteilen, wenn sie Auftraggeber neben der chemischen Analyse von Warenproben insbesondere über Kennzeichnungsfragen beraten.

72

(13) Ingenieurleistungen sind alle sonstigen Leistungen, die zum Berufsbild eines Ingenieurs gehören, also nicht nur beratende Tätigkeiten. Es ist nicht erforderlich, dass der leistende Unternehmer Ingenieur ist. Nicht hierzu zählen Ingenieurleistungen in engem Zusammenhang mit einem Grundstück (vgl. Rz. 26 und 31). Die Anpassung von Software an die besonderen Bedürfnisse des Abnehmers gehört zu den sonstigen Leistungen, die von Ingenieuren erbracht werden, oder zu denen, die Ingenieurleistungen ähnlich sind (vgl. EuGH-Urteil vom 27. 10. 2005, C-41/04, EuGHE I S. 9433).

73

(14) Zu den unter § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG fallenden sonstigen Leistungen der Übersetzer gehören auch die Übersetzungen von Texten (vgl. Artikel 6 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005, ABl. EU Nr. L 288 S. 1), soweit es sich nicht um urheberrechtlich geschützte Übersetzungen handelt (vgl. auch Abschnitt 168 Abs. 12 UStR).

 

Datenverarbeitung

74

(15) Unter Datenverarbeitung im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 UStG ist die manuelle, mechanische oder elektronische Speicherung, Umwandlung, Verknüpfung und Verarbeitung von Daten zu verstehen. Hierzu gehören insbesondere die Automatisierung von gleichförmig wiederholbaren Abläufen, die Sammlung, Aufbereitung, Organisation, Speicherung und Wiedergewinnung von Informationsmengen sowie die Verknüpfung von Datenmengen oder Datenstrukturen mit der Verarbeitung dieser Informationen auf Grund computerorientierter Verfahren. Die Erstellung von Datenverarbeitungsprogrammen (Software) ist keine Datenverarbeitung im Sinne von § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 UStG (vgl. aber Rz. 89 bis 94).

 

Überlassung von Informationen

75

(16) § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 UStG behandelt die Überlassung von Informationen einschließlich gewerblicher Verfahren und Erfahrungen, soweit diese sonstigen Leistungen nicht bereits unter § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1, 3 und 4 UStG fallen. Gewerbliche Verfahren und Erfahrungen können im Rahmen der laufenden Produktion oder der laufenden Handelsgeschäfte gesammelt werden und daher bei einer Auftragserteilung bereits vorliegen, z. B. Überlassung von Betriebsvorschriften, Unterrichtung über Fabrikationsverbesserungen, Unterweisung von Arbeitern des Auftraggebers im Betrieb des Unternehmers. Gewerbliche Verfahren und Erfahrungen können auch auf Grund besonderer Auftragsforschung gewonnen werden, z. B. Analysen für chemische Produkte, Methoden der Stahlgewinnung, Formeln für die Automation. Es ist ohne Belang, in welcher Weise die Verfahren und Erfahrungen übermittelt werden, z. B. durch Vortrag, Zeichnungen, Gutachten oder durch Übergabe von Mustern und Prototypen. Unter die Vorschrift fällt die Überlassung aller Erkenntnisse, die ihrer Art nach geeignet sind, technisch oder wirtschaftlich verwendet zu werden. Dies gilt z.B. auch für die Überlassung von Know-how und von Ergebnissen einer Meinungsumfrage auf dem Gebiet der Marktforschung (vgl. BFH-Urteil vom 22. 11. 1973, V R 164/72, BStBl 1974 II S. 259) sowie für die Überlassung von Informationen durch Journalisten oder Pressedienste, soweit es sich nicht um die Überlassung urheberrechtlich geschützter Rechte handelt (vgl. Abschnitt 168 Abs. 9 bis 11 UStR). Bei den sonstigen Leistungen der Detektive handelt es sich um Überlassungen von Informationen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 UStG. Dagegen stellt die Unterrichtung des Erben über den Erbfall durch einen Erbenermittler keine Überlassung von Informationen dar (vgl. BFH-Urteil vom 3. 4. 2008, V R 62/05, BStBl II S. 900).

 

Finanzumsätze

76

(17) Wegen der sonstigen Leistungen, die in § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h und Nr. 10 UStG bezeichnet sind, vgl. Abschnitte 57 bis 69 und Abschnitte 73 und 74 UStR. Die Verweisung auf § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h und Nr. 10 UStG in § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 Buchstabe a UStG erfasst auch die dort als nicht steuerfrei bezeichneten Leistungen.

 

Edelmetallumsätze

77

(18) Zu den sonstigen Leistungen im Geschäft mit Platin nach § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 Buchstabe b UStG gehört auch der börsenmäßige Handel mit Platinmetallen (Palladium, Rhodium, Iridium, Osmium, Ruthenium). Dies gilt jedoch nicht für Geschäfte mit Platinmetallen, bei denen die Versorgungsfunktion der Verarbeitungsunternehmen im Vordergrund steht. Hierbei handelt es sich um Warengeschäfte.

 

10. Sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG

78

(1) Als sonstige Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG sind die Leistungen anzusehen, mit denen die Übertragung, die Ausstrahlung oder der Empfang von Signalen, Schrift, Bild und Ton oder Informationen jeglicher Art über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Medien ermöglicht und gewährleistet werden, einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Abtretung und Einräumung von Nutzungsrechten an Einrichtungen zur Übertragung, zur Ausstrahlung oder zum Empfang. Der Ort dieser Telekommunikationsleistungen bestimmt sich nach § 3a Abs. 4 Satz 1 UStG, wenn der Leistungsempfänger weder ein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine einem Unternehmer gleichgestellte juristische Person (siehe Rz. 7) ist und er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet hat (vgl. hierzu Rz. 56 Nr. 1). Für den per Telekommunikation übertragenen Inhalt bestimmt sich der Ort der sonstigen Leistung grundsätzlich nach der Art der Leistung (vgl. auch Rz. 81). Hierbei ist der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung zu beachten (vgl. hierzu Abschnitt 29 UStR).

79

(2) Zu den sonstigen Leistungen im Sinne der Rz. 78 gehören insbesondere:

  1. Die Übertragung von Signalen, Schrift, Bild, Ton, Sprache oder Informationen jeglicher Art
    • a) via Festnetz,
    • b) via Mobilfunk,
    • c) via Satellitenkommunikation,
    • d) via Internet.
      Hierzu gehören auch Videoübertragungen und Schaltungen von Videokonferenzen;
  2. die Bereitstellung von Leitungskapazitäten oder Frequenzen im Zusammenhang mit der Einräumung von Übertragungskapazitäten
    • a) im Festnetz,
    • b) im Mobilfunknetz,
    • c) in der Satellitenkommunikation,
    • d) im Rundfunk- und Fernsehnetz,
    • e) beim Kabelfernsehen.
      Dazu gehören auch Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Einräumung von Übertragungskapazitäten zur Sicherung der Betriebsbereitschaft durch Fernüberwachung oder Vor-Ort-Service;
  3. die Verschaffung von Zugangsberechtigungen zu
    • a) den Festnetzen,
    • b) den Mobilfunknetzen,
    • c) der Satellitenkommunikation,
    • d) dem Internet,
    • e) dem Kabelfernsehen.
      Hierzu gehört auch die Überlassung von sog. „Calling-Cards“, bei denen die Telefongespräche, unabhängig von welchem Apparat sie geführt werden, über die Telefonrechnung für den Anschluss im Heimatland abgerechnet werden;
  4. die Vermietung und das zur Verfügung stellen von Telekommunikationsanlagen im Zusammenhang mit der Einräumung von Nutzungsmöglichkeiten der verschiedenen Übertragungskapazitäten. Dagegen handelt es sich bei der Vermietung von Telekommunikationsanlagen ohne Einräumung von Nutzungsmöglichkeiten von Übertragungskapazitäten um die Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 10 UStG;
  5. die Einrichtung von „voice-mail-box-Systemen“.

80

(3) Von den Telekommunikationsleistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG sind u. a. die über globale Informationsnetze (z. B. Online-Dienste, Internet) entgeltlich angebotenen Inhalte der übertragenen Leistungen zu unterscheiden. Hierbei handelt es sich um gesondert zu beurteilende selbständige Leistungen, deren Art für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung maßgebend ist.

81

(4) Nicht zu den Telekommunikationsleistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG gehören insbesondere:

  1. Angebote im Bereich Onlinebanking, Datenaustausch;
  2. Angebote zur Information (Datendienste, z. B. Verkehrs-, Wetter-, Umwelt- und Börsendaten, Verbreitung von Informationen über Waren und Dienstleistungsangebote);
  3. Angebote zur Nutzung des Internets oder weiterer Netze (z. B. Navigationshilfen);
  4. Angebote zur Nutzung von Onlinespielen;
  5. Angebote von Waren und Dienstleistungen in elektronisch abrufbaren Datenbanken mit interaktivem Zugriff und unmittelbarer Bestellmöglichkeit.
Der Inhalt dieser Leistungen kann z. B. in der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von bestimmten Rechten (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UStG), in der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 UStG), in der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Beratung (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG), in der Datenverarbeitung (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 UStG), in der Überlassung von Informationen (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 5 UStG) oder in einer auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 13 UStG) bestehen.

82

(5) Die Anbieter globaler Informationsnetze (sog. Online-Anbieter) erbringen häufig ein Bündel sonstiger Leistungen an ihre Abnehmer. Zu den sonstigen Leistungen der Online- Anbieter auf dem Gebiet der Telekommunikation im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG gehören insbesondere:

  1. Die Einräumung des Zugangs zum Internet;
  2. die Ermöglichung des Bewegens im Internet;
  3. die Übertragung elektronischer Post (E-Mail) einschließlich der Zeit, die der Anwender zur Abfassung und Entgegennahme dieser Nachrichten benötigt, sowie die Einrichtung einer Mailbox.

83

(6) Die Leistungen der Online-Anbieter sind wie folgt zu beurteilen:

  1. Grundsätzlich ist jede einzelne sonstige Leistung gesondert zu beurteilen.
  2. Besteht die vom Online-Anbieter als sog. „Zugangs-Anbieter“ erbrachte sonstige Leistung allerdings vornehmlich darin, dem Abnehmer den Zugang zum Internet oder das Bewegen im Internet zu ermöglichen (Telekommunikationsleistung im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG), handelt es sich bei daneben erbrachten sonstigen Leistungen zwar nicht um Telekommunikationsleistungen. Sie sind jedoch Nebenleistungen, die das Schicksal der Hauptleistung teilen.

    Beispiel:
    Der Zugangs-Anbieter Z ermöglicht dem Abnehmer A entgeltlich den Zugang zum Internet, ohne eigene Dienste anzubieten. Es wird lediglich eine Anwenderunterstützung (Navigationshilfe) zum Bewegen im Internet angeboten.

    Die Leistung des Z ist insgesamt eine Telekommunikationsleistung im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG.

  3. Erbringt der Online-Anbieter dagegen als Zugangs- und sog. Inhalts-Anbieter („Misch-Anbieter“) neben den Telekommunikationsleistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG weitere sonstige Leistungen, die nicht als Nebenleistungen zu den Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation anzusehen sind, handelt es sich insoweit um selbständige Hauptleistungen, die gesondert zu beurteilen sind.

    Beispiel:
    Der Misch-Anbieter M bietet die entgeltliche Nutzung eines Online-Dienstes an. Der Anwender B hat die Möglichkeit, neben dem Online-Dienst auch die Zugangsmöglichkeit für das Internet zu nutzen. Neben der Zugangsberechtigung zum Internet werden Leistungen im Bereich des Datenaustausches angeboten.

    Bei den Leistungen des M handelt es sich um selbständige Hauptleistungen, die gesondert zu beurteilen sind.

84

(7) Wird vom Misch-Anbieter für die selbständigen Leistungen jeweils ein gesondertes Entgelt erhoben, ist es den jeweiligen Leistungen zuzuordnen. Wird ein einheitliches Entgelt entrichtet, ist es grundsätzlich auf die jeweils damit vergüteten Leistungen aufzuteilen. Eine Aufteilung des Gesamtentgelts ist allerdings nicht erforderlich, wenn die sonstigen Leistungen – vorbehaltlich der Regelung nach § 3a Abs. 3 UStG – insgesamt am Sitz des Leistungsempfängers (§ 3a Abs. 2 oder Abs. 4 Satz 1 UStG) oder am Sitz des leistenden Unternehmers ausgeführt werden (§ 3a Abs. 1 UStG). Eine Aufteilung kann allerdings erforderlich sein, wenn die erbrachten Leistungen ganz oder teilweise dem ermäßigten Steuersatz unterliegen oder steuerfrei sind.

Beispiel 1:
Der Privatmann C mit Sitz in Los Angeles zahlt an den Misch-Anbieter M mit Sitz in München ein monatliches Gesamtentgelt. C nutzt zum einen den Zugang zum Internet und zum anderen die von M im Online-Dienst angebotene Leistung, sich über Waren und Dienstleistungsangebote zu informieren. Sämtliche Leistungen unterliegen dem allgemeinen Steuersatz.

Die Nutzung des Zugangs zum Internet ist eine Telekommunikationsleistung im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG. Dagegen ist die Information über Waren und Dienstleistungsangebote eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 13 UStG. Eine Aufteilung des Gesamtentgelts ist nicht erforderlich, da die sonstigen Leistungen insgesamt in Los Angeles erbracht werden (§ 3a Abs. 4 Satz 1 UStG).

Beispiel 2:
Der Privatmann F mit Wohnsitz in Paris zahlt an den Misch-Anbieter M mit Sitz in Hamburg ein monatliches Gesamtentgelt. F nutzt zum einen den Zugang zum Internet und zum anderen die von M im Online-Dienst angebotene Leistung, sich über Börsendaten zu informieren.

Die Nutzung des Zugangs zum Internet ist eine Telekommunikationsleistung im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG. Dagegen ist die Information über Börsendaten eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 13 UStG. Eine Aufteilung des Gesamtentgelts ist nicht erforderlich. Die sonstigen Leistungen werden insgesamt am Sitz des Misch-Anbieters M in Hamburg ausgeführt (§ 3a Abs. 1 UStG).

85

(8) Ist ein einheitlich entrichtetes Gesamtentgelt aufzuteilen, kann die Aufteilung im Schätzungswege vorgenommen werden. Das Aufteilungsverhältnis der Telekommunikations- leistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG und der übrigen sonstigen Leistungen bestimmt sich nach den Nutzungszeiten für die Inanspruchnahme der einzelnen sonstigen Leistungen durch die Anwender. Das Finanzamt kann gestatten, dass ein anderer Aufteilungsmaßstab verwendet wird, wenn dieser Aufteilungsmaßstab nicht zu einem unzutreffenden Ergebnis führt.

Beispiel:
Der Misch-Anbieter M führt in den Voranmeldungszeiträumen Januar bis März sowohl Telekommunikationsleistungen als auch andere sonstige Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 UStG aus, für die er ein einheitliches Gesamtentgelt vereinnahmt hat.

Das Gesamtentgelt kann entsprechend dem Verhältnis der jeweils genutzten Einzelleistungen zur gesamten Anwendernutzzeit aufgeteilt werden.

 

11. Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 12 UStG

86

(1) Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sind Rundfunk- und Fernsehprogramme, die über Kabel, Antenne oder Satellit verbreitet werden. Dies gilt auch dann, wenn die Verbreitung gleichzeitig über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz erfolgt. Der Ort dieser Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen bestimmt sich nach § 3a Abs. 4 Satz 1 UStG, wenn der Leistungsempfänger weder ein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine einem Unternehmer gleichgestellte juristische Person (siehe Rz. 7) ist und er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet hat (vgl. hierzu Rz. 59 Nr. 1).

87

(2) Ein Rundfunk- und Fernsehprogramm, das nur über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz verbreitet wird, gilt dagegen als auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 13 UStG). Die Bereitstellung von Sendungen und Veranstaltungen aus den Bereichen Politik, Kultur, Kunst, Sport, Wissenschaft und Unterhaltung ist ebenfalls eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung. Hierunter fällt der Web-Rundfunk, der ausschließlich über das Internet oder ähnliche elektronische Netze und nicht gleichzeitig über Kabel, Antenne oder Satellit verbreitet wird.

88

(3) Zum Leistungsort bei sonstigen Leistungen inländischer und ausländischer Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts untereinander vgl. Rz. 19.

 

12. Auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 13 UStG

Anwendungsbereich

89

(1) Eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 13 UStG ist eine Leistung, die über das Internet oder ein elektronisches Netz, einschließlich Netze zur Übermittlung digitaler Inhalte, erbracht wird und deren Erbringung auf Grund der Merkmale der sonstigen Leistung in hohem Maße auf Informationstechnologie angewiesen ist; d.h. die Leistung ist im Wesentlichen automatisiert, wird nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erbracht und wäre ohne Informationstechnologie nicht möglich (vgl. Artikel 11 und 12 sowie Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005, ABl. EU Nr. L 288 S. 1). Der Ort der auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen bestimmt sich nach § 3a Abs. 4 Satz 1 UStG, wenn der Leistungsempfänger weder ein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine einem Unternehmer gleichgestellte juristische Person (siehe Rz. 7) ist und er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet hat (vgl. hierzu Rz. 59 Nr. 1); hat der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet und wird die Leistung von einem Unternehmer erbracht, der im Drittlandsgebiet ansässig ist oder die Leistung tatsächlich von einer im Drittlandsgebiet ansässigen Betriebsstätte erbringt, bestimmt sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 5 UStG.

90

(2) Auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen umfassen im Wesentlichen:

  1. Digitale Produkte, wie z. B. Software und zugehörige Änderungen oder Updates;
  2. Dienste, die in elektronischen Netzen eine Präsenz zu geschäftlichen oder persönlichen Zwecken vermitteln oder unterstützen (z. B. Website, Webpage);
  3. von einem Computer automatisch generierte Dienstleistungen über das Internet oder ein elektronisches Netz auf der Grundlage spezifischer Dateneingabe des Leistungsempfängers;
  4. sonstige automatisierte Dienstleistungen, für deren Erbringung das Internet oder ein elektronisches Netz erforderlich ist (z. B. Dienstleistungen, die von Online-Markt-Anbietern erbracht und die z. B. über Provisionen und andere Entgelte für erfolgreiche Vermittlungen abgerechnet werden).

91

(3) Auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen sind insbesondere:

  1. Bereitstellung von Websites, Webhosting, Fernwartung von Programmen und Ausrüstungen.
    Hierzu gehören z. B. die automatisierte Online-Fernwartung von Programmen, die Fernverwaltung von Systemen, das Online-Data-Warehousing (Datenspeicherung und - abruf auf elektronischem Weg), Online-Bereitstellung von Speicherplatz nach Bedarf;
  2. Bereitstellung von Software und deren Aktualisierung.
    Hierzu gehört z. B. die Gewährung des Zugangs zu oder das Herunterladen von Software (wie z. B. Beschaffungs- oder Buchhaltungsprogramme, Software zur Virusbekämpfung) und Updates, Bannerblocker (Software zur Unterdrückung der Anzeige von Webbannern), Herunterladen von Treibern (z. B. Software für Schnittstellen zwischen PC und Peripheriegeräten wie z. B. Drucker), automatisierte Online-Installation von Filtern auf Websites und automatisierte Online-Installation von Firewalls;
  3. Bereitstellung von Bildern, wie z. B. die Gewährung des Zugangs zu oder das Herunterladen von Desktop-Gestaltungen oder von Fotos, Bildern und Bildschirmschonern;
  4. Bereitstellung von Texten und Informationen.
    Hierzu gehören z. B. E-Books und andere elektronische Publikationen, Abonnements von Online-Zeitungen und Online-Zeitschriften, Web-Protokolle und Website-Statistiken, Online-Nachrichten, Online-Verkehrsinformationen und Online-Wetterberichte, Online-Informationen, die automatisch anhand spezifischer vom Leistungsempfänger eingegebener Daten etwa aus dem Rechts- und Finanzbereich generiert werden (z.B. regelmäßig aktualisierte Börsendaten), Werbung in elektronischen Netzen und Bereitstellung von Werbeplätzen (z. B. Bannerwerbung auf Websites und Webpages);
  5. Bereitstellung von Datenbanken, wie z. B. die Benutzung von Suchmaschinen und Internetverzeichnissen;
  6. Bereitstellung von Musik (z. B. die Gewährung des Zugangs zu oder das Herunterladen von Musik auf PC, Mobiltelefone usw. und die Gewährung des Zugangs zu oder das Herunterladen von Jingles, Ausschnitten, Klingeltönen und anderen Tönen);
  7. Bereitstellung von Filmen und Spielen, einschließlich Glücksspielen und Lotterien.
    Hierzu gehören z. B. die Gewährung des Zugangs zu oder das Herunterladen von Filmen und die Gewährung des Zugangs zu automatisierten Online-Spielen, die nur über das Internet oder ähnliche elektronische Netze laufen und bei denen die Spieler räumlich voneinander getrennt sind;
  8. Bereitstellung von Sendungen und Veranstaltungen aus den Bereichen Politik, Kultur, Kunst, Sport, Wissenschaft und Unterhaltung.
    Hierzu gehört z. B. der Web-Rundfunk, der ausschließlich über das Internet oder ähnliche elektronische Netze verbreitet und nicht gleichzeitig auf herkömmlichen Weg ausgestrahlt wird;
  9. Erbringung von Fernunterrichtsleistungen.
    Hierzu gehört z. B. der automatisierte Unterricht, der auf das Internet oder ähnliche elektronische Netze angewiesen ist, auch sog. virtuelle Klassenzimmer. Dazu gehören auch Arbeitsunterlagen, die vom Schüler online bearbeitet und anschließend ohne menschliches Eingreifen automatisch korrigiert werden;
  10. Online-Versteigerungen (soweit es sich nicht bereits um Web-Hosting-Leistungen handelt) über automatisierte Datenbanken und mit Dateneingabe durch den Leistungsempfänger, die kein oder nur wenig menschliches Eingreifen erfordern (z.B. Online-Marktplatz, Online-Einkaufsportal);
  11. Internet-Service-Pakete, die mehr als nur die Gewährung des Zugangs zum Internet ermöglichen und weitere Elemente umfassen (z. B. Nachrichten, Wetterbericht, Reiseinformationen, Spielforen, Web-Hosting, Zugang zu Chatlines usw.).

92

(4) Von den auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen sind die Leistungen zu unterscheiden, bei denen es sich um Lieferungen oder um andere sonstige Leistungen im Sinne des § 3a UStG handelt.

93

(5) Insbesondere in den folgenden Fällen handelt es sich um Lieferungen, so dass keine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen vorliegen:

  1. Lieferungen von Gegenständen nach elektronischer Bestellung und Auftragsbearbeitung;
  2. Lieferungen von CD-ROM, Disketten und ähnlichen körperlichen Datenträgern;
  3. Lieferungen von Druckerzeugnissen wie Büchern, Newsletter, Zeitungen und Zeitschriften;
  4. Lieferungen von CD, Audiokassetten, Videokassetten und DVD;
  5. Lieferungen von Spielen auf CD-ROM.

94

(6) In den folgenden Fällen handelt es sich um andere als auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 13 UStG, d.h. Dienstleistungen, die zum wesentlichen Teil durch Menschen erbracht werden, wobei das Internet oder ein elektronisches Netz nur als Kommunikationsmittel dient:

  1. Data-Warehousing – offline –. Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 1 oder 2 UStG;
  2. Versteigerungen herkömmlicher Art, bei denen Menschen direkt tätig werden, unabhängig davon, wie die Gebote abgegeben werden – z. B. persönlich, per Internet oder per Telefon –. Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 1 oder 2 UStG;
  3. Fernunterricht, z. B. per Post (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a UStG);
  4. Reparatur von EDV-Ausrüstung. Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 2 oder 3 Nr. 3 Buchstabe c UStG (vgl. Rz. 48 und 49);
  5. Zeitungs-, Plakat- und Fernsehwerbung (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 UStG). Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Satz 1 UStG;
  6. Beratungsleistungen von Rechtsanwälten und Finanzberatern usw. per E-Mail (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG). Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Satz 1 UStG;
  7. Anpassung von Software an die besonderen Bedürfnisse des Abnehmers (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG, vgl. Rz. 69). Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Satz 1 UStG;
  8. Internettelefonie (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG). Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Satz 1 UStG;
  9. Kommunikation, wie z. B. E-Mail (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG). Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Satz 1 UStG;
  10. Telefon-Helpdesks (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG). Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Satz 1 UStG;
  11. Videofonie, d.h. Telefonie mit Video-Komponente (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG). Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Satz 1 UStG;
  12. Zugang zum Internet und World Wide Web (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 11 UStG). Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Satz 1 UStG;
  13. Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen über das Internet oder ein ähnliches elektronisches Netz bei gleichzeitiger Übertragung der Sendung auf herkömmlichem Weg (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 12 UStG, vgl. Rz. 86 bis 88). Der Leistungsort richtet sich nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Satz 1 UStG.

 

Besteuerungsverfahren

95

(7) Nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die im Gemeinschaftsgebiet als Steuerschuldner ausschließlich sonstige Leistungen auf elektronischem Weg an in der EU ansässige Nichtunternehmer erbringen (§ 3a Abs. 5 UStG), können sich abweichend von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG unter bestimmten Bedingungen dafür entscheiden, nur in einem EU- Mitgliedstaat erfasst zu werden (§ 18 Abs. 4c UStG). Macht ein Unternehmer von diesem Wahlrecht Gebrauch und entscheidet sich dafür, sich nur in Deutschland erfassen zu lassen, muss er dies dem für dieses Besteuerungsverfahren zuständigen Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) vor Beginn seiner Tätigkeit in der EU auf dem amtlich vorgeschriebenen, elektronisch zu übermittelnden Dokument anzeigen.

96

(8) Abweichend von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG hat der Unternehmer in jedem Kalendervierteljahr (= Besteuerungszeitraum) eine Steuererklärung bis zum 20. Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums elektronisch beim BZSt abzugeben. Hierbei hat er die auf den jeweiligen Mitgliedstaat entfallenden Umsätze zu trennen und dem im betreffenden Mitgliedstaat geltenden allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen. Der Unternehmer hat die Steuer entsprechend § 16 Abs. 1a UStG selbst zu berechnen (§ 18 Abs. 4c Satz 1 UStG). Die Steuer ist spätestens am 20. Tag nach Ende des Besteuerungszeitraums zu entrichten (§ 18 Abs. 4c Satz 2 UStG).

97

(9) Bei der Umrechnung von Werten in fremder Währung muss der Unternehmer einheitlich den von der Europäischen Zentralbank festgestellten Umrechnungskurs des letzten Tages des Besteuerungszeitraums bzw., falls für diesen Tag kein Umrechnungskurs festgelegt wurde, den für den nächsten Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums festgelegten Umrechnungskurs anwenden (§ 16 Abs. 6 Sätze 4 und 5 UStG). Die Anwendung eines monatlichen Durchschnittskurses entsprechend § 16 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 UStG ist ausgeschlossen.

98

(10) Der Unternehmer kann die Ausübung des Wahlrechts widerrufen (§ 18 Abs. 4c Satz 4 UStG). Ein Widerruf ist nur bis zum Beginn eines neuen Kalendervierteljahres (= Besteuerungszeitraum) mit Wirkung ab diesem Zeitraum möglich (§ 18 Abs. 4c Satz 5 UStG). Das allgemeine Besteuerungsverfahren (§ 18 Abs. 1 bis 4 UStG) und das Besteuerungsverfahren nach § 18 Abs. 4c UStG schließen sich gegenseitig aus.

99

(11) Das BZSt kann den Unternehmer von dem Besteuerungsverfahren nach § 18 Abs. 4c UStG ausschließen, wenn er seinen Verpflichtungen nach § 18 Abs. 4c Sätze 1 bis 3 UStG oder seinen Aufzeichnungspflichten (§ 22 Abs. 1 UStG) in diesem Verfahren wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt.

100

(12) Nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die im Inland als Steuerschuldner nur steuerbare sonstige Leistungen auf elektronischem Weg an Nichtunternehmer erbringen, die Umsatzbesteuerung aber in einem dem Besteuerungsverfahren nach § 18 Abs. 4c UStG entsprechenden Verfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat durchgeführt wird, sind nach § 18 Abs. 4d UStG von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen und der Steuererklärung für das Kalenderjahr im Inland befreit.

101

(13) Nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die im Gemeinschaftsgebiet als Steuerschuldner ausschließlich sonstige Leistungen auf elektronischem Weg an in der EU ansässige Nichtunternehmer erbringen und von dem Wahlrecht der steuerlichen Erfassung in nur einem EU-Mitgliedstaat Gebrauch machen, können Vorsteuerbeträge nur im Rahmen des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens gelten machen (§ 18 Abs. 9 Satz 6 UStG i. V. m. § 59 Satz 1 Nr. 4 und § 61a UStDV). In diesen Fällen sind die Einschränkungen des § 18 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG nicht anzuwenden. Voraussetzung ist, dass die Steuer für die auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen entrichtet wurde und dass die Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit diesen Umsätzen stehen. Für Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit anderen Umsätzen (z. B. elektronisch erbrachte sonstige Leistungen durch einen nicht in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmer an einen in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmer, der Steuerschuldner ist) gelten die Einschränkungen des § 18 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG unverändert.

 

Aufzeichnungspflichten

102

(14) Der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat über die im Rahmen der Regelung nach § 18 Abs. 4c und 4d UStG getätigten Umsätze Aufzeichnungen mit ausreichenden Angaben zu führen. Diese Aufzeichnungen sind dem BZSt auf Anfrage auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen (§ 22 Abs. 1 Satz 4 UStG). Die Aufbewahrungsfrist beträgt zehn Jahre (§ 147 Abs. 3 AO).

 

13. Gewährung des Zugangs zu Erdgas- und Elektrizitätsnetzen und die Fernleitung, die Übertragung oder die Verteilung über diese Netze sowie damit unmittelbar zusammenhängende sonstige Leistungen (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 14 UStG)

103

(1) Bei bestimmten sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Lieferungen von Gas über das Erdgasnetz oder von Elektrizität (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 14 UStG) richtet sich der Leistungsort bei Leistungen an im Drittlandsgebiet ansässige Nichtunternehmer regelmäßig nach § 3a Abs. 4 Satz 1 UStG. Zu diesen Leistungen gehören die Gewährung des Zugangs zu Erdgas- und Elektrizitätsnetzen, die Fernleitung, die Übertragung oder die Verteilung über diese Netze sowie andere mit diesen Leistungen unmittelbar zusammenhängende Leistungen in Bezug auf Gas für alle Druckstufen und in Bezug auf Elektrizität für alle Spannungsstufen.

104

(2) Zu den mit der Gewährung des Zugangs zu Erdgas- oder Elektrizitätsnetzen und der Fernleitung, der Übertragung oder der Verteilung über diese Netze unmittelbar zusammenhängenden Umsätzen gehören insbesondere Serviceleistungen wie Überwachung, Netzoptimierung, Notrufbereitschaften.

105

(4) Der Ort der Vermittlung von unter § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 14 UStG fallenden Leistungen bestimmt sich nach § 3a Abs. 2 und 3 Nr. 4 UStG (vgl. hierzu Rz. 57 und 58).

 

14. Ort der sonstigen Leistung bei Einschaltung eines Erfüllungsgehilfen

106

Bedient sich der Unternehmer bei Ausführung einer sonstigen Leistung eines anderen Unternehmers als Erfüllungsgehilfen, der die sonstige Leistung im eigenen Namen und für eigene Rechnung ausführt, ist der Ort der Leistung für jede dieser Leistungen für sich zu bestimmen.

Beispiel:
Die juristische Person des öffentlichen Rechts P mit Sitz im Inland, der keine USt-IdNr. zugeteilt worden ist, erteilt dem Unternehmer F in Frankreich den Auftrag, ein Gutachten zu erstellen, das P in ihrem Hoheitsbereich auswerten will. F vergibt bestimmte Teilbereiche an den Unternehmer U im Inland und beauftragt ihn, die Ergebnisse seiner Ermittlungen unmittelbar P zur Verfügung zu stellen.

Die Leistung des U wird nach § 3a Abs. 2 UStG dort ausgeführt, wo F sein Unternehmen betreibt; sie ist daher im Inland nicht steuerbar. Der Ort der Leistung des F an P ist nach § 3a Abs. 1 UStG zu bestimmen; die Leistung ist damit ebenfalls im Inland nicht steuerbar.

 

15. Sonderfälle des Orts der sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 6 und 7 UStG)

a) Nutzung und Auswertung bestimmter sonstiger Leistungen im Inland (§ 3a Abs. 6 UStG)

107

(1) Die Sonderregelung des § 3a Abs. 6 UStG betrifft sonstige Leistungen, die von einem im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmer oder von einer dort belegenen Betriebsstätte erbracht und im Inland genutzt oder ausgewertet werden.

108

(2) Die Ortsbestimmung richtet sich nur bei der kurzfristigen Vermietung eines Beförderungsmittels an Unternehmer und gleichgestellte juristische Personen (siehe Rz. 7) oder an Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) und bei langfristiger Vermietung an Nichtunternehmer nach § 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 UStG.

Beispiel:
Der im Inland ansässige Privatmann P mietet bei einem in der Schweiz ansässigen Autovermieter S einen Personenkraftwagen für ein Jahr und nutzt ihn im Inland.

Der Ort der Leistung bei der langfristigen Vermietung des Beförderungsmittels richtet sich nach § 3a Abs. 1 UStG (vgl. Rz. 5). Da der Personenkraftwagen im Inland genutzt wird, ist die Leistung jedoch nach § 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 UStG als im Inland ausgeführt zu behandeln. Steuerschuldner ist S (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG).

109

(3) § 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 UStG gilt nur für Leistungen an im Inland ansässige juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit diese nicht Unternehmer sind und ihnen keine USt-IdNr. erteilt worden ist. Die Leistungen eines Aufsichtsratmitgliedes werden am Sitz der Gesellschaft genutzt oder ausgewertet. Sonstige Leistungen, die der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit dienen (vgl. Rz. 62 bis 67), werden dort genutzt oder ausgewertet, wo die Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit wahrgenommen werden soll. Wird eine sonstige Leistung sowohl im Inland als auch im Ausland genutzt oder ausgewertet, ist darauf abzustellen, wo die Leistung überwiegend genutzt oder ausgewertet wird.

Beispiel 1:
Die Stadt M (juristische Person des öffentlichen Rechts ohne USt-IdNr.) im Inland platziert im Wege der Öffentlichkeitsarbeit eine Anzeige für eine Behörden-Service-Nummer über einen in der Schweiz ansässigen Werbungsmittler W in einer deutschen Zeitung. <7p>

Die Werbeleistung der deutschen Zeitung an W ist im Inland nicht steuerbar (§ 3a Abs. 2 UStG). Der Ort der Leistung des W an M liegt nach § 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 UStG im Inland. Steuerschuldner für die Leistung des W ist M (§ 13b Abs. 2 Satz 1 UStG).

Beispiel 2:
Die im Inland ansässige Rundfunkanstalt R (juristische Person des öffentlichen Rechts ohne USt-IdNr.) verpflichtet

  1. den in Norwegen ansässigen Künstler N für die Aufnahme und Sendung einer künstlerischen Darbietung;
  2. den in der Schweiz ansässigen Journalisten S, Nachrichten, Übersetzungen und Interviews auf Tonträgern und in Manuskriptform zu verfassen.
N und S räumen R das Nutzungsrecht am Urheberrecht ein. Die Sendungen werden sowohl in das Inland als auch in das Ausland ausgestrahlt.

Die Leistungen des N und des S sind in § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 UStG bezeichnete sonstige Leistungen. Der Ort dieser Leistungen liegt im Inland, da sie von R hier genutzt werden (§ 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 UStG). Es kommt nicht darauf an, wohin die Sendungen ausgestrahlt werden. Steuerschuldner für die Leistungen des N und des S ist R (§ 13b Abs. 2 Satz 1 UStG).

§ 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 UStG gilt für Leistungen an Nichtunternehmer.

 

b) Kurzfristige Fahrzeugvermietung zur Nutzung im Drittlandsgebiet (§ 3a Abs. 7 UStG)

110

(1) Die Sonderregelung des § 3a Abs. 7 UStG betrifft ausschließlich die kurzfristige Vermietung eines Schienenfahrzeugs, eines Kraftomnibusses oder eines ausschließlich zur Güterbeförderung bestimmten Straßenfahrzeugs, die an einen im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmer oder an eine dort belegene Betriebsstätte eines Unternehmers erbracht wird, das Fahrzeug für dessen Unternehmen bestimmt ist und im Drittlandsgebiet auch tatsächlich genutzt wird. Wird eine sonstige Leistung sowohl im Inland als auch im Drittlandsgebiet genutzt, ist darauf abzustellen, wo die Leistung überwiegend genutzt wird.

Beispiel:
Der im Inland ansässige Unternehmer U vermietet an einen in der Schweiz ansässigen Vermieter S einen Lkw für drei Wochen. Der Lkw wird von S bei U abgeholt. Der Lkw wird ausschließlich in der Schweiz genutzt.

Der Ort der Leistung bei der kurzfristigen Vermietung des Beförderungsmittels richtet sich grundsätzlich nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG (vgl. Rz. 34 und 35). Da der Lkw aber nicht im Inland, sondern in der Schweiz genutzt wird, ist die Leistung nach § 3a Abs. 7 UStG als in der Schweiz ausgeführt zu behandeln.

 

II. Ort der Beförderungsleistungen und der damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen (§ 3b UStG)

1. Ort einer Personenbeförderung und Ort einer Güterbeförderung, die keine innergemeinschaftliche Güterbeförderung ist (§ 3b Abs. 1 UStG)

111

(1) Die Ortsbestimmung des § 3b Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG (Personenbeförderung) ist bei sonstigen Leistungen sowohl an Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) als auch an Unternehmer und diesen gleichgestellte juristische Personen (siehe Rz. 7) anzuwenden.

112

(2) Der Ort einer Personenbeförderung liegt dort, wo die Beförderung tatsächlich bewirkt wird (§ 3b Abs. 1 Satz 1 UStG). Hieraus folgt für diejenigen Beförderungsfälle, in denen der mit der Beförderung beauftragte Unternehmer (Hauptunternehmer) die Beförderung durch einen anderen Unternehmer (Subunternehmer) ausführen lässt, dass sowohl die Beförderungsleistung des Hauptunternehmers als auch diejenige des Subunternehmers dort ausgeführt werden, wo der Subunternehmer die Beförderung bewirkt. Die Sonderregelung über die Besteuerung von Reiseleistungen (§ 25 Abs. 1 UStG) bleibt unberührt.

Beispiel:
Der Reiseveranstalter A veranstaltet im eigenen Namen und für eigene Rechnung einen Tagesausflug. Er befördert die teilnehmenden Reisenden (Nichtunternehmer) jedoch nicht selbst, sondern bedient sich zur Ausführung der Beförderung des Omnibusunternehmers B. Dieser bewirkt an A eine Beförderungsleistung, indem er die Beförderung im eigenen Namen, unter eigener Verantwortung und für eigene Rechnung durchführt.

Der Ort der Beförderungsleistung des B liegt dort, wo dieser die Beförderung bewirkt. Für A stellt die Beförderungsleistung des B eine Reisevorleistung dar. A führt deshalb umsatzsteuerrechtlich keine Beförderungsleistung, sondern eine sonstige Leistung im Sinne des § 25 Abs. 1 UStG aus. Diese sonstige Leistung wird dort ausgeführt, von wo aus A sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 1 UStG).

113

(3) Die Ortsbestimmung des § 3b Abs. 1 Satz 3 UStG (Güterbeförderung) ist nur bei Güterbeförderungen, die keine innergemeinschaftlichen Güterbeförderungen im Sinne des § 3b Abs. 3 UStG sind, an Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) anzuwenden. Der Leistungsort liegt danach dort, wo die Beförderung tatsächlich bewirkt wird. Der Ort einer Güterbeförderung, die keine innergemeinschaftliche Güterbeförderung ist, an einen Unternehmer oder eine gleichgestellte juristische Person (siehe Rz. 7) richtet sich nach § 3a Abs. 2 UStG (vgl. hierzu Rz. 7 bis 23).

 

Grenzüberschreitende Beförderungen

114

(4) Grenzüberschreitende Beförderungen (Personen- und Güterbeförderungen) – mit Ausnahme der innergemeinschaftlichen Güterbeförderungen im Sinne des § 3b Abs. 3 UStG – sind in einen steuerbaren und einen nicht steuerbaren Leistungsteil aufzuteilen (§ 3b Abs. 1 Satz 2 UStG). Die Aufteilung unterbleibt jedoch bei grenzüberschreitenden Beförderungen mit kurzen in- oder ausländischen Beförderungsstrecken, wenn diese Beförderungen entweder insgesamt als steuerbar oder insgesamt als nicht steuerbar zu behandeln sind (siehe auch Rz. 114 bis 124). Wegen der Auswirkung der Sonderregelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 UStG auf Beförderungen – in der Regel i. V. m. §§ 4, 6 oder 7 UStDV – wird auf die Rz. 121 und 123 bis 127 verwiesen.

115

(5) Bei einer Beförderungsleistung, bei der nur ein Teil der Leistung steuerbar ist und bei der die Umsatzsteuer für diesen Teil auch erhoben wird, ist Bemessungsgrundlage das Entgelt, das auf diesen Teil entfällt. Bei Personenbeförderungen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind und die bei der Ein- oder Ausreise eine Grenze zu einem Drittland überqueren, ist ein Durchschnittsbeförderungsentgelt für den Streckenanteil im Inland maßgebend (vgl. Abschnitte 159 und 221 UStR). In allen übrigen Fällen ist das auf den steuerbaren Leistungsteil entfallende tatsächlich vereinbarte oder vereinnahmte Entgelt zu ermitteln (vgl. hierzu Rz. 116). Das Finanzamt kann jedoch Unternehmer, die nach § 4 Nr. 3 UStG steuerfreie Umsätze bewirken, von der Verpflichtung befreien, die Entgelte für die vorbezeichneten steuerfreien Umsätze und die Entgelte für nicht steuerbare Beförderungen getrennt aufzuzeichnen (vgl. Abschnitt 259 Abs. 18 und 19 UStR).

116

(6) Wird bei einer Beförderungsleistung, die sich nicht nur auf das Inland erstreckt und bei der kein Durchschnittsbeförderungsentgelt maßgebend ist, ein Gesamtpreis vereinbart oder vereinnahmt, ist der auf den inländischen Streckenanteil entfallende Entgeltsanteil anhand dieses Gesamtpreises zu ermitteln. Hierzu gilt Folgendes:

  1. Grundsätzlich ist vom vereinbarten oder vereinnahmten Nettobeförderungspreis auszugehen. Zum Nettobeförderungspreis gehören nicht die Umsatzsteuer für die Beförderungsleistung im Inland und die für den nicht steuerbaren Leistungsanteil in anderen Staaten zu zahlende Umsatzsteuer oder ähnliche Steuer. Sofern nicht besondere Umstände (wie z. B. tarifliche Vereinbarungen im internationalen Eisenbahnverkehr) eine andere Aufteilung rechtfertigen, ist der Nettobeförderungspreis für jede einzelne Beförderungsleistung im Verhältnis der Längen der inländischen und ausländischen Streckenanteile – einschließlich so genannter Leerkilometer – aufzuteilen (vgl. BFH- Urteil vom 12. 3. 1998, V R 17/93, BStBl II S. 523). Unter Leerkilometer sind dabei nur die während der Beförderungsleistung ohne zu befördernde Personen zurückgelegten Streckenanteile zu verstehen. Die Hin- bzw. Rückfahrt vom bzw. zum Betriebshof - ohne zu befördernde Personen - ist nicht Teil der Beförderungsleistung und damit auch nicht bei der Aufteilung der Streckenanteile zu berücksichtigen. Das auf den inländischen Streckenanteil entfallende Entgelt kann nach folgender Formel ermittelt werden:

    Entgelt für den inländischen Streckenanteil = Nettobeförderungspreis für die Gesamtstrecke x Anzahl der km des inländischen Streckenanteils
    Anzahl der km der Gesamtstrecke


  2. Bei Personenbeförderungen ist es nicht zu beanstanden, wenn zur Ermittlung des auf den inländischen Streckenanteil entfallenden Entgelts nicht vom Nettobeförderungspreis ausgegangen wird, sondern von dem für die Gesamtstrecke vereinbarten oder vereinnahmten Bruttobeförderungspreis, z. B. Gesamtpreis einschließlich der im Inland und im Ausland erhobenen Umsatzsteuer oder ähnlichen Steuer. Für die Entgeltsermittlung kann in diesem Falle die folgende geänderte Berechnungsformel dienen:

    Bruttoentgelt
    (Entgelt zuzüglich Umsatzsteuer) für den inländischen Streckenanteil =
    Bruttobeförderungspreis für die Gesamtstrecke x Anzahl der km des inländischen Streckenanteils
    Anzahl der km der Gesamtstrecke


    Innerhalb eines Besteuerungszeitraums muss bei allen Beförderungen einer Verkehrsart, z. B. bei Personenbeförderungen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen, nach ein und derselben Methode verfahren werden.

 

Verbindungsstrecken im Inland

117

(7) Zu den Verbindungsstrecken im Inland nach § 2 UStDV gehören insbesondere diejenigen Verbindungsstrecken von nicht mehr als 30 km Länge, für die in den folgenden Abkommen und Verträgen Erleichterungen für den Durchgangsverkehr vereinbart worden sind:

  1. Deutsch-Schweizerisches Abkommen vom 5. 2. 1958, Anlage III (BGBl. 1960 II S. 2162), geändert durch Vereinbarung vom 15. 5. 1981 (BGBl. II S. 211);
  2. Deutsch-Österreichisches Abkommen vom 14. 9. 1955, Artikel 1 Abs. 1 (BGBl. 1957 II S. 586);
  3. Deutsch-Österreichisches Abkommen vom 14. 9. 1955, Artikel 1 (BGBl. 1957 II S. 589);
  4. Deutsch-Österreichischer Vertrag vom 6. 9. 1962, Anlage II (BGBl. 1963 II S. 1280), zuletzt geändert durch Vereinbarung vom 3. 12. 1981 (BGBl. 1982 II S. 28);
  5. Deutsch-Österreichischer Vertrag vom 17. 2. 1966, Artikel 1 und 14 (BGBl. 1967 II S. 2092);
  6. Deutsch-Niederländischer Vertrag vom 8. 4. 1960, Artikel 33 (BGBl. 1963 II S. 463).
Bei diesen Strecken ist eine Prüfung, ob sie den nächsten oder verkehrstechnisch günstigsten Weg darstellen, nicht erforderlich. Bei anderen Verbindungsstrecken muss diese Voraussetzung im Einzelfall geprüft werden.

118

(8) § 2 UStDV umfasst die grenzüberschreitenden Personen- und Güterbeförderungen, die von im Inland oder im Ausland ansässigen Unternehmern bewirkt werden, mit Ausnahme der Personenbeförderungen im Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen. Bei grenzüberschreitenden Beförderungen im Passagier- und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen hat § 7 Abs. 2, 3 und 5 UStDV Vorrang (vgl. Rz. 125 bis 127).

 

Verbindungsstrecken im Ausland

119

(9) Zu den Verbindungsstrecken im Ausland nach § 3 UStDV gehören insbesondere diejenigen Verbindungsstrecken von nicht mehr als 10 km Länge, die in den in Rz. 117 und in den nachfolgend aufgeführten Abkommen und Verträgen enthalten sind:

  1. Deutsch-Österreichischer Vertrag vom 17. 2. 1966, Artikel 1 (BGBl. 1967 II S. 2086);
  2. Deutsch-Belgischer Vertrag vom 24. 9. 1956, Artikel 12 (BGBl. 1958 II S. 263).

120

(10) Der Anwendungsbereich des § 3 UStDV umfasst die grenzüberschreitenden Personen- und Güterbeförderungen, die von im Inland oder im Ausland ansässigen Unternehmern durchgeführt werden, mit Ausnahme der Personenbeförderungen im Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen. Bei grenzüberschreitenden Beförderungen im Passagier- und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen hat § 7 Abs. 2, 3 und 5 UStDV Vorrang (vgl. Rz. 125 bis 127).

 

Anschlussstrecken im Schienenbahnverkehr

121

(11) Im Eisenbahnverkehr enden die Beförderungsstrecken der nationalen Eisenbahnverwaltungen in der Regel an der Grenze des jeweiligen Hoheitsgebiets. In Ausnahmefällen betreiben jedoch die Eisenbahnverwaltungen kurze Beförderungsstrecken im Nachbarstaat bis zu einem dort befindlichen vertraglich festgelegten Gemeinschafts- oder Betriebswechselbahnhof (Anschlussstrecken). Bei Personenbeförderungen im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr sind die nach § 4 UStDV von inländischen Eisenbahnverwaltungen im Ausland betriebenen Anschlussstrecken als inländische Beförderungsstrecken und die von ausländischen Eisenbahnverwaltungen im Inland betriebenen Anschlussstrecken als ausländische Beförderungsstrecken anzusehen. Ferner gelten bei Personenbeförderungen Schienenbahnstrecken in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten als inländische Beförderungsstrecken.

 

Kurze Straßenstrecken im Inland

122

(12) Bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungen im Gelegenheitsverkehr mit im Inland oder im Ausland zugelassenen Kraftfahrzeugen sind inländische Streckenanteile, die in einer Fahrtrichtung nicht länger als 10 km sind, nach § 5 UStDV als ausländische Beförderungsstrecken anzusehen. Die Regelung gilt jedoch nicht für Personenbeförderungen von und zu den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten (vgl. auch Rz. 123). Der „Gelegenheitsverkehr mit Kraftfahrzeugen“ umfasst nach § 46 PBefG den Verkehr mit Taxen (§ 47 PBefG), die Ausflugsfahrten und Ferienziel-Reisen (§ 48 PBefG) und den Verkehr mit Mietomnibussen und Mietwagen (§ 49 PBefG).

 

Straßenstrecken in den in § 1 Ab s. 3 UStG bezeichneten Gebieten

123

(13) Bei grenzüberschreitenden Personenbeförderungen mit Kraftfahrzeugen, die von im Inland oder im Ausland ansässigen Unternehmern von und zu den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten sowie zwischen diesen Gebieten bewirkt werden, sind die Streckenanteile in diesen Gebieten nach § 6 UStDV als inländische Beförderungsstrecken anzusehen. Damit sind diese Beförderungen insgesamt steuerbar und mangels einer Befreiungsvorschrift auch steuerpflichtig.

 

Kurze Strecken im grenzübe rschreitenden Verkehr mit Wasserfahrzeugen

124

(14) Bei grenzüberschreitenden Beförderungen im Passagier- und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen jeglicher Art, die lediglich im Inland und in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten ausgeführt werden, sind nach § 7 Abs. 1 UStDV die Streckenanteile in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten als inländische Beförderungsstrecken anzusehen. Hieraus ergibt sich, dass diese Beförderungen insgesamt steuerbar sind. Unter die Regelung fallen insbesondere folgende Sachverhalte:

  1. Grenzüberschreitende Beförderungen zwischen Hafengebieten im Inland und Freihäfen.

    Beispiel:
    Ein Unternehmer befördert mit seinem Schiff Personen zwischen dem Hamburger Freihafen und dem übrigen Hamburger Hafengebiet.

  2. Grenzüberschreitende Beförderungen, die zwischen inländischen Häfen durchgeführt werden und bei denen neben dem Inland lediglich die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete durchfahren werden.

    Beispiel:
    Ein Unternehmer befördert mit seinem Schiff Touristen zwischen den ostfriesischen Inseln und benutzt hierbei den Seeweg nördlich der Inseln. Bei den Fahrten wird jedoch die Hoheitsgrenze, die sich 12 Seemeilen (rd. 22,2 km) von der Strandlinie entfernt befindet, nicht überschritten.

125

(15) Für grenzüberschreitende Beförderungen im Passagier- und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen jeglicher Art, die zwischen inländischen Häfen durchgeführt werden, bei denen jedoch nicht lediglich das Inland und die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete, sondern auch das übrige Ausland berührt werden, enthält § 7 Abs. 2 UStDV folgende Sonderregelungen:

  1. Ausländische Beförderungsstrecken sind als inländische Beförderungsstrecken anzusehen, wenn die ausländischen Streckenanteile außerhalb der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete jeweils nicht mehr als 10 km betragen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStDV). Die Vorschrift ist im Ergebnis eine Ergänzung des § 7 Abs. 1 UStDV.

    Beispiel:
    Ein Unternehmer befördert Touristen mit seinem Schiff zwischen den Nordseeinseln und legt dabei nicht mehr als 10 km jenseits der Hoheitsgrenze zurück.

    Die Beförderungen im Seegebiet bis zur Hoheitsgrenze sind ohne Rücksicht auf die Länge der Beförderungsstrecke steuerbar. Die Beförderungen im Seegebiet jenseits der Hoheitsgrenze sind ebenfalls steuerbar, weil die Beförderungsstrecke hier nicht länger als 10 km ist.

  2. Inländische Streckenanteile sind als ausländische Beförderungsstrecken anzusehen und Beförderungsleistungen, die auf die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete entfallen, sind nicht wie Umsätze im Inland zu behandeln, wenn bei der einzelnen Beförderung
    • a) der ausländische Streckenanteil außerhalb der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete länger als 10 km und
    • b) der Streckenanteil im Inland und in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten nicht länger als 20 km
    sind (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStDV). Die Beförderungen sind deshalb insgesamt nicht steuerbar.

126

(16) Keine Sonderregelung besteht für die Fälle, in denen die ausländischen Streckenanteile außerhalb der in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete jeweils länger als 10 km und die Streckenanteile im Inland und in den vorbezeichneten Gebieten jeweils länger als 20 km sind. In diesen Fällen ist deshalb die jeweilige Beförderungsleistung in einen steuerbaren Teil und einen nicht steuerbaren Teil aufzuteilen. Bei der Aufteilung ist zu beachten, dass Beförderungen in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten steuerbar sind, wenn sie für unternehmensfremde Zwecke des Auftraggebers ausgeführt werden oder eine sonstige Leistung im Sinne von § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vorliegt.

Beispiel:
Ein Unternehmer befördert mit seinem Schiff Touristen auf die hohe See hinaus. Der Streckenanteil vom Hafen bis zur Hoheitsgrenze hin und zurück beträgt 50 km. Der Streckenanteil jenseits der Hoheitsgrenze beträgt 12,5 km.

Die Beförderung ist zu 80 % steuerbar und zu 20 % nicht steuerbar.

127

(17) Bei grenzüberschreitenden Beförderungen im Passagier- und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt nach § 7 Abs. 3 UStDV handelt es sich um folgende Beförderungen:

  1. Beförderungen, die zwischen ausländischen Seehäfen durchgeführt werden und durch das Inland oder durch die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete führen.

    Beispiel:
    Ein Unternehmer befördert Touristen mit seinem Schiff von Stockholm durch den Nord-Ostsee-Kanal nach London. Die Strecke durch den Nord-Ostsee-Kanal ist als ausländischer Streckenanteil anzusehen.

  2. Beförderungen, die zwischen einem inländischen Seehafen und einem ausländischen Seehafen durchgeführt werden. Inländische Seehäfen sind nach § 7 Abs. 4 UStDV auch die Freihäfen und die Insel Helgoland.

    Beispiel 1:
    Beförderungen im Passagier- und Fährverkehr zwischen Hamburg (Seehafen) oder Bremerhaven (Freihafen) und Harwich (Vereinigtes Königreich).

    Beispiel 2:
    Beförderungen im Rahmen von Kreuzfahrten, die zwar in ein und demselben inländischen Seehafen beginnen und enden, bei denen aber zwischendurch mindestens ein ausländischer Seehafen angelaufen wird.

    Die Regelung des § 7 Abs. 3 UStDV hat zur Folge, dass die Beförderungen insgesamt nicht steuerbar sind. Das gilt auch für die Gewährung von Unterbringung und Verpflegung an die beförderten Personen, soweit Unterbringung und Verpflegung erforderlich sind, um die Personenbeförderung planmäßig durchführen zu können.

128

(18) Bei Beförderungen von Personen mit Schiffen auf dem Rhein zwischen Basel (Rhein-km 170) und Neuburgweier (Rhein-km 353) über insgesamt 183 km ist hinsichtlich der einzelnen Streckenanteile wie folgt zu verfahren:

  1. Streckenanteil zwischen der Grenze bei Basel (Rhein-km 170) und Breisach (Rhein-km 227) über insgesamt 57 km:
    Die Beförderungen erfolgen hier auf dem in Frankreich gelegenen Rheinseitenkanal. Sie unterliegen deshalb auf diesem Streckenanteil nicht der deutschen Umsatzsteuer.
  2. Streckenanteil zwischen Breisach (Rhein-km 227) und Straßburg (Rhein-km 295) über insgesamt 68 km:
    • a) Hier werden die Beförderungen auf einzelnen Streckenabschnitten (Schleusen und Schleusenkanälen) von zusammen 34 km auf französischem Hoheitsgebiet durchgeführt. Die Beförderungen unterliegen insoweit nicht der deutschen Umsatzsteuer.
    • b) Auf einzelnen anderen Streckenabschnitten von zusammen 34 km finden die Beförderungen auf dem Rheinstrom statt. Die Hoheitsgrenze zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland wird durch die Achse des Talwegs bestimmt. Bedingt durch den Verlauf der Fahrrinne und mit Rücksicht auf den übrigen Verkehr muss die Schifffahrt häufig die Hoheitsgrenze überfahren. In der Regel wird der Verkehr je zur Hälfte (= 17 km) auf deutschem und französischem Hoheitsgebiet abgewickelt.
  3. Streckenanteil zwischen Straßburg (Rhein-km 295) und der Grenze bei Neuburgweier (Rhein-km 353) über insgesamt 58 km:
    Die Hoheitsgrenze im Rhein wird auch hier durch die Achse des Talwegs bestimmt. Deshalb ist auch hier davon auszugehen, dass die Beförderungen nur zur Hälfte (= 29 km) im Inland stattfinden.

 

2. Ort der Leistung, die im Zusammenhang mit einer Güterbeförderung steht (§ 3b Abs. 2 UStG)

129

(1) Die Ortsregelung des § 3b Abs. 2 UStG ist nur bei Leistungen an Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) anzuwenden. Werden mit der Beförderung eines Gegenstandes in Zusammenhang stehende Leistungen an einen Unternehmer oder an eine gleichgestellte juristische Person (siehe Rz. 7) erbracht, richtet sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG.

130

(2) Für den Ort einer Leistung, die im Zusammenhang mit einer Güterbeförderung steht (§ 3b Abs. 2 UStG), gelten die Ausführungen in Rz. 39 sinngemäß. Bei der Anwendung der Ortsregelung kommt es nicht darauf an, ob die Leistung mit einer rein inländischen, einer grenzüberschreitenden oder einer innergemeinschaftlichen Güterbeförderung im Zusammenhang steht.

131

(3) Die Regelung des § 3b Abs. 2 UStG gilt für Umsätze, die selbständige Leistungen sind. Sofern das Beladen, das Entladen, der Umschlag, die Lagerung oder eine andere sonstige Leistung Nebenleistungen zu einer Güterbeförderung darstellen, teilen sie deren umsatzsteuerliches Schicksal.

 

3. Ort der innergemeinschaftlichen Güterbeförderung (§ 3b Abs. 3 UStG)

132

(1) § 3b Abs. 3 UStG ist nur anzuwenden, wenn die innergemeinschaftliche Beförderung eines Gegenstands (innergemeinschaftliche Güterbeförderung) an einen Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) erfolgt. In diesen Fällen wird die Leistung an dem Ort ausgeführt, an dem die Beförderung des Gegenstands beginnt (Abgangsort). Wird eine innergemeinschaftliche Güterbeförderung an einen Unternehmer oder an eine gleichgestellte juristische Person (siehe Rz. 7) ausgeführt, richtet sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG (vgl. hierzu Rz. 7 bis 23).

133

(2) Eine innergemeinschaftliche Güterbeförderung liegt nach § 3b Abs. 3 UStG vor, wenn sie in dem Gebiet von zwei verschiedenen EU-Mitgliedstaaten beginnt (Abgangsort) und endet (Ankunftsort). Eine Anfahrt des Beförderungsunternehmers zum Abgangsort ist unmaßgeblich. Entsprechendes gilt für den Ankunftsort. Die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Güterbeförderung sind für jeden Beförderungsauftrag gesondert zu prüfen; sie müssen sich aus den im Beförderungs- und Speditionsgewerbe üblicherweise verwendeten Unterlagen (z. B. schriftlicher Speditionsauftrag oder Frachtbrief) ergeben. Für die Annahme einer innergemeinschaftlichen Güterbeförderung ist es unerheblich, ob die Beförderungsstrecke ausschließlich über Gemeinschaftsgebiet oder auch über Drittlandsgebiet führt (vgl. Rz 135 Beispiel 2).

134

(3) Die deutschen Freihäfen gehören gemeinschaftsrechtlich zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (Artikel 5 MwStSystRL). Deshalb ist eine innergemeinschaftliche Güterbeförderung auch dann gegeben, wenn die Beförderung in einem deutschen Freihafen beginnt und in einem anderen EU-Mitgliedstaat endet oder umgekehrt.

135

(4) Beispielsfälle für innergemeinschaftliche Güterbeförderungen:

Beispiel 1:
Die Privatperson P aus Deutschland beauftragt den deutschen Frachtführer F, Güter von Spanien nach Deutschland zu befördern.

Bei der Beförderungsleistung des F handelt es sich um eine innergemeinschaftliche Güterbeförderung, weil der Transport in einem EU-Mitgliedstaat beginnt und in einem anderen EU-Mitgliedstaat endet. Der Ort dieser Beförderungsleistung liegt in Spanien, da die Beförderung der Güter in Spanien beginnt (§ 3b Abs. 3 UStG). F ist Steuerschuldner in Spanien (Artikel 193 MwStSystRL, vgl. auch Rz. 142). Die Abrechnung richtet sich nach den Regelungen des spanischen Umsatzsteuerrechts.

Beispiel 2:
Die Privatperson P aus Italien beauftragt den in der Schweiz ansässigen Frachtführer F, Güter von Deutschland über die Schweiz nach Italien zu befördern.

Bei der Beförderungsleistung des F handelt es sich um eine innergemeinschaftliche Güterbeförderung, weil der Transport in zwei verschiedenen EU-Mitgliedstaaten beginnt und endet. Der Ort dieser Leistung bestimmt sich nach dem inländischen Abgangsort (§ 3b Abs. 3 UStG). Die Leistung ist in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. Unbeachtlich ist dabei, dass ein Teil der Beförderungsstrecke auf das Drittland Schweiz entfällt (vgl. Rz. 133 Satz 5). Der leistende Unternehmer F ist Steuerschuldner (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG) und hat den Umsatz im Rahmen des allgemeinen Besteuerungsverfahrens (§ 18 Abs. 1 bis 4 UStG) zu versteuern (vgl. hierzu Rz. 141).

136

(5) Eine gebrochene innergemeinschaftliche Güterbeförderung liegt vor, wenn einem Beförderungsunternehmer für eine Güterbeförderung über die gesamte Beförderungsstrecke ein Auftrag erteilt wird, jedoch bei der Durchführung der Beförderung mehrere Beförderungsunternehmer nacheinander mitwirken. Liegen Beginn und Ende der gesamten Beförderung in den Gebieten verschiedener EU-Mitgliedstaaten, ist hinsichtlich der Beförderungsleistung des Beförderungsunternehmers an den Auftraggeber eine gebrochene innergemeinschaftliche Güterbeförderung nach § 3b Abs. 3 UStG gegeben, wenn der Auftraggeber ein Nichtunternehmer (siehe Rz. 1) ist. Die Beförderungsleistungen der vom Auftragnehmer eingeschalteten weiteren Beförderungsunternehmer sind für sich zu beurteilen. Da es sich insoweit jeweils um Leistungen an einen anderen Unternehmer für dessen unternehmerischen Bereich handelt, richtet sich der Leistungsort für diese Beförderungsleistungen nicht nach § 3b Abs. 1 Sätze 1 bis 3 oder Abs. 3 UStG, sondern nach § 3a Abs. 2 UStG (vgl. Rz. 7 bis 23).

Beispiel 1:
Die in Deutschland ansässige Privatperson P beauftragt den in Frankreich ansässigen Frachtführer S, Güter von Paris nach Rostock zu befördern. S befördert die Güter von Paris nach Aachen und beauftragt für die Strecke von Aachen nach Rostock den in Köln ansässigen Unterfrachtführer F mit der Beförderung. Dabei teilt S im Frachtbrief an F den Abgangsort und den Bestimmungsort der Gesamtbeförderung mit. S verwendet gegenüber F seine französische USt-IdNr.

Die Beförderungsleistung des S an seinen Auftraggeber P umfasst die Gesamtbeförderung von Paris nach Rostock. Die Leistung ist in Deutschland nicht steuerbar, da der Abgangsort in Frankreich liegt (§ 3b Abs. 3 UStG).

Die Beförderungsleistung des F von Aachen nach Rostock an seinen Auftraggeber S ist keine innergemeinschaftliche Güterbeförderung, sondern eine inländische Güterbeförderung. Da aber S Unternehmer ist und den Umsatz zur Ausführung von Umsätzen, also für den unternehmerischen Bereich verwendet (vgl. Rz. 15), ist der Leistungsort in Frankreich (§ 3a Abs. 2 UStG). Steuerschuldner der französischen Umsatzsteuer ist der Leistungsempfänger S, da der leistende Unternehmer F nicht in Frankreich ansässig ist (vgl. Artikel 196 MwStSystRL). In der Rechnung an S darf keine französische Umsatzsteuer enthalten sein.

Beispiel 2:
Die deutsche Privatperson P beauftragt den in Deutschland ansässigen Frachtführer S, Güter von Amsterdam nach Dresden zu befördern. S beauftragt den in den Niederlanden ansässigen Unterfrachtführer F, die Güter von Amsterdam nach Venlo zu bringen. Dort übernimmt S die Güter und befördert sie weiter nach Dresden. Dabei teilt S im Frachtbrief an F den Abgangsort und den Bestimmungsort der Gesamtbeförderung mit. S verwendet gegenüber F seine deutsche USt-IdNr.

Die Beförderungsleistung des S an seinen Auftraggeber P umfasst die Gesamtbeförderung von Amsterdam nach Dresden und ist eine innergemeinschaftliche Güterbeförderung. Die Leistung ist in Deutschland nicht steuerbar, der Leistungsort ist am Abgangsort in den Niederlanden (§ 3b Abs. 3 UStG). Steuerschuldner in den Niederlanden ist der leistende Unternehmer S (vgl. Artikel 193 MwStSystRL). S muss in der Rechnung an P die niederländische Umsatzsteuer gesondert ausweisen.

Die Beförderungsleistung des F an seinen Auftraggeber S von Amsterdam nach Venlo ist keine innergemeinschaftliche Güterbeförderung, sondern eine inländische Güterbeförderung in den Niederlanden. Da S Unternehmer ist und den Umsatz zur Ausführung von Umsätzen, also für den unternehmerischen Bereich verwendet, ist der Leistungsort in Deutschland (§ 3a Abs. 2 UStG). Steuerschuldner in Deutschland ist der Leistungsempfänger S (§ 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 UStG). F darf in der Rechnung an S die deutsche Umsatzsteuer nicht gesondert ausweisen.

137

(6) Wird bei Vertragsabschluss einer gebrochenen innergemeinschaftlichen Güterbeförderung eine „unfreie Versendung“ bzw. „Nachnahme der Fracht beim Empfänger“ vereinbart, trägt der Empfänger der Frachtsendung die gesamten Beförderungskosten. Dabei erhält jeder nachfolgende Beförderungsunternehmer die Rechnung des vorhergehenden Beförderungsunternehmers über die Kosten der bisherigen Teilbeförderung. Der letzte Beförderungsunternehmer rechnet beim Empfänger der Ware über die Gesamtbeförderung ab. In diesen Fällen ist aus Vereinfachungsgründen jeder Rechnungsempfänger als Leistungsempfänger im Sinne des § 3b Abs. 3 bzw. des § 3a Abs. 2 UStG anzusehen.

Beispiel:
Die deutsche Privatperson P beauftragt den deutschen Frachtführer S, Güter von Potsdam nach Bordeaux zu befördern. Die Beförderungskosten sollen dem Empfänger (Privatperson) A in Bordeaux in Rechnung gestellt werden (Frachtnachnahme). S befördert die Güter zu seinem Unterfrachtführer F in Paris und stellt diesem seine Kosten für die Beförderung bis Paris in Rechnung. F befördert die Güter nach Bordeaux und berechnet dem Empfänger A die Kosten der Gesamtbeförderung. Bei Auftragserteilung wird angegeben, dass F gegenüber S seine französische USt-IdNr. verwendet. Als Leistungsempfänger des S ist F anzusehen, da S gegenüber F abrechnet und F die Frachtkosten des S als eigene Schuld übernommen hat. Als Leistungsempfänger von F ist A anzusehen, da F gegenüber A abrechnet.

Die Beförderungsleistung des S an F umfasst die Beförderung von Potsdam nach Paris. Die Leistung ist in Frankreich steuerbar, da der Leistungsempfänger F Unternehmer ist und den Umsatz zur Ausführung von Umsätzen, also für den unternehmerischen Bereich verwendet (§ 3a Abs. 2 UStG). Steuerschuldner der französischen Umsatzsteuer ist der Leistungsempfänger F, da der leistende Unternehmer S nicht in Frankreich ansässig ist (vgl. Artikel 196 MwStSystRL, vgl. auch Rz. 143). In der Rechnung an F darf keine französische Umsatzsteuer enthalten sein (vgl. hierzu Rz. 144); auf die Steuerschuldnerschaft des F ist in der Rechnung hinzuweisen.

Da F gegenüber A die gesamte Beförderung abrechnet, ist F so zu behandeln, als ob er die Gesamtbeförderung von Potsdam nach Bordeaux erbracht hätte. Die Leistung ist als innergemeinschaftliche Güterbeförderung in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig (§ 3b Abs. 3 UStG). Steuerschuldner der deutschen Umsatzsteuer ist der leistende Unternehmer F (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG; vgl. auch Rz. 141).

 

III. Ort der Restaurationsleistungen während einer Beförderung an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn (§ 3e UStG)

138

Der Ort der Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle (Restaurationsleistung) während einer Beförderung an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn ist grundsätzlich nach § 3e UStG im Inland belegen, wenn die Beförderung im Inland beginnt bzw. der Abgangsort des Beförderungsmittels im Inland belegen ist und die Beförderung im Gemeinschaftsgebiet endet bzw. der Ankunftsort des Beförderungsmittels im Gemeinschaftsgebiet belegen ist. Ausgenommen sind dabei lediglich Restaurationsleistungen während eines Zwischenaufenthalts eines Schiffs im Drittland, bei denen die Reisenden das Schiff, und sei es nur für kurze Zeit, verlassen können, sowie während des Aufenthalts des Schiffs im Hoheitsgebiet dieses Staates. Restaurationsleistungen auf einem Schiff während eines solchen Zwischenaufenthalts und im Verlauf der Beförderung im Hoheitsgebiet dieses Staates, unterliegen der Besteuerungskompetenz des Staates, in dem der Zwischenaufenthalt erfolgt (vgl. EuGH- Urteil vom 15. 9. 2005, C-58/04, BStBl 2007 II S. 150, sowie BFH-Urteil vom 20. 12. 2005, V R 30/02, BStBl 2007 II S. 139). Sind die Voraussetzungen des § 3e UStG nicht erfüllt, gilt der Abgangsort des Beförderungsmittels nicht als Ort der Restaurationsleistung; dieser bestimmt sich dann vielmehr nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe b UStG (vgl. Rz. 47).

 

IV. Besteuerungsverfahren bei sonstigen Leistungen

Leistungsort in der Bundesrepublik Deutschland

139

(1) Bei im Inland erbrachten sonstigen Leistungen ist der leistende Unternehmer der Steuerschuldner, wenn er im Inland ansässig ist. Die Umsätze sind im allgemeinen Besteuerungsverfahren nach § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG zu versteuern.

140

(2) Ist der leistende Unternehmer im Ausland ansässig, schuldet der Leistungsempfänger nach § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG die Steuer, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist (vgl. hierzu Abschnitt 182a UStR).

141

(3) Ist der Empfänger einer sonstigen Leistung weder ein Unternehmer noch eine juristische Person des öffentlichen Rechts, hat der leistende ausländische Unternehmer diesen Umsatz im Inland im allgemeinen Besteuerungsverfahren nach § 16 und § 18 Abs. 1 bis 4 UStG zu versteuern.

 

Leistungsort in anderen EU-Mitgliedstaaten

142

(4) Grundsätzlich ist der Unternehmer, der sonstige Leistungen in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausführt, in diesem EU-Mitgliedstaat Steuerschuldner der Umsatzsteuer (Artikel 193 MwStSystRL).

143

(5) Liegt der Ort einer sonstigen Leistung, bei der sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG bestimmt, in einem EU-Mitgliedstaat, und ist der leistende Unternehmer dort nicht ansässig, schuldet der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer, wenn er in diesem EU-Mitgliedstaat als Unternehmer für Umsatzsteuerzwecke erfasst ist oder eine nicht steuerpflichtige juristische Person mit USt-IdNr. ist (vgl. Artikel 196 MwStSystRL).

144

(6) Ist der Leistungsempfänger Steuerschuldner, darf in der Rechnung des in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen leistenden Unternehmers keine Umsatzsteuer im Rechnungsbetrag gesondert ausgewiesen sein. In der Rechnung ist auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers besonders hinzuweisen.

145

(7) Steuerpflichtige sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 2 UStG, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, hat der leistende Unternehmer in der Umsatzsteuer-Voranmeldung (Zeile 41) und der Umsatzsteuer-Erklärung für das Kalenderjahr (§ 18b Satz 1 Nr. 2 UStG) und in der Zusammenfassenden Meldung (§ 18a UStG) anzugeben.

 

V. Anwendungszeitpunkt

146

Dieses Schreiben ist auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2009 ausgeführt werden.

147

Die Abschnitte 33 bis 42i UStR 2008 sind auf Umsätze, die nach dem 31. Dezember 2009 ausgeführt werden, nicht mehr anzuwenden.


Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Im Auftrag

Zum Artikel

Veröffentlicht: 22. Juni 2010
Geschäftszeichen: IV C 6 - S 2133/09/10001

Das BMF-Schreiben vom 12. März 2010 (BStBl I S. 239) enthält unter Randnummer 8 eine Regelung zur steuerrechtlichen Aktivierungspflicht der in § 255 Absatz 2 Satz 3 HGB aufgeführten Kosten als Herstellungskosten im Sinne des § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 1 EStG.

Zur zeitlichen Anwendung dieser Regelung wird im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder das BMF-Schreiben vom 12. März 2010 (a.a.O.) um folgende Randnummer 25 ergänzt:

„Soweit Randnummer 8 von R 6.3 Absatz 4 EStR 2008 abweicht, ist es nicht zu beanstanden, wenn für Wirtschaftsjahre, die vor der Veröffentlichung einer geänderten Richtlinienfassung enden, noch nach R 6.3 Absatz 4 EStR 2008 verfahren wird.“


Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Zum Artikel

Veröffentlicht: 15. Juni 2010
Geschäftszeichen: IV D 3 - S 7427/08/10003-03

 

§ 18a Umsatzsteuergesetz (UStG) wurde im Zuge der Umsetzung von Artikel 2 der Richtlinie 2008/8/EG vom 12. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistungen durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794) mit Wirkung zum 1. Januar 2010 geändert. Steuerpflichtige sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Absatz 2 UStG, die im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführt werden und für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, sind ab 1. Januar 2010 in der Zusammenfassenden Meldung anzugeben und an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln.

Ferner wurde § 18a UStG durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 8. April 2010 (BGBl. I S. 386) mit Wirkung zum 1. Juli 2010 neu gefasst und dadurch Artikel 1 der Richtlinie 2008/117/EG vom 16. Dezember 2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem zum Zweck der Bekämpfung des Steuerbetrugs bei innergemeinschaftlichen Umsätzen umgesetzt. Danach ist die Zusammenfassende Meldung monatlich abzugeben, wenn die Summe der Bemessungsgrundlagen für innergemeinschaftliche Warenlieferungen und für Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen innergemeinschaftlicher Dreiecksgeschäfte eine bestimmte Betragsgrenze überschreitet.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

 

1. Abgabe der Zusammenfassenden Meldung

(1) Jeder Unternehmer im Sinne des § 2 UStG, der innergemeinschaftliche Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG), im übrigen Gemeinschaftsgebiet steuerpflichtige sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Absatz 2 UStG (vgl. Rz. 7 bis 23 des BMF-Schreibens vom 4. September 2009 - IV B 9 - S 7117/08/10001 [2009/0580334] - [BStBl I S. 1005], BMF-Schreiben vom 8. Dezember 2009 - IV B 9 - S 7117/08/10001 [2009/0824594] - [BStBl I S. 1612] und BMF-Schreiben vom 18. März 2010 - IV D 3 - S 7117/08/10001-03 [2010/0213469] - [BStBl. I S. 256]), für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, oder Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen innergemeinschaftlicher Dreiecksgeschäfte (vgl. Abschnitt 276b Umsatzsteuerrichtlinien - UStR -) ausgeführt hat, ist verpflichtet, dem Bundeszentralamt für Steuern bis zum 25. Tag nach Ablauf des Meldezeitraums eine Zusammenfassende Meldung zu übermitteln. Kleinunternehmer im Sinne von § 19 UStG müssen keine Zusammenfassende Meldung abgeben (§ 18a Absatz 4 UStG).

In Abhängigkeit von den jeweiligen Voraussetzungen ist Meldezeitraum für die Zusammenfassende Meldung der Kalendermonat (§ 18a Absatz 1 Satz 1 UStG), das Kalendervierteljahr (§ 18a Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 UStG) oder das Kalenderjahr (§ 18a Absatz 9 UStG), vgl. Rzn. 5 bis 10.

Für einen Meldezeitraum, in dem keine der vorbezeichneten Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt wurden, ist eine Zusammenfassende Meldung nicht zu übermitteln.

(2) Nichtselbständige juristische Personen im Sinne von § 2 Absatz 2 Nummer 2 UStG (Organgesellschaften) sind verpflichtet, eine eigene Zusammenfassende Meldung für die von ihnen ausgeführten innergemeinschaftlichen Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG), im übrigen Gemeinschaftsgebiet steuerpflichtige sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Absatz 2 UStG für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet oder Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen innergemeinschaftlicher Dreiecksgeschäfte zu übermitteln (§ 18a Absatz 5 Satz 4 UStG). Dies gilt unabhängig davon, dass diese Vorgänge umsatzsteuerrechtlich als Umsätze des Organträgers behandelt werden und in dessen Voranmeldung und Steuererklärung für das Kalenderjahr anzumelden sind. Die meldepflichtigen Organgesellschaften benötigen zu diesem Zweck eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 27a Absatz 1 Satz 3 UStG).

(3) Zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung nach Rz. 1 sind auch pauschalversteuernde Land- und Forstwirte verpflichtet. Dies gilt unabhängig davon, dass nach § 24 Absatz 1 UStG die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Warenlieferungen im Sinne von § 4 Nummer 1 Buchstabe b i. V. m. § 6a UStG keine Anwendung findet.

(4) Die Zusammenfassende Meldung ist nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu über- mitteln (vgl. BMF-Schreiben vom 15. Januar 2007, BStBl I S. 95). Informationen zur elektronischen Übermittlung sind unter den Internet-Adressen www.elster.de oder www.bzst.de abrufbar. Zur Vermeidung von unbilligen Härten kann das für die Besteuerung des Unternehmers zuständige Finanzamt auf Antrag zulassen, dass die Zusammenfassende Meldung in herkömmlicher Form - auf Papier - nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abgegeben wird. Dem Antrag ist zuzustimmen, wenn für den Unternehmer die Übermittlung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine elektronische Übermittlung des amtlichen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Unternehmer nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage st, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen (§ 150 Absatz 8 Abgabenordnung). Soweit das Finanzamt nach § 18 Absatz 1 Satz 2 UStG auf eine elektronische Übermittlung der Voranmeldung verzichtet hat, gilt dies auch für die Zusammenfassende Meldung.

 

2. Abgabefrist

(1) Die Zusammenfassende Meldung ist bis zum 25. Tag nach Ablauf jedes Kalendermonats an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln, wenn die Summe der Bemessungsgrundlagen für innergemeinschaftliche Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG) und Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften für das laufende Kalendervierteljahr oder für eines der vier vorangegangenen Kalendervierteljahre jeweils mehr als 100 000 Euro beträgt. Die Regelungen über die Dauerfristverlängerung nach § 18 Absatz 6 UStG und §§ 46 bis 48 UStDV gelten nicht für die Zusammenfassende Meldung.

(2) Übersteigt im Laufe eines Kalendervierteljahres die Summe der Bemessungsgrundlagen für innergemeinschaftliche Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG) und Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften 100 000 Euro, ist die Zusammenfassende Meldung bis zum 25. Tag nach Ablauf des Kalendermonats, in dem dieser Betrag überschritten wird, zu übermitteln. Wird die Betragsgrenze von 100 000 Euro im zweiten Kalendermonat eines Kalendervierteljahres überschritten, kann der Unternehmer eine Zusammenfassende Meldung für die bereits abgelaufenen Kalendermonate dieses Kalendervierteljahres übermitteln, in der die Angaben für diese beiden Kalendermonate zusammengefasst werden, oder jeweils eine Zusammenfassende Meldung für jeden der abgelaufenen Kalendermonate dieses Kalendervierteljahres. Überschreitet der Unternehmer die Betragsgrenze im dritten Kalendermonat eines Kalendervierteljahres, wird es nicht beanstandet, wenn er statt einer Zusammenfassenden Meldung für dieses Kalendervierteljahr jeweils gesondert eine Zusammenfassende Meldung für jeden der drei Kalendermonate dieses Kalendervierteljahres übermittelt.

Beispiel:

Der deutsche Maschinenhersteller M liefert im Januar des Jahres 01 eine Maschine für 20 000 Euro und im Februar des Jahres 01 eine weitere Maschine für 35 000 Euro an den belgischen Unternehmer U. Ferner liefert M im Februar des Jahres 01 eine Maschine für 50 000 Euro an den französischen Automobilhersteller A. Die Rechnungsstellung erfolgte jeweils zeitgleich mit der Ausführung der Lieferungen.

M ist verpflichtet, die Umsätze bis zum 25. März 01 dem Bundeszentralamt für Steuern zu melden. Wahlweise kann er für die Monate Januar 01 und Februar 01 jeweils gesondert eine Zusammenfassende Meldung übermitteln, oder er übermittelt eine Zusammenfassende Meldung, in der er die Summe der Bemessungsgrundlagen der an U und A ausgeführten innergemeinschaftlichen Warenlieferungen gemeinsam für die Monate Januar 01 und Februar 01 angibt.

(3) Unternehmer können die Zusammenfassende Meldung auch monatlich übermitteln, wenn die Summe der Bemessungsgrundlagen für innergemeinschaftliche Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG) und Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften weder für das laufende Kalendervierteljahr noch für eines der vier vorangegangenen Kalendervierteljahre jeweils mehr als 100 000 Euro beträgt. Möchte der Unternehmer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, hat er dies dem Bundes- zentralamt für Steuern anzuzeigen (§ 18a Absatz 1 Satz 4 UStG). Der Anzeigepflicht kommt der Unternehmer nach, wenn er bei der erstmaligen Inanspruchnahme das auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck für die Zusammenfassende Meldung dafür vorgesehene Feld ankreuzt. Die Ausübung des Wahlrechts bindet den Unternehmer bis zum Zeitpunkt des Widerrufs, mindestens aber für die Dauer von 12 Kalendermonaten.

Der Widerruf wird dem Bundeszentralamt für Steuern durch Markieren des dafür vorgesehenen Feldes auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck für die Zusammenfassende Meldung angezeigt. Soweit in begründeten Einzelfällen ein Widerruf vor Ablauf der Ausschlussfrist von 12 Kalendermonaten notwendig werden sollte, ist dies dem Bundeszentralamt für Steuern schriftlich unter Angabe der Gründe mitzuteilen.

(4) Die Zusammenfassende Meldung ist bis zum 25. Tag nach Ablauf jedes Kalendervierteljahres zu übermitteln, wenn steuerpflichtige sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Absatz 2 UStG im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführt wurden, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet.

(5) Unternehmer, die hinsichtlich der Ausführung von innergemeinschaftlichen Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG) und Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen innergemeinschaftlicher Dreiecksgeschäfte zur monatlichen Übermittlung einer Zusammenfassenden Meldung verpflichtet sind, melden die im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführten steuerpflichtigen sonstigen Leistungen im Sinne von § 3a Absatz 2 UStG, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, in der Zusammenfassenden Meldung für den letzten Monat des Kalendervierteljahres.

(6) Unternehmer, die die Zusammenfassende Meldung hinsichtlich der Ausführung von innergemeinschaftlichen Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG) und Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen innergemeinschaftlicher Dreiecksgeschäfte monatlich übermitteln, können darin auch die steuerpflichtigen sonstigen Leistungen im Sinne von § 3a Absatz 2 UStG, die in dem entsprechenden Kalendermonat im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführt worden sind und für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, monatlich angeben (§ 18a Absatz 3 Satz 1 UStG). Die Ausübung dieser Wahlmöglichkeit wird dem Bundeszentralamt für Steuern durch die Angabe von im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführten steuerpflichtigen sonstigen Leistungen im Sinne von § 3a Absatz 2 UStG für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet in der Zusammenfassenden Meldung für den ersten oder zweiten Kalendermonat eines Kalendervierteljahres angezeigt (§ 18a Absatz 3 Satz 2 UStG).

 

3. Angaben für den Meldezeitraum

(1) In der Zusammenfassenden Meldung ist nach § 18a Absatz 7 UStG in dem jeweiligen Meldezeitraum getrennt für jeden Erwerber oder Empfänger der dort bezeichneten Lieferungen oder sonstigen Leistungen die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und die Summe der Bemessungsgrundlagen gesondert nach innergemeinschaftlichen Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG), steuerpflichtigen sonstigen Leistungen im Sinne von § 3a Absatz 2 UStG, die im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführt worden sind und für die der in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, und Lieferungen im Sinne von § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften anzugeben und entsprechend zu kennzeichnen.

Wird eine steuerpflichtige sonstige Leistung im vorstehenden Sinne dauerhaft über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erbracht, gilt § 13b Absatz 3 UStG entsprechend.

Unbeachtlich ist, ob der Unternehmer seine Umsätze nach vereinbarten oder vereinnahmten Entgelten versteuert. Bei den steuerpflichtigen sonstigen Leistungen im vorstehenden Sinne und den Lieferungen im Sinne von § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen von innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften ist es zudem unbeachtlich, wann der Unternehmer die Rechnung ausgestellt hat.

(2) Wegen der Umrechnung von Werten in fremder Währung vgl. Abschnitt 222 UStR. Hat der Unternehmer die Rechnung für eine innergemeinschaftliche Warenlieferung, die er im letzten Monat eines Meldezeitraums ausgeführt hat, erst nach Ablauf des Meldezeitraums ausgestellt, ist für die Umrechnung grundsätzlich der Durchschnittskurs des auf den Monat der Ausführung der Lieferung folgenden Monats heranzuziehen.

 

4. Änderung der Bemessungsgrundlage

(1) Hat sich die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für die zu meldenden Umsätze nachträglich geändert (z. B. durch Rabatte), sind diese Änderungen in dem Meldezeitraum zu berücksichtigen, in dem sie eingetreten sind. Dies gilt entsprechend in den Fällen des § 17 Absatz 2 UStG (z. B. Uneinbringlichkeit der Forderung, Rückgängigmachung der Lieferung). Gegebenenfalls ist der Änderungsbetrag mit der jeweiligen Summe der Bemessungsgrundlagen für innergemeinschaftliche Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG), im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführte steuerpflichtige sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Absatz 2 UStG, für die der in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet, oder für Lieferungen im Rahmen innergemeinschaftlicher Dreiecksgeschäfte (§ 25b Absatz 2 UStG) zu saldieren, die im maßgeblichen Zeitraum zu melden sind. Der Gesamtbetrag der zu meldenden Bemessungsgrundlagen kann negativ sein.

(2) Der Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen kann ausnahmsweise auf Grund von Saldierungen 0 Euro betragen. In diesem Fall ist „0“ zu melden.

(3) Von nachträglichen Änderungen der Bemessungsgrundlage sind die Berichtigungen von Angaben zu unterscheiden, die bereits bei ihrer Meldung unrichtig oder unvollständig sind (vgl. Rz. 16).

 

5. Berichtigung der Zusammenfassenden Meldung

(1) Eine unrichtige oder unvollständige Zusammenfassende Meldung muss gesondert für den Meldezeitraum berichtigt werden, in dem die unrichtigen oder unvollständigen Angaben erklärt wurden. Wird eine unrichtige oder unvollständige Zusammenfassende Meldung vorsätzlich oder leichtfertig nicht oder nicht rechtzeitig berichtigt, kann dies als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 5 000 Euro geahndet werden (vgl. § 26a Absatz 1 Nummer 5 UStG). Rechtzeitig ist die Berichtigung, wenn sie innerhalb von einem Monat, nachdem der Unternehmer die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit erkannt hat, übermittelt wird (§ 18a Absatz 10 UStG). Für die Fristwahrung ist der Zeitpunkt des Eingangs der berichtigten Zusammenfassenden Meldung beim Bundeszentralamt für Steuern maßgeblich.

(2) Eine Zusammenfassende Meldung ist zu berichtigen, soweit der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige unternehmerische Leistungsempfänger, der die Steuer dort schuldet, seine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dem leistenden Unternehmer erst nach dem Bezug einer im übrigen Gemeinschaftsgebiet steuerpflichtigen sonstigen Leistung im Sinne von § 3a Absatz 2 UStG mitgeteilt hat, und daher deren Angabe in der Zusammenfassenden Meldung für den Meldezeitraum zunächst unterblieben ist.

 

6. Anwendungszeitpunkt

(1) Dieses Schreiben ist anzuwenden für innergemeinschaftliche Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG) und Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen innergemeinschaftlicher Dreiecksgeschäfte, die nach dem 30. Juni 2010 ausgeführt werden, sowie auf steuerpflichtige sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Absatz 2 UStG, die nach dem 30. Juni 2010 im übrigen Gemeinschaftsgebiet erbracht werden und für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet. Maßgebend für die Bestimmung des Meldezeitraums nach § 18a Absatz 1 Satz 1 UStG ist die Summe der Bemessungsgrundlagen der innergemeinschaftlichen Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG) und Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG im Rahmen innergemeinschaftlicher Dreiecksgeschäfte im 3. und 4. Quartal des Jahres 2009 und im 1. und 2. Quartal des Jahres 2010.

(2) Für die Übermittlung der Zusammenfassenden Meldung für das 2. Quartal 2010 ist § 18a Absatz 1 Satz 7 UStG in der bis zum 30. Juni 2010 geltenden Fassung anzuwenden.

(3) Dieses Schreiben gilt vom 1. Januar 2012 mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Betrages von 100 000 Euro der Betrag von 50 000 Euro tritt (vgl. § 18a Absatz 1 Satz 5 UStG).


Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Zum Artikel

↯ Hinweis – aktueller Artikel verfügbar

Die Inhalte dieses Fachartikels entsprechen nicht mehr der neuesten Rechtslage. Eine aktuelle Version dieses Artikels finden Sie hier:


Bilanzanalyse nach BilMoG

Grundlagen und Auswirkungen auf typische Bilanzkennzahlen

1 Vorbemerkungen

Die Änderungen durch das BilMoG in den Bereichen Bilanzierung und Bewertung können zu einer erheblichen Veränderung des durch den handelsrechtlichen Jahres- bzw. Konzernabschluss gewährten Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens bzw. Konzerns führen. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die Auswirkungen der Veränderungen.

Wenn im Folgenden von „Unternehmen“, Jahresabschluss und Lagebericht gesprochen wird, soll dies auch Konzerne einschließen.

2 Grundlagen der Bilanzanalyse

Unter Bilanzanalyse werden die Verfahren der Informationsgewinnung und -auswertung bezeichnet, mittels derer aus den Angaben des Jahresabschlusses und des Lage- bzw. Konzernlageberichts Erkenntnisse über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens gewonnen werden. Im Mittelpunkt steht die Beurteilung, inwieweit das Unternehmen in der Vergangenheit in der Lage war, die betriebswirtschaftlichen Ziele Liquidität, Erfolg und Erfolgspotenzial zu erreichen, und inwieweit das Unternehmen wahrscheinlich auch in der Zukunft in der Lage sein wird, diese Ziele zu erfüllen.

Als grundlegendes Ziel wird die Aufrechterhaltung der Liquidität betrachtet. Hierunter wird die jederzeitige Fähigkeit verstanden, den Zahlungsverpflichtungen planmäßig vollständig nachkommen zu können. Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Zahlungsbereitschaft ist die Erhaltung des Unternehmenserfolgs. Nur wenn das Unternehmen nachhaltig Gewinne erwirtschaftet, wird es auch in der Lage sein, seine Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Die Erzielung von Gewinnen wiederum ist abhängig von der Erhaltung des Erfolgspotenzials.

Das Erfolgspotenzial wird als Bündel nachhaltig wirksamer Wettbewerbsvorteile betrachtet, das im Kontext der Chancen und Risiken des Unternehmensumfelds und der Stärken und Schwächen des Unternehmens rechtzeitig aufgebaut werden muss, um in nachfolgenden Perioden Erfolge erzielen zu können. Umgekehrt ist die Liquidität unerlässlich für die zukünftige Erfolgsrealisation, welche wiederum vom rechtzeitigen Aufbau von Erfolgspotenzialen abhängig ist.

Bilanzanalyse

Die Bilanzanalyse im klassischen Sinn beschäftigt sich mit der finanzwirtschaftlichen und der erfolgswirtschaftlichen Situation eines Unternehmens. Betrachtungsschwerpunkte sind die Liquidität und der Erfolg.

Die finanzwirtschaftliche Bilanzanalyse untersucht die Struktur von Vermögen und Kapital und versucht, eine Aussage darüber abzuleiten, ob das Unternehmen auch in der absehbaren Zukunft in der Lage sein wird, jederzeit seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen und ob Finanzierung und Kapitalverwendung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Im Mittelpunkt steht die Beurteilung der finanziellen Stabilität. Adressaten der finanzwirtschaftlichen Bilanzanalyse sind insbesondere Gläubiger, Lieferanten, Kunden und Arbeitnehmer.

Die erfolgswirtschaftliche Bilanzanalyse untersucht die Qualität der erwirtschafteten Erfolge. Eine Prognose über künftige Erfolge soll ermöglicht werden. Im Mittelpunkt stehen die Beurteilung der aktuellen und zukünftig erwarteten Ertragskraft sowie die Einschätzung des Ertragsrisikos. Das Potenzial künftiger Dividendenausschüttungen und Kursentwicklungen soll prognostiziert werden.

Datenauswertung

Die aus dem Jahresschluss und dem Lagebericht gewonnenen Daten können auf unterschiedliche Weise ausgewertet werden: Die Daten können mit Vergleichsdaten desselben Unternehmens aus früheren Jahren, mit denen anderer Unternehmen oder mit Soll-Normen verglichen werden.

Die Daten können als absolute Zahlen der Auswertung zugrunde gelegt werden. Aus den Daten können jedoch auch Kennzahlen generiert werden. Hierzu werden zwei Werte zueinander in Relation gesetzt. Zähler und Nenner der Kennzahl müssen in einem sinnvollen Zusammenhang zueinander stehen.

Es wird zwischen Gliederungs- und Beziehungszahlen unterschieden. Bei Gliederungszahlen ist die im Zähler angesetzte Zahl Teil der im Nenner dargestellten Größe (beispielsweise Anlagevermögen in Relation zur Bilanzsumme). Bei Beziehungszahlen werden unterschiedliche Gesamtheiten zueinander in Relation gesetzt (beispielsweise Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in Relation zu Umsatzerlösen).

Daneben können Kennzahlen verdichtet werden. Dies geschieht beispielsweise im Rahmen der so genannten Diskriminanzanalyse, im Rahmen von Kreditvergaberichtlinien und bei Rating-Verfahren.

Die Aussagekraft bilanzanalytischer Erkenntnisse ist aus folgenden Gründen begrenzt:

  • Mittels der Bilanzanalyse sollen aus Vergangenheitszahlen Aussagen über die zukünftige Entwicklung getroffen werden. Die Prognosen beruhen auf der Annahme, dass eine in der Vergangenheit festgestellte Tendenz in die Zukunft extrapoliert werden kann. Die Einschätzung künftiger Entwicklungen ist jedoch mit erheblicher Unsicherheit verbunden.

  • Prognosen über die künftige Entwicklung eines Unternehmens werden auf der Grundlage unvollständiger Daten getroffen. Es bestehen daher Ungenauigkeiten.

  • Die herangezogenen Vergangenheitsdaten können durch bilanzpolitische Maßnahmen und Ermessensentscheidungen verzerrt sein. Insbesondere die Legung bzw. Auflösung stiller Reserven kann das tatsächliche Bild der Vermögens- und Ertragslage verschleiern.

  • Die Aussagekraft der Auswertungen kann durch das weiterhin im Handelsgesetzbuch immanente Vorsichtsprinzip verzerrt sein.

  • Der Vergleich der Daten unterschiedlicher Unternehmen kann durch die Anwendung unterschiedlicher Rechnungslegungsnormen (HGB, IFRS, US-GAAP) erschwert werden.

3 Vereinfachung der Bilanzanalyse durch Reduzierung des Umfangs vorzunehmender Bereinigungen

Vor Inkrafttreten des BilMoG waren Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung mitunter derart von der Ausübung bilanzpolitischer Wahlrechte und der Anwendung steuerlicher Regelungen und Sonderregelungen verzerrt, dass eine umfangreiche Überleitung hin zu einer „normierten“ Rechnungslegung vor der eigentlichen Analyse erforderlich war. Mit dem BilMoG wird die Anzahl derartiger Wahlrechte und Sonderregelungen erheblich eingeschränkt, sodass die vor der eigentlichen Bilanzanalyse erforderlichen Bereinigungen am Jahresabschluss vereinfacht werden.

Als Beispiele seien hier aufgeführt:

  • Infolge des Wegfalls der Verzerrung handelsbilanzieller Werte durch die so genannte steuerliche Maßgeblichkeit werden Bereinigungen um steuerliche Verzerrungen zukünftig unnötig (§§ 247 Abs. 3, 273 HGB).

  • Das bisherige Wahlrecht zum aktivischen oder passivischen Ausweis eigener Anteile wird gestrichen. Künftig ist der Nettoausweis zwingend vorgeschrieben (§ 272 Abs. 1 HGB). Eine in der Vergangenheit erforderliche Saldierung aktivisch ausgewiesener eigener Anteile mit dem Eigenkapital zur Erstellung einer für bilanzanalytische Auswertungen geeigneten Bilanz ist nicht mehr erforderlich.

  • Vom Tochterunternehmen gehaltene Anteile am Mutterunternehmen (so genannte Rückbeteiligungen) wurden bislang im Umlaufvermögen ausgewiesen. Zukünftig sind diese offen in einer Vorspalte vom gezeichneten Kapital abzusetzen (§ 301 Abs. 4 HGB). Eine manuelle Saldierung mit dem Eigenkapital ist damit vor Erstellung bilanzanalytischer Auswertungen nicht mehr erforderlich.

  • Die Eliminierung übermäßiger Abschreibungen bzw. Abwertungen ist infolge der Streichung der ermessensbehafteten Abschreibungen im Rahmen kaufmännisch vernünftiger Beurteilung und zur Vorwegnahme künftiger Wertschwankungen (§§ 253 Abs. 3 S. 3 und Abs. 4 HGB) nicht mehr notwendig.

  • Eine Stornierung aktivierter Bilanzierungshilfen und gebildeter Aufwandsrückstellungen ist nicht mehr erforderlich (§§ 269 und 249 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 HGB).

  • Eine Anpassung der Bewertung von zu Handelszwecken gehaltenen Finanzinstrumenten ist infolge der zukünftigen Verkehrsbewertung ebenfalls nicht mehr notwendig (§ 253 Abs. 1 S. 3 und S. 5 HGB).

4 Einzelabschluss

4.1 Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage

4.1.1 Analyse der vertikalen Bilanzstruktur

Ziel der finanzwirtschaftlichen Bilanzanalyse ist die Gewinnung von Aussagen über die Vermögens- und die Kapitalstruktur (Investitions- bzw. Finanzierungsanalyse) sowie die Liquiditätssituation (Liquiditätsanalyse) des betrachteten Unternehmens.

Im Mittelpunkt der Investitionsanalyse steht die Analyse der Zusammensetzung des Vermögens und der Dauer der Vermögensbindung. Es soll beurteilt werden, mit welcher Frist die Vermögenswerte durch den Umsatzprozess zu Geld gemacht werden können. Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit soll abgeschätzt werden.

Der Anteil des kurzfristig monetarisierbaren Umlaufvermögens am Gesamtvermögen wird als so genannte Umlaufintensität bezeichnet. Der Anteil des Anlagevermögens am Gesamtvermögen ist die so genannte Anlagenintensität.

Je größer der Anteil des Umlaufvermögens am gesamten Vermögen ist, desto größer sind für gewöhnlich die so genannte Dispositions- und die Erfolgselastizität. Die Dispositionselastizität umschreibt das Maß der Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an Beschäftigungs- und Strukturänderungen. Die Erfolgselastizität erfasst das Maß der Auswirkung von Beschäftigungsänderungen auf das leistungswirtschaftliche Risiko. Je geringer der Fixkostenanteil ist, desto geringer ist die Vermögensbindung und desto kürzer ist für gewöhnlich die Zeitspanne bis zum Umschlag der Vermögensgegenstände und bis zur daraus resultierenden Umsatzrealisation.

Das Verhältnis von Anlage- zu Umlaufvermögen wird durch unternehmens- und branchenspezifische Faktoren wie Kapitalintensität der Fertigung, Fertigungstiefe sowie Produktionsprogramm und -prozess beeinflusst. Auch das Maß der Saisonalität der Geschäftstätigkeit, die Abschreibungs- und Investitionspolitik sowie die Bevorratungspolitik beeinflussen diese Relation.

Eine steigende Relation von Anlage- zu Umlaufvermögen kann viele Ursachen haben. Größere Investitionen können den Buchwert des Anlagevermögens ansteigen haben lassen. Eine Optimierung der Lagerbestandsführung kann genauso wie eine nachhaltige Verschlechterung der Beschäftigung zu einer Reduktion des Vorratsbestands geführt haben.

Die Analyse der Umlauf- und Anlagenintensität wird üblicherweise durch die Analyse des Kundenziels und der Umschlagsdauer der Vorräte ergänzt:

Der durchschnittliche Bestand wird für gewöhnlich vereinfachend als Durchschnitt aus Anfangs- und Endbestand des Geschäftsjahres berechnet.

Eine Verschlechterung des Kundenziels, also ein Anstieg der Größe, kann auf Zahlungsschwierigkeiten bei bedeutenden Kunden, Problemen bei der zeitnahen Fakturierung sowie eine Ausdehnung der Zahlungsziele zurückgeführt werden. Eine Zunahme der Umschlagsdauer der Vorräte kann auf Absatzschwierigkeiten oder eine bewusst oder unbewusst überhöhte Bevorratung zurückzuführen sein.

Die Analyse der vertikalen Bilanzstruktur umfasst auch die Analyse des Anlagevermögens. Von Interesse sind insbesondere das Alter des Anlagevermögens und dessen Fortentwicklung durch Erweiterungs- bzw. Ersatzinvestitionen. Folgende Kennziffern können herangezogen werden:

Das Maß der Verschuldung kann u.a. mit folgenden Kennziffern beurteilt werden:

Die Änderungen durch das BilMoG führen tendenziell zu einer Zunahme des Anlagevermögens:

  • Ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert ist zukünftig auch im Einzelabschluss zwingend zu aktivieren und über dessen wirtschaftliche Nutzungsdauer abzuschreiben (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB). Eine sofortige Aufwandserfassung ist nicht mehr zulässig.

    Hierbei ist anzumerken, dass Kreditinstitute Geschäfts- oder Firmenwerte für gewöhnlich für Zwecke der Beurteilung der Kreditvergabewürdigkeit eines Unternehmens mit dem Eigenkapital verrechnen. Eine derartige Verrechnung sehen auch das Gesetz über das Kreditwesen (KWG) und die dazugehörige Solvabilitätsverordnung zur Beurteilung der angemessen Eigenkapitalausstattung von Kreditinstituten vor. Bei Verrechnung vor Anwendung bilanzanalytischer Methoden führt die Neuregelung nicht zu einem veränderten Bild der Vermögenslage.

  • Bislang bestand ein striktes Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (§ 248 Abs. 2 HGB). Für die Entwicklungskosten selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände besteht zukünftig Ansatzpflicht. Für selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten und ähnliche Vermögensgegenstände sowie in der Forschungsphase angefallene Aufwendungen besteht ein Aktivierungsverbot. Die Abgrenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungskosten ist in § 255 Abs. 2a S. 2 und 3 HGB n.F. geregelt.

  • In die Bewertung selbst erstellter Anlagegüter sind zukünftig mindestens auch angemessene Teile der Material- und Fertigungsgemeinkosten sowie des durch die Fertigung veranlassten Wertverzehrs des Anlagevermögens einzubeziehen (§ 255 Abs. 2 HGB n.F.).

  • Abschreibungen rein aufgrund vernünftiger kaufmännischer Beurteilung sind zukünftig nicht mehr zulässig (§ 253 Abs. 4 HGB a.F.).

    Ist der Grund für eine frühere außerplanmäßige Abschreibung entfallen, so ist zwingend auf den fortgeführten Buchwert zuzuschreiben (§ 253 Abs. 5 HGB n.F.). Für den Geschäfts- oder Firmenwert besteht ein Wertaufholungsverbot.

    Eine außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren am Bilanzstichtag beizulegenden Wert ist bei voraussichtlich nur temporärer Wertminderung nicht mehr zulässig (§ 253 Abs. 2 S. 3 HGB a.F.). Eine Ausnahme gilt nur für Finanzanlagen.

  • Rein auf steuerrechtlichen Vorschriften basierende Abschreibungen bzw. Wertansätze finden in der Handelsbilanz zukünftig keine Anwendung mehr (§§ 247 Abs. 3, 273 HGB a.F.). Die so genannte umgekehrte Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 S. 2 EStG („Steuerrechtliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung sind in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben.“) erforderte bislang die Geltendmachung niedrigerer steuerrechtlicher Wertansätze in der Handelsbilanz. Hierbei handelt es sich um folgende Regelungen der aktuellen Steuergesetzgebung:

    • § 6b Abs. 1 EStG ermöglicht die Übertragung stiller Reserven aus der Veräußerung bestimmter Vermögensgegenstände des Anlagevermögens auf ein Reinvestitionsobjekt.
    • EStR 6.6 ermöglicht bei unfreiwilligen Abgängen von Vermögensgegenständen infolge höherer Gewalt oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs die Übertragung von stillen Reserven auf Ersatzvermögensgegenstände, wenn für den Vermögensverlust keine Gegenleistung, sondern eine Entschädigung über dem Buchwert bezahlt wurde.
    • Kleinere und mittlere Betriebe können bis zu 40 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens als so genannten Investitionsabzugsbetrag steuermindernd geltend machen (§ 7g Abs. 1 EStG).
    • Bei im Inland gelegenen Gebäuden, die sich in einem Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich befinden oder als Baudenkmal klassifiziert sind, können im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils erhöhte Absetzungen von bis neun Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu sieben Prozent der Kosten von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen steuerlich geltend gemacht werden (§§ 7h und 7i EStG).
Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Sämtliche, das Anlagevermögen betreffende Neuerungen durch das BilMoG bewirken eine Erhöhung des Buchwerts des Anlagevermögens. Die bisherigen Möglichkeiten zur bewussten Legung stiller Reserven im Anlagevermögen werden durch das BilMoG deutlich reduziert.

Die Aktivierungspflicht für Geschäfts- oder Firmenwerte (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB n.F.) und Entwicklungskosten (§ 248 Abs. 2 HGB n.F.), der Wegfall der Übertragung stiller Reserven gem. § 6b EStG bzw. EStR 6.6 (§ 247 Abs. 3 HGB a.F.) und die Aufstockung der Mindestbestandteile der Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 HGB) bewirken eine Erhöhung der Anlagenintensität, der Investitionsquote und tendenziell der Eigenkapitalquote im Geschäftsjahr der Aktivierung.

Die Streichung der Abschreibungsmöglichkeit bei voraussichtlich nur vorübergehender Wertminderung (§ 253 Abs. 2 S. 3 HGB a.F.) und im Rahmen kaufmännisch vernünftiger Beurteilung (§ 253 Abs. 4 HGB a.F.), die Pflicht zur Wertaufholung bei Wegfall des Grundes für die frühere außerplanmäßige Abschreibung (§ 253 Abs. 5 HGB n.F.) und der Wegfall steuerlicher Sonderabschreibungen in Form von Ansparabschreibungen gem. § 7g EStG und erhöhten Absetzungen gem. §§ 7h und 7i EStG in der Handelsbilanz führen zu einer Erhöhung der Anlagenintensität, einer Senkung des Anlagenabnutzungsgrades und tendenziell zu einer Erhöhung der Eigenkapitalquote durch den anfänglich geringeren Abschreibungsaufwand.

Die bisher mögliche erhebliche Legung stiller Reserven im Anlagevermögen bewirkte eine Gewinnverschiebung in zukünftige Perioden. Mit dem Erreichen der Vollabschreibung bzw. im Zeitpunkt des Abgangs des Anlageguts wurde dieser Effekt neutralisiert.

Die Möglichkeit zur Aktivierung von Aufwendungen für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs und dessen Erweiterung als Bilanzierungshilfe wird abgeschafft (§ 269 HGB a.F.). Derartige Aufwendungen sind zukünftig im Jahr ihres Anfalls sofort voll ergebniswirksam zu erfassen. Für Zwecke der Bilanzanalyse wurden derartige Aktivierungen bislang für gewöhnlich dem Anlagevermögen zugerechnet. Der bilanzanalytische Effekt dieser Neuregelung ist gegenläufig zu den oben beschriebenen Effekten der Änderungen im Anlagevermögen. Die zukünftig vorgeschriebene sofortige Aufwandserfassung mindert über den Zeitraum, über den ein nach altem Recht aktivierter Betrag abgeschrieben wurde, die Anlagenintensität, das Gesamtvermögen und die Eigenkapitalquote.

Im Bereich der Vorräte werden folgende Neuerungen zu einer Veränderung des Bilanzbildes führen:

  • In die Bewertung selbst erstellter Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens sind zukünftig mindestens auch angemessene Teil der Material- und Fertigungsgemeinkosten sowie des durch die Fertigung veranlassten Wertverzehrs des Anlagevermögens einzubeziehen (§ 255 Abs. 2 HGB).

  • Vorräte konnten bislang, soweit dies den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprach, vereinfachend mit dem gleitenden Durchschnitt oder unter Zugrundelegung der Verbrauchsfolgefiktionen LIFO („last in – first out“) oder FIFO („first in – first out“) oder einer anderen bestimmten Verbrauchsfolgefiktion („… oder in einer anderen bestimmten Folge ...“) bewertet werden. Die letztgenannte Möglichkeit wird gestrichen (§ 256 S. 1 HGB a.F.).

  • Dar Wahlrecht zur Vornahme von Abschreibungen zur Vorwegnahme künftiger Wertschwankungen wird gestrichen (§ 253 Abs. 3 S. 3 HGB a.F.).

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die erstgenannte Neuerung führt bei produzierenden Unternehmen zu einem Anstieg des Buchwerts der Vorräte und der Umlaufintensität, wenn diese bisher ihre Vorräte zu Einzelkosten bewertet haben.

Die Aktivierung von Gemeinkosten vermindert in diesen Fällen den Materialaufwand (bei Anwendung des Gesamtkostenverfahrens) bzw. die Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen (bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens). Die Umschlagsdauer der Vorräte sinkt folglich. Eine Verschlechterung der Verwertbarkeit des Vorratsvermögens könnte fälschlicherweise vermutet werden. Bei unveränderter Geschäftstätigkeit ist dieser Effekt jedoch ein einmaliger Umstellungseffekt und lässt keinen Rückschluss auf eine veränderte Geschäftstätigkeit zu.

Da die Vorräte in der Praxis bisher überwiegend aufgrund der Zielsetzung der Einheitlichkeit von Handels- und Steuerbilanz inklusive Gemeinkosten bewertet wurden, ist die Neuregelung von relativ geringer praktischer Relevanz.

Mit der Abschaffung der Verbrauchsfolgefiktion „in anderer bestimmter Folge“ (§ 256 S. 1 HGB a.F.) werden insbesondere folgende Verbrauchsannahmen unzulässig:

  • HIFO („highest in – first out“): Der vorrangige Abgang des am teuersten erworbenen Vorratsgegenstandes wird unterstellt.

  • LOIFO („lowest in – first out“): Der vorrangige Abgang des am günstigsten erworbenen Vorratsgegenstandes wird unterstellt.

  • KIFO (Konzern in – first out“): Der vorrangige Abgang des von einem verbundenen Unternehmen erworbenen Vorratsgegenstandes wird unterstellt.

  • KILO (Konzern in – last out“): Der nachrangige Abgang des von einem verbundenen Unternehmen erworbenen Vorratsgegenstandes wird unterstellt.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Von der Neuregelung sind keine nennenswerten Auswirkungen auf das Bild der Vermögenslage zu erwarten. Die beiden erstgenannten Methoden waren in der Vergangenheit bereits gem. herrschender Literaturmeinung unzulässig. Die beiden letztgenannten Methoden galten als zulässig, hatten in der Praxis jedoch keine nennenswerte Relevanz.

Mit der Streichung der Möglichkeit zur Vornahme von Abschreibungen zur Vorwegnahme künftiger Wertschwankungen (§ 253 Abs. 3 S. 3 HGB a.F.) wird eine Möglichkeit zur Legung und Auflösung stiller Reserven im Vorratsbestand beseitigt. Wenn Abwertungen durch die Gesetzesänderung künftig unterbleiben, wird der Buchwert des Umlaufvermögens und der Umlaufintensität bis zum Zeitpunkt der Auflösung der gebildeten stillen Reserven durch Abgang oder Niederstwertabwertung erhöht.

Im Bereich der übrigen Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens werden folgende Neuerungen zu einer Veränderung des Bilanzbildes führen:

  • Mit Handelsabsicht, also zur Erzielung kurzfristiger Gewinne, erworbene Finanzinstrumente sind zukünftig mit ihren beizulegenden Zeitwerten anzusetzen (§ 253 Abs. 1 S. 3 HGB). Das Anschaffungskosten- und das Realisationsprinzip werden insoweit durchbrochen. Unrealisierte Gewinne werden damit zukünftig erfolgswirksam erfasst. Die Neuregelung führt ausschließlich zu einer Aufdeckung unrealisierter stiller Reserven. Sie führt nicht zu einer Aufdeckung stiller Lasten, da Wertminderungen unter die Anschaffungskosten auch früher schon entsprechend dem strengen Niederstwertprinzip sofort voll erfolgswirksam zu erfassen waren.

  • Die Behandlung von Sicherungsgeschäften war bislang im HGB nicht geregelt. In der Praxis wurden teilweise die vom Arbeitskreis „Externe Rechnungslegung“ der Schmalenbach-Gesellschaft in 1997 aufgestellten Grundsätzen zur so genannten kompensatorischen Bewertung von Grund- und Sicherungsgeschäften angewendet. Zukünftig sind bei einem effektiven Ausgleich einzelner gegenläufiger, sich ausgleichender Wertschwankungen die allgemeinen Bewertungsnormen der §§ 249 und 253 HGB nicht anzuwenden. Soweit der Eintritt der abgesicherten Risiken ausgeschlossen ist, sind Grund- und Sicherungsgeschäft zusammen zu bewerten (§ 254 HGB n.F.). Die bislang oftmals praktizierte Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften trotz (annähernd) vollständiger Absicherung durch ein Sicherungsgeschäft ist damit zukünftig nicht mehr möglich.

  • Die bisherigen Wahlrechte zum Ausweis von als Aufwand berücksichtigten Zöllen und Verbrauchsteuern, soweit diese auf am Abschlussstichtag auszuweisende Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens entfielen, sowie zum Ausweis von als Aufwand berücksichtigter Umsatzsteuer auf am Abschlussstichtag auszuweisende oder von den Vorräten abgesetzte Anzahlungen wurden gestrichen (§ 250 Abs. 1 S. 2 HGB). In der Vergangenheit bestand ein faktisches Wahlrecht zum Ausweis der o.g. genannten Zölle und Verbrauchssteuern als Bestandteil des Vorratsvermögens oder im Rechnungsabgrenzungsposten. Bezüglich der auf erhaltene Anzahlungen entfallenden Umsatzsteuer bestand ein faktisches Wahlrecht zum Netto- oder Bruttoausweis der erhaltenen Anzahlungen (also mit oder ohne Umsatzsteuer).

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die o.g. Verkehrsbewertung von Finanzinstrumenten bewirkt tendenziell eine Erhöhung des Umlaufvermögens, der Umlaufintensität und der Eigenkapitalquote.

Die o.g. Regelungen zu Sicherungsgeschäften bewirken tendenziell eine Senkung der sonstigen Rückstellungen, des kurzfristigen Fremdkapitals und eine Erhöhung der Eigenkapitalquote.

Der Wegfall der faktischen Wahlrechte zur Behandlung der o.g. Zölle, Verbrauchssteuern und Umsatzsteuer hat einen nachrangigen Einfluss auf Bilanzsumme und Eigenkapitalquote.

Im Bereich der latenten Steuern ergeben sich durch das BilMoG folgende Änderungen:

  • Die bisherige an der Gewinn- und Verlustrechnung orientierte Systematik zur Bildung latenter Steuern und das Wahlrecht zur Aktivierung latenter Steuern werden abgeschafft (§ 274 HGB). Die Steuerabgrenzung ist zukünftig nach dem international angewandten bilanzorientierten Temporary-Konzept vorzunehmen.

    Weichen handelsrechtliche Wertansätze von Vermögensgegenständen oder Schulden von den steuerlichen Wertansätzen ab, sind für diese Differenzen – sofern es sich nicht um permanente Differenzen handelt – aktive bzw. passive latente Steuern zu bilden. Latente Steuern sind auch für erfolgsneutral entstehende Unterschiede in den Wertansätzen zu bilden.

  • Auf steuerliche Verlustvorträge sind zukünftig latente Steuern zu aktivieren, sofern die Verrechnung dieser Verlustvorträge mit steuerlichen Gewinnen innerhalb von fünf Jahren erwartet wird.

  • Eine Saldierung aktiver und passiver latenter Steuern ist zukünftig nicht mehr zulässig. Die Bewertung erfolgt zum unternehmensindividuellen Steuersatz im Zeitpunkt der Umkehrung der Differenz. Die latenten Steuerbeträge sind nicht abzuzinsen. Die ausgewiesenen Posten sind im Anhang zu erläutern. Kleine Kapitalgesellschaften (§ 267 HGB) müssen § 274 HGB nicht anwenden (§ 274a Nr. 5 HGB).

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Loslösung vom bisherigen Grundsatz, dass sich temporäre Abweichungen zwischen handels- und steuerbilanziellen Wertansätzen ergebniswirksam bilden und später ergebniswirksam auflösen müssen, die zukünftige Pflicht zur Aktivierung latenter Steuern anstelle des bisherigen Wahlrechts und die Bildung latenter Steuern auf steuerliche Verlustvorträge werden zukünftig zu einem erhöhten Ausweis aktiver latenter Steuern führen. Die Bilanzsumme wird tendenziell steigen. Die Auswirkungen auf die Eigenkapitalquote werden davon abhängen, ob der ergebniserhöhende Effekt aus der Aktivierung latenter Steuern die Verkürzung der Bilanzsumme aufgrund des bilanzorientierten Ansatzes latenter Steuern überkompensiert. Tendenziell wird die Eigenkapitalquote eher ansteigen.

Im Bereich der Rückstellungen können folgende Neuerungen zu einer Veränderung des Bilanzbildes führen:

Rückstellungen für unterlassene Instandhaltungen

Die bisherigen Wahlrechte zur Bildung von Rückstellungen für unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen, die mehr als drei Monate nach Geschäftsjahresende nachgeholt werden (§ 249 Abs. 1 S. 3 HGB a.F.) und von Rückstellungen für ihrer Eigenart genau umschriebene, dem Geschäftsjahr oder einem früheren Geschäftsjahr zuzuordnende Aufwendungen, die am Abschlussstichtag wahrscheinlich oder sicher sind (§ 249 Abs. 2 HGB a.F.), wurden gestrichen. Derartige so genannte Aufwandsrückstellungen sind zukünftig nicht mehr passivierungsfähig.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Neuregelung verhindert die Vorverlagerung künftiger Aufwendungen in frühere Geschäftsjahre. Dies führt zu einer temporären Erhöhung der Eigenkapitalquote bis zum Anfall der Aufwendungen. Derartige Rückstellungen hatten für gewöhnlich einen kurzfristigen (Restlaufzeit bis 1 Jahr) und einen langfristigen Anteil (Restlaufzeit über 1 Jahr), sodass über die Entwicklung der Anteile des kurz- und des langfristigen Fremdkapitals keine eindeutige Aussage getroffen werden kann.

Altersvorsorge- und Rentenverpflichtungen

Rentenverpflichtungen, für die eine Gegenleistung nicht mehr zu erwarten ist, waren bislang nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung abzuzinsen (§ 253 Abs. 2 HGB). Zukünftig werden die anzuwendenden Zinssätze monatlich von der Deutschen Bundesbank bestimmt. Bewertungsspielräume für die Festsetzung des Zinssatzes werden damit beseitigt. In der Vergangenheit wurde oftmals der steuerliche Abzinsungsfaktor von sechs Prozent herangezogen. In den vergangenen Jahren lag der bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen nach internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen angewendete Marktzins teilweise deutlich unter sechs Prozent.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Anwendung des steuerlichen Satzes hat tendenziell zu einer höheren Abzinsung und damit geringeren Bewertung der Pensionsrückstellungen geführt. Infolge der Neuregelung werden die Pensionsrückstellungen tendenziell ansteigen. Die Eigenkapitalquote wird tendenziell sinken. Der Anteil des langfristigen Fremdkapitals wird steigen. Marktzinsschwankungen können somit unmittelbar zu Schwankungen der Rückstellungshöhe von Bilanzstichtag zu Bilanzstichtag und somit zu einer höheren Volatilität der Pensionsrückstellungen führen.

Vermögensgegenstände, die ausschließlich zur Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen oder ähnlichen Verpflichtungen gegenüber Arbeitnehmern eingegangen wurden und die dem Zugriff der übrigen Gläubiger entzogen sind, sind zukünftig mit korrespondierenden Verpflichtungen zu saldieren (§ 246 Abs. 2 HGB n.F.). Die Bewertung der Vermögensgegenstände erfolgt zu beizulegenden Zeitwerten (§ 253 Abs. 1 S. 4 HGB n.F.). In der Vergangenheit waren derartige Vermögensgegenstände aktivisch ausgewiesen. Die allgemeinen Bewertungsvorschriften fanden Anwendung.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Neuregelung führt tendenziell zu einer Verkürzung der Bilanzsumme, dem Ausweis von unrealisierten Gewinnen und zu einer Ergebnisverlagerung aus späteren in nahe liegendere Geschäftsjahre. Der Anteil des langfristigen Fremdkapitals sinkt tendenziell. Die Eigenkapitalquote steigt tendenziell.

Langfristige Rückstellungen

Rückstellungen durften bislang nur abgezinst werden, soweit die ihnen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten einen Zinsanteil enthielten. Zukünftig sind Rückstellungen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr zwingend mit dem ihrer Laufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Jahre abzuzinsen. Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr sind nicht abzuzinsen (§ 253 Abs. 1 und 2 HGB n.F.). Künftige Preis- und Kostensteigerungen sind zu berücksichtigen.

Langfristige Rückstellungen sind damit zukünftig mit ihrem Barwert einzubuchen. Zu jedem Bilanzstichtag ist der Buchwert um die Zinsen des Geschäftsjahres aufzustocken. Die Zinsen sind im Zinsaufwand zu verbuchen. Die Zinszuschreibung erfolgt bis zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme bzw. Auflösung der Rückstellung.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Neuregelung führt bis zur Inanspruchnahme bzw. Auflösung zu einer temporären Verbesserung der Eigenkapitalquote. Der Anteil des langfristigen Fremdkapitals wird temporär sinken.

Fremdwährungsgeschäfte

Daneben werden mit dem BilMoG auch erstmalig Sachverhalte geregelt, die bislang nicht gesetzlich verankert waren. So werden nun erstmalig Regelungen zur Umrechnung von auf fremde Währung lautenden Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten in das HGB aufgenommen. Zukünftig sind derartige Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr mit dem Devisenkassakurs am Bilanzstichtag umzurechnen (§ 256a HGB). Hierbei sind das Realisations-, Imparitäts- und das Anschaffungskostenprinzip zu beachten. Vereinfachend kann die Umrechnung zu Durchschnitts- oder Mittelkursen (aus Brief- und Geldkurs) erfolgen.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Auswirkung der Neuregelung auf das Bild der Vermögens- und Finanzlage hängt von der vom Unternehmen bislang praktizierten Methodik ab. Eine allgemein gültige Aussage kann nicht getroffen werden.

Wirtschaftliche Zurechnung

Erstmalig wird durch das BilMoG auch der Grundsatz der wirtschaftlichen Zurechnung gesetzlich normiert (§ 246 Abs. 1 S. 1 und 2 HGB). Die Regelung spielt immer dann eine Rolle, wenn das wirtschaftliche und das juristische Eigentum an einem Vermögensgegenstand auseinander fallen. Als wirtschaftlicher Eigentümer gilt derjenige, der nicht rechtlicher Eigentümer ist und der die tatsächliche Sachherrschaft über einen Vermögensgegenstand in einer Weise ausübt, dass dadurch der nach bürgerlichem Recht Berechtigte wirtschaftlich auf Dauer von der Einwirkung ausgeschlossen ist. Beim wirtschaftlichen Eigentümer liegen für gewöhnlich Besitz, Gefahr, Nutzen und Lasten einer Sache. Nach neuerer Rechtsauffassung gilt als wirtschaftlicher Eigentümer, wer die Chancen und Risiken aus der Nutzung des Vermögensgegenstandes und aus Wertschwankungen trägt (vgl. Beck’scher Bilanzkommentar, 6. Auflage, § 246, Rn. 6ff.).

Fallen das juristische und das wirtschaftliche Eigentum an einem Vermögensgegenstand auseinander, so hat der wirtschaftliche und nicht der juristische Eigentümer den Vermögensgegenstand zu bilanzieren. Das wirtschaftliche und das juristische Eigentum können insbesondere bei Leasing, Treuhandverhältnissen, dinglichen Sicherungsgeschäften, Kommissionsgeschäften, so genannten „Asset Backed Securities“-Transaktionen und Nießbrauch auseinander fallen.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Mit der Neuregelung wird nun normiert, was auf Grundlage der einschlägigen Fachliteratur und die steuerlichen Leasingerlasse schon seit langem gängige Bilanzierungspraxis ist. Nennenswerte Auswirkungen auf das durch HGB-Jahresabschlüsse vermittelte Bild der Vermögens- und Finanzlage sind daher nicht zu erwarten.

Zusammenfassend führt der Großteil der Neuerungen zu einer Erhöhung der Aktiva oder einer Verminderung der Passiva, zur Verlängerung der Bilanzsumme und zum Ausweis eines höheren Eigenkapitals, was die Rating-Einstufung der meisten Unternehmen verbessern dürfte.

Fazit

Mit dem BilMoG werden wesentliche Ansatz- und Bewertungswahlrechte abgeschafft bzw. eingeschränkt. Die Möglichkeiten zur Legung und Auflösung stiller Reserven durch entsprechende Wahlrechtsausübung werden eingeschränkt. Für den Bilanzleser wird der Einblick in die Vermögenslage des Unternehmens verbessert. Die Aussagekraft und die Vergleichbarkeit des Jahresabschlusses werden wesentlich erhöht.

Gleichzeitig werden jedoch mit dem BilMoG auch neue Ermessensspielräume und damit faktische Wahlrechte geschaffen. Die Abgrenzung der Forschungs- von den Entwicklungskosten, die Bestimmung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer von Geschäfts- oder Firmenwerten oder die Verkehrsbewertung von zu Handelszwecken gehaltenen Finanzinstrumenten, für die kein aktiver Markt besteht, und andere Neuerungen eröffnen dem Bilanzierenden neue Spielräume und können folglich die Qualität bilanzanalytischer Auswertungen beeinträchtigen.

4.1.2 Analyse der horizontalen Bilanzstruktur

Die Analyse der horizontalen Bilanzstruktur wird auch Liquiditätsanalyse genannt. Der Zusammenhang zwischen der Vermögens- und der Kapitalstruktur und somit zwischen Investition und Finanzierung wird untersucht. Es sollen Erkenntnisse über die kurz- und langfristige Liquiditätsausstattung und die Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Zahlungsfähigkeit gewonnen werden.

Das Maß an Zahlungsfähigkeit kann u.a. mit folgenden Kennziffern der so genannten statischen Liquiditätsanalyse beurteilt werden:

Das monetäre Umlaufvermögen ist die Summe aus Forderungen und sonstigen Vermögensgegenständen, Wertpapieren des Umlaufvermögens, flüssigen Mitteln und dem aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (ohne Disagien).

Die Aussagekraft der Kennzahlen der statischen Liquiditätsanalyse ist begrenzt, da hierbei keine laufenden Zahlungsverpflichtungen berücksichtigt werden, zwischen dem Bilanzstichtag und Datenanalyse erhebliche Zeit vergangen sein kann und die herangezogenen Werte durch Bewertungsmaßstäbe verzerrt sein können.

Neben der Anwendung von Kennzahlen kann die Liquiditätsanalyse auf der Grundlage von Stromgrößen insbesondere durch die Analyse der Bestandteile der Kapitalflussrechnung erfolgen (so genannte stromgrößenorientierte Bilanzanalyse).

Mittels der Kapitalflussrechnung wird die Veränderung des Finanzmittelfonds des Unternehmens nach folgendem Schema hergeleitet:

Der so genannte vereinfachte Cashflow nach DVFA / SG (gem. der im Jahr 2000 veröffentlichten Grundsätze der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse / Schmalenbach-Gesellschaft) lässt sich wie folgt berechnen:

Die im ursprünglichen Schema der DVFA / SG enthaltenen Abschreibungen auf aktivierte Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs gem. § 269 HGB und die Abschreibungen auf Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, die die in einer Kapitalgesellschaft üblichen Abschreibungen überschreiten, und deren Rückgängigmachung wurden aufgrund der Streichung der entsprechenden Regelungen durch das BilMoG in oben dargestelltem Berechnungsschema nicht mehr berücksichtigt.

Auch die Analyse des so genannten Free Cashflow kann wertvolle Informationen liefern. Dieser berechnet sich wie folgt:

Der Free Cashflow stellt die für die Erfüllung der Ansprüche der Eigen- und Fremdkapitalgeber auf Ausschüttung, Zinsen und Tilgung verfügbaren Mittel dar. Er symbolisiert das Maß an finanzieller Flexibilität und Unabhängigkeit.

Zur Beurteilung der Innenfinanzierungskraft kann die Investitionsdeckung dienen:

Die Investitionsdeckung verdeutlicht, inwieweit Nettoinvestitionen in das Anlagevermögen durch den Cashflow finanziert werden können. Die Größe sollte nachhaltig über 1 (= 100 Prozent) liegen.

Zur Beurteilung der Verschuldungsfähigkeit kann der dynamische Verschuldungsgrad herangezogen werden:

Als Nettofinanzschulden sind die verzinslichen Teile des Fremdkapitals abzüglich der liquiden Mittel und der Wertpapiere des Umlaufvermögens definiert. Der dynamische Verschuldungsgrad ermittelt die Anzahl der Jahre, die benötigt würden, um sämtliche Nettofinanzschulden zu tilgen. Hierbei werden ein in der Zukunft konstanter jährlicher Cashflow und eine ausschließliche Verwendung künftiger Cashflows für die Schuldentilgung angenommen.

Im Folgenden haben wir die tendenziellen Auswirkungen der wesentlichsten Änderungen durch das BilMoG auf die Größen Deckungsgrad A, Liquidität 2. Grades und vereinfachter Cashflow nach DVFA / SG tabellarisch aufgelistet. Das nach oben schmal zulaufende Dreieck soll eine erwartete tendenzielle Erhöhung des Werts im Geschäftsjahr der Veränderung, das Dreieck mit der nach unten gekehrten Spitze eine Verminderung und das Dreieck mit der nach rechts zeigenden Spitze ein Gleichbleiben verdeutlichen. Die erste Tabelle veranschaulicht die möglichen Auswirkungen der für alle Kaufleute geltenden Neuerungen. Die zweite Tabelle listet die ergänzenden Vorschriften für Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i.S.v. § 264 a HGB auf.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Wie die oben dargestellten Tabellen verdeutlichen, wirken die Neuerungen des BilMoG sehr unterschiedlich auf Liquiditätskennzahlen wie den Deckungsgrad A, die Liquidität 2. Grades und den vereinfachten Cashflow nach DVFA / SG. Eine allgemein gültige Trendaussage kann nicht abgegeben werden.

Anzumerken ist, dass sämtliche Änderungen der Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften selbstverständlich nicht zu einer Veränderung des Finanzmittelbestands und zu einer Veränderung des Cashflows als Überschuss der Ein- über die Auszahlungen führen.

Die Bilanzanalyse wird zukünftig in jedem Fall ein klareres, durch weniger Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte verzerrtes Bild der Vermögens- und Kapitalstruktur, der Investitionen und Finanzierung und der Liquiditätsausstattung eines Unternehmens generieren.

4.2 Auswirkungen auf die Ertragslage

4.2.1 Betragsmäßige Ergebnisanalyse

Im Rahmen der Ergebnisanalyse sollen die Höhe, die Struktur und die Quellen des Jahresüberschusses bzw. -fehlbetrags analysiert werden.

Vor Analyse der erzielten Ergebnisse ist für gewöhnlich eine Bereinigung dieser Ergebnisse um Verzerrungen durch bilanzpolitische Maßnahmen und die Legung stiller Reserven erforderlich. Eine Quantifizierung dieser Verzerrungen ist für gewöhnlich rein auf Basis des Jahresabschlusses nur begrenzt möglich. Stellenweise können ergänzende Detailangabepflichten im Anhang herangezogen werden. Die einschlägigen Vorschriften sind im Folgenden kurz dargestellt:

§ 277 Abs. 3 S. 1 HGB

Ein in Anspruch genommenes Wahlrecht zur Abschreibung auf den niedrigeren Stichtagswert bei vorübergehender Wertminderung im Finanzanlagevermögen gem. § 253 Abs. 3 S. 4 HGB ist anzugeben.

§§ 284 Abs. 2 Nr. 1, 313 Abs. 1 Nr. 1 HGB

Die angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sind anzugeben (einschließlich Anschaffungs-/Herstellungskosten-Ermittlung und Abschreibungsmethoden).

§§ 284 Abs. 2 Nr. 2, 313 Abs. 1 Nr. 2 HGB

Die angewandte Währungsumrechnungsmethode ist anzugeben.

§ 284 Abs. 2 Nr. 3, 313 Abs. 1 Nr. 3 HGB

Abweichungen von Bilanzierungs-, Bewertungs- und Konsolidierungsmethoden sind anzugeben und zu begründen. Deren Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ist darzustellen.

§ 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB

Bei der Anwendung von Gruppen-, Durchschnitts- oder Verbrauchsfolgeverfahren zur Bewertung von Vorräten ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert und dem Börsen- oder Marktpreis anzugeben.

§ 284 Abs. 2 Nr. 5 HGB

Die Aktivierung von Zinsen als Bestandteil der Herstellungskosten ist angabepflichtig.

§§ 285 S. 1 Nr. 18, 314 Abs. 1 Nr. 10 HGB

Bei der Behandlung von derivativen Finanzinstrumenten sind die angewandte Bewertungsmethode und ein vom Buchwert abweichender beizulegender Zeitwert anzugeben.

§§ 285 Satz 1 Nr. 19, 314 Abs. 1 Nr. 11 HGB

Die Differenz zwischen dem Buchwert und dem niedrigeren beizulegenden Zeitwert von Finanzinstrumenten ist anzugeben.

§ 308 Abs. 1 S. 3 HGB

Im Konzernabschluss abweichend zum Einzelabschluss ausgeübte Wahlrechte sind anzugeben.


Nützliche Informationen kann die Segmentberichterstattung liefern. Im Rahmen der so genannten Ergebnisspaltung wird der Jahresüberschuss in seine Komponenten ordentliches Betriebsergebnis, Finanzergebnis und außerordentliches Ergebnis aufgesplittet.

Für gewöhnlich wird dabei versucht, das ordentliche Betriebsergebnis um darin enthaltene außerordentliche, außergewöhnliche, aperiodische und einmalige Ergebniseffekte zu bereinigen. Durch ein von Sondereinflüssen bereinigtes Ergebnis soll der Ergebnistrend im Zeitablauf aufgezeigt werden. Die Einschätzung zukünftiger Ertragspotenziale und die Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen sollen so erleichtert werden. Eine Bereinigung um nicht nachhaltig und regelmäßig anfallende Ergebniskomponenten kann u.a. folgende Erträge und Aufwendungen beinhalten:

  • Gewinne und Verluste aus Anlagenabgängen,

  • Gewinne und Verluste aus der Veräußerung von Unternehmensteilen und Geschäftsbereichen,

  • Schadensfälle und Versicherungsentschädigungen,

  • Abfindungen,

  • Aufwendungen aus der Zuführung zu Pauschalwertberichtigungen zu Forderungen und Erträge aus der Auflösung dieser Pauschalwertberichtigungen,

  • Verluste aus Wertminderungen oder dem Abgang von Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens,

  • Umstrukturierungsaufwendungen,

  • Erträge aus der Auflösung von Rückstellungen.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Mit dem BilMoG werden wesentliche Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte gestrichen. In der Vergangenheit erforderliche Bereinigungen des zu analysierenden Zahlenwerks um aktivierte Bilanzierungshilfen, steuerliche Verzerrungen, Aufwandsrückstellungen, willkürliche Abschreibungen etc. werden zukünftig allenfalls noch in geringem Maß erforderlich sein.

Die Analyse von nach dem BilMoG aufgestellten Jahresabschlüssen führt tendenziell zu einer größeren Aussagekraft und Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen. Das ausgewiesene Jahresergebnis spiegelt den tatsächlichen, nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelten Unternehmenserfolg zutreffender wieder.

Gem. Art. 66 Abs. 7 EGHGB werden die Bilanzierenden nicht dazu verpflichtet, vergleichbare Vorjahresangaben zu den erstmals nach BilMoG aufgestellten Zahlen zu machen. Dies schränkt die Vergleichbarkeit der Zahlen mit denen früherer Geschäftsjahre ein.

4.2.2 Strukturelle Ergebnisanalyse

Im Mittelpunkt der strukturellen Ergebnisanalyse steht die Beurteilung der Ergebnisquellen. Die Anteile des ordentlichen Ergebnisses, des Finanzergebnisses und des außerordentlichen Ergebnisses am gesamten Ergebnis vor Steuern sollen beurteilt werden. Das operative Ergebnis gilt als entscheidender Indikator für die nachhaltige Ertragskraft des Unternehmens.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Neuerungen durch das BilMoG haben aller Voraussicht nach keine Auswirkung auf die Höhe des außerordentlichen Ergebnisses.

Die das Finanzergebnis betreffenden Neuerungen durch das BilMoG begrenzen sich auf die Verkehrsbewertung von mit Handelsabsicht erworbenen Finanzinstrumenten (§ 253 Abs. 1 S. 3 HGB), die kompensatorische Bewertung von Grund- und Sicherungsgeschäften (§ 254 HGB) und die Abzinsung von Pensionsrückstellungen und langfristigen sonstigen Rückstellungen (§§ 253 Abs. 2 HGB).

Mit Handelsabsicht erworbene Finanzinstrumente unterlagen bisher dem strengen Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 3 S. 1 HGB a.F.). Die Neuregelung ermöglicht erstmalig die Bewertung dieser Finanzinstrumente mit Verkehrswerten, die über den Anschaffungskosten liegen. Die Ergebnisse aus diesen Finanzinstrumenten sind üblicherweise im Finanzergebnis auszuweisen. Der Ausweis dieser unrealisierten Gewinne bewirkt eine Vorverlagerung von Gewinnen zu Lasten späterer Finanzergebnisse.

Mit § 254 HGB wird erstmalig die kompensatorische Bewertung von Grund- und Sicherungsgeschäften im HGB geregelt. Besteht ein eindeutiger und dokumentierter Sicherungszusammenhang und gleichen sich Wertschwankungen von Grund- und Sicherungsgeschäft (zumindest annähernd) nachweislich aus, so sind Grund- und Sicherungsgeschäft als eine Einheit zu bewerten. Die in der Vergangenheit oftmals praktizierte ergebniswirksame Abwertung des Grund- oder Sicherungsgeschäfts bzw. die Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften findet zukünftig in solchen Fällen keinen Raum mehr. Entsprechende Gewinnverlagerungen in künftige Jahre finden nicht mehr statt. Stehen Grund- und Sicherungsgeschäft nicht im Zusammenhang mit der operativen Geschäftstätigkeit (wie beispielsweise bei der Absicherung von Materialbestellungen durch Devisentermingeschäfte), werden die Ergebniseffekte für gewöhnlich im Finanzergebnis ausgewiesen.

Pensionsrückstellungen sind zukünftig mit den von der Deutschen Bundesbank zu veröffentlichenden Zinssätzen abzudiskontieren. Das bisherige faktische Wahlrecht zur Abzinsung mit dem steuerlichen Satz von sechs Prozent oder einem anderen „kaufmännisch vernünftigen“ Wert wird damit abgeschafft. Infolge der seit einigen Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase kann mit tendenziell geringeren Abzinsungssätzen und folglich geringeren Zinsaufwendungen als in der Vergangenheit gerechnet werden.

Sonstige Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von über einem Jahr sind zukünftig zwingend abzuzinsen. Die Abzinsung erfolgt ebenfalls mit den von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätzen. In den Fällen, in denen bislang eine Abzinsung unterblieben ist, führt die Neuregelung zur Verschiebung von operativem Aufwand zu Zinsaufwand und zu einer Verschiebung von Aufwendungen in künftige Jahre, in denen die Rückstellung aufgezinst wird.

Der überwiegende Teil der Neuerungen des BilMoG beeinflusst die Höhe des operativen Ergebnisses. Der Großteil der Änderungen führt zu einer Verschiebung von Aufwendungen in spätere Geschäftsjahre bzw. zu einer zeitlichen Vorverlagerung von Erträgen:

  • Die Aktivierungspflicht für Geschäfts- oder Firmenwerte (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB) und für Entwicklungskosten (§ 255 Abs. 2a S. 2 und 3 HGB) bewirkt, dass bislang als Aufwand im Geschäftsjahr des Erwerbs erfasste Unterschiedsbeträge und anfallende Entwicklungskosten zu aktivieren und über ihre wirtschaftliche Nutzungsdauer abzuschreiben sind.

  • Der Wegfall der Möglichkeiten zur Übertragung von Rücklagen gem. § 6b EStG und EstR 6.6 (§ 247 Abs. 3 HGB a.F.) führt zu einem ungekürzten Gewinnausweis im Zeitpunkt der Veräußerung. Die nicht um Rücklagenverrechnungen gekürzten Anschaffungskosten des Ersatzvermögensgegenstandes verursachen höhere planmäßige Abschreibungen über den Abschreibungszeitraum.

  • Die Streichung von Abschreibungen im Rahmen kaufmännischer vernünftiger Beurteilung und zur Vorwegnahme künftiger Wertschwankungen (§§ 253 Abs. 3 S. 3 und 4 HGB) sowie von Ansparabschreibungen gem. § 7g EStG und erhöhten Absetzungen für Gebäude gem. §§ 7h und 7i EStG bewirken eine Verlagerung von Abschreibungen in spätere Geschäftsjahre.

  • Die Pflicht zur Wertaufholung bei Wegfall des Grundes für die frühere außerplanmäßige Abschreibung (§ 253 Abs. 5 HGB) führt zum Ausweis eines Zuschreibungsertrags, in dessen Höhe in künftigen Jahren zusätzliche planmäßige Abschreibungen geltend gemacht werden.

  • Die Anhebung der Mindestbestandteile der Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 HGB) führt zu reduzierten operativen Aufwendungen im Jahr des Vorratsaufbaus und zu entsprechend höherem Materialaufwand (bei Anwendung des Gesamtkostenverfahren) bzw. zu höheren Herstellungskosten der zur Erzielung der Umsatzerlöse erbrachten Leistungen (bei Anwendung des Umsatzkostenverfahrens) im Jahr des Vorratsabbaus.

  • Die Neuregelung der latenten Steuern in § 274 HGB und vor allem die zukünftige Pflicht zur Bildung aktiver latenter Steuern auf temporäre Unterschiede zwischen handels- und steuerbilanziellen Buchwerten und steuerliche Verlustvorträge führen zu einer Verschiebung von Steueraufwendungen in zukünftige Perioden.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit dem BilMoG wesentliche Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte gestrichen werden. Die willkürliche Legung und Auflösung stiller Reserven wird eingedämmt. Dies führt zu einer zeitlichen Vorverlagerung des Gewinnausweises. Der Großteil dieser Regelungen betrifft das operative Ergebnis.

Die Neuregelungen bewirken eine zeitliche Verschiebung von Erträgen und Aufwendungen, nicht aber eine nachhaltige Verbesserung der Ertragskraft. Die Summe aller Gewinne in der so genannten „Totalperiode“, also der fiktiven Zeitspanne zwischen Unternehmensgründung und -liquidation, wird durch die Anwendung von Bilanzierungs- und Bewertungsregelungen nicht verändert.

4.2.3 Rentabilitätsanalyse

Bei der Rentabilitätsanalyse wird eine Ergebnisgröße in Relation zu einer für dieses Ergebnis maßgeblichen Einflussgröße dargestellt. Es sollen Aussagen über den Erfolg der unternehmerischen Betätigung und die Fähigkeit des Unternehmens, mit den eingesetzten Ressourcen Erfolg zu erzielen, getroffen werden.

Die am häufigsten verwendeten Kennzahlen sind:

EBIT ist das Ergebnis vor Zinsen und Steuern („earnings before interest and taxes“). Die Durchschnittsgrößen werden vereinfachend aus Jahresanfangs- und -endbestand berechnet.

Die Eigenkapitalrentabilität spiegelt die Verzinsung der von den Gesellschaftern bzw. Aktionären zur Verfügung gestellten Eigenmittel wieder. Die Gesamtkapitalrentabilität verdeutlicht die Verzinsung des von Eigen- und Fremdkapitalgebern zur Verfügung gestellten Kapitals. Die Höhe der Eigenkapitalrentabilität hängt von der Gesamtkapitalrentabilität, der Zinsbelastung des Fremdkapitals und dem Verschuldungsgrad ab. Dies verdeutlicht folgende Gleichung:

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Wie in Kapitel 3.2.1 dargestellt, führen die Neuerungen des BilMoG in erster Linie zu einer Vorverlagerung von Jahresergebnissen zu Lasten späterer Perioden. Infolge der Aufdeckung stiller Reserven wird das Eigenkapital steigen. Die Veränderung der Eigenkapitalrentabilität hängt davon ab, ob in einer Periode der Ergebniseffekt den Eigenkapitaleffekt überwiegt.

Wie in Kapitel 3.1.2 dargestellt, haben die Neuerungen des BilMoG sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die Höhe des vereinfachten Cashflows nach DVFA / SG. Eine allgemein gültige Aussage über die Entwicklung der Cashflow-Eigenkapitalrendite kann daher nicht getroffen werden.

Das EBIT wird durch die Umstellung auf BilMoG tendenziell ansteigen. Auf die Höhe des Gesamtkapitals wirken unterschiedliche Faktoren. Die ergebniserhöhenden Effekte bewirken einen Anstieg des Eigenkapitals und damit auch des Gesamtkapitals. Die Saldierung von Planvermögen mit Pensionsrückstellungen lässt das Gesamtkapital tendenziell sinken. Eine allgemein gültige Aussage über die Entwicklung der Gesamtkapitalrentabilität kann daher nicht getroffen werden.

Die Umsatzrentabilität wird sich durch das BilMoG tendenziell erhöhen. Während das EBIT tendenziell ansteigt, bleibt die Höhe der Umsatzerlöse unverändert.

Wie bereits dargestellt, bewirkt das BilMoG vor allem eine zeitliche Vorverlagerung von Gewinnen. Die Ertragskraft eines Unternehmens wird durch neue Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften in der so genannten „Totalperiode“ nicht tangiert. Eine nachhaltige Rentabilitätsverbesserung tritt daher nicht ein.

5 Konzernabschluss

5.1 Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage

Nur ein Teil der Neuerungen durch das BilMoG führen zu einer Veränderung des durch den Konzernabschluss vermittelten Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns.

Diese Änderungen und deren Auswirkungen sollen im Folgenden dargestellt werden:

Pflicht zur Aufstellung des Konzernabschlusses

§ 290 Abs. 1 S. 1 HGB machte bislang die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses vom Vorliegen der einheitlichen Leitung einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland über ein anderes Unternehmen und dem Vorliegen einer Beteiligung nach § 271 Abs. 1 HGB an diesem Unternehmen abhängig. Das Beteiligungserfordernis wird nun gestrichen. Die Einzelheiten dieser Neuregelung werden auf den folgenden Seiten dargestellt.

Abschaffung der Buchwertmethode

Das bislang in § 301 Abs. 1 HGB festgeschriebene Wahlrecht zur Anwendung der so genannten Buchwertmethode wird abgeschafft. Im Rahmen der nun ausschließlich anzuwendenden Neubewertungsmethode werden die stillen Reserven und Lasten zukünftig auch insoweit aufgedeckt, als diese auf die Minderheitengesellschafter entfallen.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Neuregelung bewirkt einen vollumfänglichen Ausweis erworbener stiller Reserven, eine Verlängerung der Konzernbilanzsumme und eine geringere auf die Muttergesellschaft entfallende Konzerneigenkapitalquote.

Unterschiedsbeträge aus der Kapitalkonsolidierung

Bislang durften aktive und passive Unterschiedsbeträge aus der Kapitalkonsolidierung i.S.v. § 301 Abs. 1 HGB miteinander verrechnet werden. Eine Verrechnung ist zukünftig nicht mehr zulässig (§ 301 Abs. 3 HGB).

Bislang konnte ein Geschäfts- oder Firmenwert in jedem folgenden Geschäftsjahr zu mindestens einem Viertel oder über dessen voraussichtliche wirtschaftliche Nutzungsdauer abgeschrieben werden (§ 309 Abs. 1 HGB). Alternativ war die offene Verrechnung mit Rücklagen zulässig. Zukünftig ist der Geschäfts- oder Firmenwert aus der Erstkonsolidierung zwingend zu aktivieren und planmäßig bzw. ggf. außerplanmäßig abzuschreiben.

Ein passiver Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung durfte bisher nur dann ergebniswirksam aufgelöst werden, wenn eine zum Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile oder der erstmaligen Konsolidierung erwartete ungünstige Entwicklung der künftigen Ertragslage des Unternehmens eingetreten ist oder zu diesem Zeitpunkt erwartete Aufwendungen zu berücksichtigen waren oder am Abschlussstichtag feststand, dass dieser einen realisierten Gewinn darstellte. Zukünftig ist ein solcher Unterschiedsbetrag zwingend in den eigenen Bilanzposten nach dem Eigenkapital „Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung“ einzustellen.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Neuregelung bewirkt eine Erhöhung der Vergleichbarkeit handelsrechtlicher Konzernabschlüsse mit IFRS- bzw. US-GAAP-Konzernabschlüssen. Die Neuregelung kann u.U. zu einer wesentlichen Erhöhung von Konzernbilanzsumme, Konzerneigenkapital und Konzerneigenkapitalquote führen.

Abschaffung der „Pooling of Interests-Methode“

Die so genannte „Pooling of Interests“-Methode, wonach die Erstkonsolidierung unter bestimmten Voraussetzungen auf das gezeichnete Kapital des Tochterunternehmens beschränkt werden konnte und ein Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung mit Rücklagen zu verrechnen bzw. diesen zuzurechnen war, wurde ersatzlos gestrichen (§ 302 HGB). Die Vollkonsolidierung von Tochtergesellschaften erfolgt somit zukünftig ausschließlich nach der Erwerbsmethode.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die „Pooling of Interest“-Methode hatte in der Praxis aufgrund ihrer restriktiven, wenig realitätsnahen Voraussetzungen nur eine sehr begrenzte Bedeutung. Die Neuregelung folgt der in früheren Jahren erfolgten Streichung dieser Methode nach IFRS und US-GAAP und wird ggf. zu einem höheren Ausweis des im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbenen Vermögens und zu einer Verlängerung der Konzernbilanzsumme führen.

Bilanzierung latenter Steuern

Das bisherige an der Gewinn- und Verlustrechnung orientierte Konzept zur Abgrenzung latenter Steuern wird fallen gelassen. Die Abgrenzung latenter Steuern folgt zukünftig dem bilanzorientierten „Temporary-Konzept“ (§ 306 HGB).

Alle aus Konsolidierungsmaßnahmen resultierenden Differenzen zwischen konzern- und steuerbilanziellen Wertansätzen führen zwingend zu einer Steuerabgrenzung. Ausgenommen sind der Geschäfts- oder Firmenwert und der passive Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung.

Eine Saldierung aktiver und passiver latenter Steuern ist nicht zulässig. Eine Zusammenfassung von latenten Steuern auf Einzel- und Konzernabschlussebene ist zulässig.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Neuregelung bewirkt insbesondere die Bildung passiver latenter Steuern auf erworbene, im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses aufgedeckte stille Reserven und daraus folgend eine Erhöhung von Geschäfts- oder Firmenwerten um diese passivierten latenten Steuern. Durch die zwingende Aktivierung latenter Steuern und die Pflicht zum Bruttoausweis der latenten Steuern wird sich die Konzernbilanzsumme erhöhen. Die Veränderung des Bilanzbildes kann erheblich sein.

Equity-Methode

Bei der Einbeziehung assoziierter Unternehmen in den Konzernabschluss mittels der so genannten Equity-Methode wird die Kapitalanteilsmethode gestrichen (§ 312 Abs. 1 bis 3 HGB n.F.). Anteile an assoziierten Unternehmen sind zukünftig ausschließlich nach der so genannten Buchwertmethode einzubeziehen. Ein getrennter Ausweis des Geschäfts- oder Firmenwerts aus der Equity-Einbeziehung ist damit nicht mehr zulässig.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Neuregelung bewirkt lediglich eine Verschiebung zwischen immateriellem Anlagevermögen (Geschäfts- oder Firmenwerte) und Finanzanlagen (Anteile an assoziierten Unternehmen). Konzernbilanzsumme und Höhe des Konzerneigenkapitals verändern sich nicht.

Währungsumrechnung

Neben den oben dargestellten Änderungen werden mit dem BilMoG auch eine ganze Reihe von Vorschriften mit dem Ziel der Vereinheitlichung und der Erhöhung der Vergleichbarkeit von Konzernabschlüssen unterschiedlicher Muttergesellschaften geändert bzw. erlassen. Dies umfasst u.a. die erstmalig im HGB verankerte Regelung zur Umrechnung der Abschlüsse von in den Konsolidierungskreis einbezogenen Tochtergesellschaften, die in fremder Währung aufgestellt sind.

Zukünftig sind die Aktiva und Passiva mit dem Devisenkassakurs am Bilanzstichtag, das Konzerneigenkapital zu historischen Kursen und die Erträge und Aufwendungen mit durchschnittlichen Kursen umzurechnen (§ 308a HGB n.F.). Der Saldo ist nach den Rücklagen als „Eigenkapitaldifferenz aus Währungsumrechnung“ auszuweisen. Wird ein Tochterunternehmen teilweise oder vollständig veräußert, ist der Posten erfolgswirksam aufzulösen.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Neuregelung orientiert sich an der nach IFRS und US-GAAP gängigen Methode der „funktionalen Währung“ und bewirkt eine wesentliche Annäherung an IFRS und US-GAAP. Die Klarstellung verhindert zukünftig den ergebnisneutralen Ausweis von Währungsumrechnungsdifferenzen aus Konsolidierungsmaßnahmen, insbesondere aus der Schulden- sowie der Aufwands- und Ertragskonsolidierung. Derartige Wechselkursdifferenzen sind zukünftig ergebniswirksam zu erfassen.

Zweckgesellschaften

Von besonderer Bedeutung für die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses bei Vorliegen einer einheitlichen Leitung ist die Streichung des Beteiligungserfordernisses in § 290 Abs. 1 S. 1 HGB. Ziel der Neuregelung ist die Erreichung der Einbeziehungspflicht von so genannten Zweckgesellschaften (Special Purpose Entitites).

Zweckgesellschaften verfolgen für gewöhnlich ein eng definiertes Ziel zugunsten eines anderen Unternehmens, des so genannten Sponsors. Der Sponsor ist üblicherweise der Gründer der Zweckgesellschaft. Hält der Sponsor mehr als 50,0 Prozent der Stimmrechte, so bestand auch schon vor dem BilMoG Konsolidierungspflicht nach § 290 Abs. 1 bzw. Abs. 2 HGB.

Diese Konstruktionen dienten in der Vergangenheit insbesondere dem Ziel, bestimmte Aktivitäten, Vermögenswerte oder Schulden aus dem Konzernabschluss des Sponsors auszulagern. Im Mittelpunkt steht oftmals die Vermeidung des Ausweises einer Fremdfinanzierung im Konzernabschluss des Sponsors (so genanntes Off Shore Balancing). Durch bewusste Umgehung der Konsolidierungsvoraussetzungen des § 290 Abs. 1 und Abs. 2 HGB wurde bislang oftmals eine Konsolidierungspflicht vermeiden.

Klassische Anwendungsfälle sind so genannte Asset Backed Securities-Transaktionen, Leasing-Objektgesellschaften und Spezialfonds.

Bei so genannten Asset Backed Securities-Transaktionen veräußert der Sponsor Forderungen an die Zweckgesellschaft. Die Zweckgesellschaft finanziert den Erwerb durch die Ausgabe von Wertpapieren, zumeist Schuldverschreibungen, an Investoren. Die Ansprüche der Investoren werden aus den Zins- und Tilgungszahlungen der Forderungen bedient. Die aus der Veräußerung der Forderungen vereinnahmte Liquidität verbessert die Liquiditätskennzahlen und die finanzielle Handlungsfähigkeit des Sponsors.

Zweckgesellschaften werden auch als Leasingobjektgesellschaften ausgestaltet. Hierbei erwirbt die Zweckgesellschaft eine Immobilie, die sie an den Sponsor im Rahmen einer langfristigen Mietvertrags vermietet. Die Zweckgesellschaft finanziert die Anschaffung durch Kredite. Teilweise mietet die Zweckgesellschaft die Immobile auch nur im Rahmen eines langfristigen Mietvertrags. Die Zins- und Tilgungszahlungen finanziert sie durch die vom Sponsor vereinnahmten Mietzahlungen. Durch entsprechende vertragliche Konstruktion konnte bisher vermieden werden, dass der Sponsor die Immobilie in seinem Konzernabschluss (als juristisches Eigentum oder Finanzierungsleasing) zu aktivieren hat. Die Zweckgesellschaft kann die Immobilie auch vom Sponsor erworben haben (so genannte Sale and Lease Back-Transaktion).

Wird die Zweckgesellschaft als Spezialfonds ausgestaltet, so überträgt der Sponsor der Zweckgesellschaft liquide Mittel, mit denen diese für gewöhnlich Wertpapiere erwirbt. Bei entsprechender Vertragsgestaltung hat der Sponsor in seinem Einzel- und Konzernabschluss lediglich die Beteiligung an der Zweckgesellschaft und nicht ein ganzes Bündel einzelner Wertpapiere auszuweisen. Wertsteigerungen und realisierte Gewinne aus dem Verkauf der Wertpapiere sind folglich vom Sponsor so lange nicht in dessen Konzernabschluss auszuweisen, als diese nicht an ihn ausgeschüttet werden. Eine Einzelbewertung der Wertpapiere wird vermieden.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Stehen derartige Zweckgesellschaften unter der einheitlichen Leitung des Sponsors, dann muss der Sponsor diese zukünftig auch ohne Vorliegen einer Beteiligung gem. § 271 Abs. 1 HGB konsolidieren. Bei Asset Backed Securities-Transaktionen führt die Konsolidierungspflicht zum Ausweis der Forderungen in der Konzernbilanz. Bei Leasingkonstruktionen führt die Neuregelung gegebenenfalls zum Ausweis der Immobilie und der dazugehörigen Fremdfinanzierung im Konzernabschluss. Im Falle der Spezialfonds wird eine Ausweispflicht der einzelnen Wertpapiere und ggf. der aus diesen resultierenden Erträge und Aufwendungen im Konzernabschluss bewirkt. Die Zusammensetzung des Vermögens und der Schulden, die Bilanzsumme und sämtliche bilanzanalytischen Kennzahlen können erhebliche Veränderungen erfahren.

Im Folgenden haben wir die tendenziellen Auswirkungen der wesentlichsten konzernspezifischen Änderungen durch das BilMoG auf die Größen Deckungsgrad A, Liquidität 2. Grades und vereinfachter Cashflow nach DVFA / SG tabellarisch aufgelistet.

Auswirkungen auf die Bilanzanalyse:

Die Neuerungen im Bereich der Konsolidierung wirken sehr unterschiedlich auf die Liquiditätskennzahlen. Eine allgemein gültige Aussage ist nicht möglich.

5.2 Zusätzliche Informationsgewinnung durch Erhöhung des Umfangs der Anhangsangaben

Mit dem BilMoG werden wesentliche Anhangsangabepflichten konkretisiert bzw. ergänzt. Dies dient letztendlich der Verbesserung des durch den Jahres- bzw. Konzernabschluss vermittelten Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage.

Die für die Analyse des Jahres- bzw. Konzernabschlusses wesentlichen Gesetzesänderungen sind im Folgenden aufgelistet:

  • Nicht bilanzierte Geschäfte sind zu erläutern (§ 285 S. 1 Nr. 3, 3a HGB).

  • Die Abschreibung von Geschäfts- oder Firmenwerten über mehr als fünf Jahre ist zu erläutern (§ 285 Satz 1 Nr. 13 HGB).

  • Die beizulegenden Zeitwerte von derivativen Finanzinstrumenten sind anzugeben (§ 285 Satz 1 Nr. 18, 19, 20 HGB). Nicht zum beizulegenden Zeitwert bilanzierte derivative Finanzinstrumente sind zu erläutern.

  • Die Eventualverbindlichkeiten sind zu erläutern (§§ 268 Abs. 7, 285 Satz 1 Nr. 27 HGB).

  • Nicht marktübliche Geschäfte mit nahe stehenden Unternehmen und Personen sind zu erläutern (§ 285 S. 1 Nr. 21 HGB).

  • Der Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungskosten und der Betrag der aktivierten selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenstände (§ 285 S. 1 Nr. 22 HGB) ist anzugeben.

  • Die Arten und Risiken von Bewertungseinheiten (§ 285 S. 1 Nr. 23 HGB) sind zu erläutern.

  • Die der Berechnung der Pensionsrückstellungen zugrunde gelegten Annahmen sind anzugeben (§ 285 Satz 1 Nr. 24 HGB).

  • Vorgenommene Saldierungen müssen erläutert werden (§ 285 S. 1 Nr. 25 HGB).

  • Zu Anteilen an in- und ausländischem Investmentvermögen bestehen Angabepflichten (§ 285 S. 1 Nr. 26 HGB).

  • Zu den nach § 251 HGB ausgewiesenen Verbindlichkeiten sind Angaben zu machen (§ 285 S. 1 Nr. 27 HGB).

  • Die mit einer Ausschüttungssperre behafteten Erträge sind anzugeben (§ 285 S. 1 Nr. 28 HGB).

Die neuen Angabepflichten orientieren sich teilweise an den sehr umfangreichen IFRS-Anhangsangabepflichten. Die lückenlose Erfüllung dieser Angabepflichten kann einen erheblichen zusätzlichen Aufwand mit sich bringen. Im Gegensatz zu IFRS können die HGB-Angabepflichten aber immer noch als „überschaubar“ bezeichnet werden.

6 Zusammenfassende Beurteilung

Mit dem BilMoG werden wesentliche Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte abgeschafft. Neue Anhangsangabepflichten und die Verkehrsbewertung von Finanzinstrumenten werden eingefügt. Verzerrungen des durch den Jahres- bzw. Konzernabschluss vermittelten Bildes der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage durch steuerliche Vorschriften, Aufwandsrückstellungen, aktivierte Bilanzierungshilfen, willkürliche Abschreibungen und dergleichen werden erheblich reduziert. Stille Reserven können damit in Zukunft nicht mehr in dem Maß wie früher beliebig gebildet und aufgelöst werden.

Die erstmalige Anwendung der neuen Regelungen führt zur Aufdeckung stiller Reserven und zur Gewährung eines Bildes der Situation des Unternehmens (bzw. des Konzerns), das deutlich stärker den tatsächlichen Umständen entspricht. Tendenziell wird das unternehmerische Vermögen höher ausgewiesen, die Bilanzsumme und das Eigenkapital nehmen zu. Aus der erstmaligen Anwendung der neuen Regelungen kann ein erheblicher Einmaleffekt auf Periodenergebnis und Eigenkapital resultieren.

Infolge der Aufdeckung stiller Reserven wird die Auswertung bilanzanalytischer Kennziffern tendenziell nach eine verbesserte finanzielle Stabilität und Flexibilität bestätigen.

Mit dem BilMoG wird der Umfang der Maßnahmen, die erforderlich sind, um aus dem Jahres- bzw. Konzernabschluss ein normiertes, um bilanzpolitische Verzerrungen bereinigtes Zahlenmaterial zu generieren, erheblich abnehmen.

Die Vergleichbarkeit der HGB-Jahres- und Konzernabschlüsse unterschiedlicher Unternehmen und der daraus generierten bilanzanalytischen Auswertungen wird zukünftig steigen.

Die zusätzlichen Anhangsangabepflichten werden zusätzliche nützliche Informationen liefern.

Gem. Art. 66 Abs. 7 EGHGB werden die Bilanzierenden nicht dazu verpflichtet, vergleichbare Vorjahresangaben zu den erstmals nach BilMoG aufgestellten Zahlen zu machen. Dies schränkt die Vergleichbarkeit der Zahlen mit denen früherer Geschäftsjahre ein.


Stand: Februar 2010
Quelle: Klaus Hipp

Zum Artikel

Veröffentlicht: 27. Mai 2010

Aktenzeichen: II ZR 13/09

 

Darlehen, die ein Gesellschafter aufgrund eines Versprechens im Gesellschaftsvertrag neben der Einlage gewährt hat („gesplittete Einlage“), sind in der Überschuldungsbilanz zu passivieren, soweit nicht ausdrücklich ein – bis zum Inkrafttreten des MoMiG sog. qualifizierter – Rangrücktritt erklärt ist.

 

GmbHG (i.d.F. vor 1. November 2008) §§ 30, 31

 

Urteil vom 1. März 2010

Vorinstanz: OLG Köln, LG Aachen

Zum Artikel

 

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

(1) Unternehmern, die in der Bundesrepublik Deutschland ansässig sind und die für die Vergütung von Vorsteuerbeträgen in einem Drittstaat eine Bestätigung ihrer Unternehmereigenschaft benötigen, stellt das zuständige Finanzamt eine Bescheinigung aus (vgl. Rz. 31 des BMF-Schreibens vom 3. Dezember 2009 - IV B 9 - S 7359/09/10001 [2009/0796941] -, BStBl I S. 1520). Für diese Bescheinigung durch die Finanzämter ist das Vordruckmuster

- USt 1 TN Nachweis der Eintragung als Steuerpflichtiger (Unternehmer)


anzuwenden. Es ersetzt das mit BMF-Schreiben vom 11. Januar 1999 - IV D 2 - S 7350 - 5/98 - (BStBl I S. 192) bekannt gegebene Vordruckmuster Ust 1 TN.

(2) Die Änderungen berücksichtigen die Neuregelung des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens ab 1. Januar 2010 durch Art. 7 Nr. 13 Buchstabe c, Nr. 16 und Nr. 19 sowie Art. 8 Nr. 6 bis 9 des Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794). Danach benötigt der Unternehmer für die Vergütung von Vorsteuerbeträgen in einem anderen Mitgliedstaat für den Nachweis, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist, keine Bescheinigung des zuständigen Finanzamts mehr. Unternehmern, die die Vergütung von Vorsteuerbeträgen in einem anderen Mitgliedstaat beantragen möchten, wird daher keine Bescheinigung mehr erteilt (vgl. Rz. 33 des o. a. BMF-Schreibens vom 3. Dezember 2009). Aus diesem Grund wurde die Bescheinigung auf die Fälle der Vergütung von Vorsteuerbeträgen in einem Drittstaat beschränkt.

(3) Die anderen Änderungen sind redaktioneller oder drucktechnischer Art. Insbesondere wurde die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer alternativ zur Angabe der Steuernummer vorgesehen.

(4) Die Bescheinigung darf nur Unternehmern erteilt werden, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Sie darf nicht erteilt werden, wenn der Unternehmer nur steuerfreie Umsätze ausführt, die den Vorsteuerabzug ausschließen, oder die Besteuerung nach § 19 Abs. 1 oder § 24 Abs. 1 UStG anwendet.

(5) Der Vordruck ist auf der Grundlage des unveränderten Vordruckmusters herzustellen. Die Zeilenabstände des Vordruckmusters sind schreibmaschinengerecht (Zwei-Zeilen-Schaltung). Bei der Herstellung des Vordrucks ist ebenfalls ein schreibmaschinengerechter Zeilenabstand einzuhalten.

 

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Im Auftrag

 

Vordruckmuster:

Vordruckmuster zum Download [PDF]

Zum Artikel

Veröffentlicht: 6. Mai 2010

Geschäftszeichen: IV D 3 - S 7160-h/09/10001


 

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt zur Anwendung der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG für die Verwaltung von Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung, insbesondere der EuGH-Urteile vom 4. Mai 2006, Rs. C-169/04 (Abbey National), BStBl II S. xxx) und vom 28. Juni 2007, Rs. C-363/05 (JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust plc, The Association of Investment Trust Companies, BStBl II S. xxx) Folgendes:

 

Inhaltsverzeichnis
(Durch Klick auf die zugehörige Randnummer gelangen Sie zum entsprechenden Punkt.)

 

I. Anwendungsgrundsätze

  1. Verwaltung von Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz (InvG)
  2. Ausgelagerte Verwaltungstätigkeiten als Gegenstand der Steuerbefreiung
  3. Steuerfreie Verwaltungstätigkeiten
  4. Steuerpflichtige Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verwaltung
  5. Andere steuerpflichtige Tätigkeiten
  6. Ort der Dienstleistung / Option / Vorsteuerabzug
II. Hintergrund
  1. Gemeinschaftsrecht
  2. Nationales Recht
III. Anwendungsregelung



 

I. Anwendungsgrundsätze

1. Verwaltung von Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz (InvG)

Der Begriff der „Verwaltung von Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz“ bezieht sich nur auf das Objekt der Verwaltung, das Investmentvermögen und nicht auch auf die Verwaltungstätigkeit als solche. Demzufolge sind andere Tätigkeiten nach dem InvG als die Verwaltung, insbesondere Tätigkeiten der Verwahrung von Investmentvermögen sowie sonstige Aufgaben nach Maßgabe der §§ 24 bis 29 InvG, nicht steuerbegünstigt.

Der Begriff der „Verwaltung von Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz“ bezieht sich nur auf das Objekt der Verwaltung, das Investmentvermögen und nicht auch auf die Verwaltungstätigkeit als solche. Demzufolge sind andere Tätigkeiten nach dem InvG als die Verwaltung, insbesondere Tätigkeiten der Verwahrung von Investmentvermögen sowie sonstige Aufgaben nach Maßgabe der §§ 24 bis 29 InvG, nicht steuerbegünstigt. Nicht begünstigt ist die Verwaltung von geschlossenen Fonds, weil diese Fonds nicht unter das InvG fallen.

Die Anwendung der Steuerbefreiung setzt das Vorliegen eines steuerbaren Leistungsaustauschs voraus.

Verwaltung des Investmentvermögens durch eine Kapitalanlagegesellschaft
Durch die Verwaltung des Investmentvermögens erfüllt die Kapitalanlagegesellschaft ihre gegenüber den Anlegern aufgrund des Investmentvertrags bestehenden Verpflichtungen. Dabei können die zum Investmentvermögen gehörenden Vermögensgegenstände nach Maßgabe der Vertragsbedingungen im Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft oder im Miteigen- tum der Anleger stehen. Es liegt eine Verwaltungsleistung gegenüber den Anlegern als Leistungsempfänger vor.

Verwaltung des Investmentvermögens durch eine Investmentaktiengesellschaft
Hat das Investmentvermögen die Organisationsform einer Investmentaktiengesellschaft, ist der Anleger Aktionär. Seine konkrete Rechtsstellung richtet sich nach gesellschaftsrechtlichen Regelungen und der Satzung der Investmentaktiengesellschaft. Soweit keine separate schuldrechtliche Vereinbarung über die Erbringung einer besonderen Verwaltungsleistung besteht, ist insofern kein Leistungsaustausch zwischen der Investmentaktiengesellschaft und ihren Aktionären anzunehmen. Der Anspruch auf die Verwaltungsleistung ergibt sich aus der Gesellschafterstellung. Die Verwaltung des Investmentvermögens durch die Investmentaktiengesellschaft ist insoweit ein nicht steuerbarer Vorgang.

Auslagerung von Verwaltungstätigkeiten durch eine Kapitalanlagegesellschaft
Beauftragt eine Kapitalanlagegesellschaft einen Dritten mit der Verwaltung des Sondervermögens, erbringt dieser eine Leistung gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft, indem er die ihr insoweit obliegende Pflicht erfüllt. Der Dritte wird ausschließlich aufgrund der vertraglichen Vereinbarung zwischen ihm und der Kapitalanlagegesellschaft tätig, so dass er auch nur ihr gegenüber zur Leistung verpflichtet ist.

Auslagerung von Verwaltungstätigkeiten bei der Investmentaktiengesellschaft
Beauftragt die selbstverwaltete Investmentaktiengesellschaft einen Dritten mit der Wahrnehmung von Aufgaben, so erbringt der Dritte ihr gegenüber eine Leistung, da grundsätzlich der selbstverwalteten Investmentaktiengesellschaft die Anlage und die Verwaltung ihrer Mittel obliegt.

Beauftragt die fremdverwaltete Investmentaktiengesellschaft (§ 96 Abs. 4 InvG) eine Kapitalanlagegesellschaft mit der Verwaltung und Anlage ihrer Mittel, ist die Kapitalanlagegesellschaft Vertragspartnerin des von ihr mit bestimmten Verwaltungstätigkeiten beauftragten Dritten. Dieser erbringt somit auch nur gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft und nicht gegenüber der Investmentaktiengesellschaft eine Leistung.

Die Steuerbefreiung ist unabhängig davon anzuwenden, in welcher Rechtsform der Leistungserbringer auftritt. Für die Steuerbefreiung ist auch unerheblich, dass § 16 Abs. 2 InvG (Auslagerung) verlangt, dass bei der Übertragung der Portfolioverwaltung ein für Zwecke der Vermögensverwaltung zugelassenes Unternehmen, das der öffentlichen Aufsicht unterliegt, benannt wird.

 

2. Ausgelagerte Verwaltungstätigkeiten als Gegenstand der Steuerbefreiung

Für Tätigkeiten im Rahmen der Verwaltung von Investmentvermögen, die nach § 16 Abs. 1 InvG auf ein anderes Unternehmen ausgelagert worden sind, kann ebenfalls die Steuerbefreiung in Betracht kommen. Zur steuerfreien Verwaltung gehören auch Dienstleistungen der administrativen und buchhalterischen Verwaltung eines Investmentvermögens durch einen außen stehenden Verwalter, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung dieser Sondervermögen spezifisch und wesentlich sind. Rein materielle oder technische Dienstleistungen, die in diesem Zusammenhang erbracht werden, wie z. B. die Zurverfügungstellung eines Datenverarbeitungssystems, fallen nicht unter die Steuerbefreiung. Ob die Dienstleistungen der administrativen und buchhalterischen Verwaltung eines Sondervermögens durch einen außen stehenden Verwalter ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden, ist danach zu beurteilen, ob die übertragenen Aufgaben für die Durchführung der Geschäfte der Kapitalanlagegesellschaft/Investmentaktiengesellschaft unerlässlich sind und ob der außen stehende Verwalter die Aufgaben eigenverantwortlich auszuführen hat. Vorbereitende Handlungen, bei denen sich die Kapitalanlagegesellschaft/Investmentaktiengesellschaft eine abschließende Entscheidung vorbehält, bilden regelmäßig nicht ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes.

Für die Beurteilung der Steuerbefreiung ist im Übrigen grundsätzlich ausschließlich die Art der ausgelagerten Tätigkeiten maßgebend und nicht die Eigenschaft des Unternehmens, das die betreffende Leistung erbringt. § 16 InvG ist insoweit für die steuerliche Beurteilung der Auslagerung ohne Bedeutung. Soweit Aufgaben der Kapitalanlage- bzw. Investmentgesellschaften von den Depotbanken wahrgenommen oder auf diese übertragen werden, die zu den administrativen Tätigkeiten der Kapitalanlage- bzw. Investmentaktiengesellschaft und nicht zu den Tätigkeiten als Verwahrstelle gehören, kann die Steuerbefreiung auch dann in Betracht kommen, wenn sie durch die Depotbanken wahrgenommen werden.

 

3. Steuerfreie Verwaltungstätigkeiten

Insbesondere folgende Tätigkeiten der Verwaltung eines Investmentvermögens durch die Kapitalanlagegesellschaft, die Investmentaktiengesellschaft oder die Depotbank sind steuerfrei nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG:

  • Portfolioverwaltung,
  • Ausübung des Sicherheitsmanagements (Verwalten von Sicherheiten, sog. Collateral Management, das im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften nach § 54 Abs. 2 InvG Aufgabe der Kapitalanlagegesellschaft ist),
  • Folgende administrative Leistungen, soweit sie nicht dem Anteilsvertrieb dienen:
    • Gesetzlich vorgeschriebene und im Rahmen der Fondsverwaltung vorgeschriebene Rechnungslegungsdienstleistungen (u. a. Fondsbuchhaltung und die Erstellung von Jahresberichten und sonstiger Berichte),
    • Beantwortung von Kundenanfragen und Übermittlung von Informationen an Kunden, auch für potentielle Neukunden,
    • Bewertung und Preisfestsetzung (Ermittlung und verbindliche Festsetzung des Anteilspreises),
    • Überwachung und Einhaltung der Rechtsvorschriften (u. a. Kontrolle der Anlagegrenzen und der Marktgerechtigkeit),
    • Führung des Anteilinhaberregisters,
    • Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Gewinnausschüttung,
    • Ausgabe und Rücknahme von Anteilen (diese Aufgabe wird nach § 23 Abs. 1 InvG von der Depotbank ausgeführt),
    • Erstellung von Kontraktabrechnungen (einschließlich Versand und Zertifikate, ausgenommen Erstellung von Steuererklärungen),
    • Führung gesetzlich vorgeschriebener und im Rahmen der Fondsverwaltung vorgeschriebener Aufzeichnungen,
    • die aufsichtsrechtlich vorgeschriebene Prospekterstellung.

Wird von einem außen stehenden Dritten, auf den Verwaltungsaufgaben übertragen wurden, nur ein Teil der Leistungen aus dem vorstehenden Leistungskatalog erbracht, kommt die Steuerbefreiung nur in Betracht, wenn die erbrachte Leistung ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bildet und für die Verwaltung eines Investmentvermögens spezifisch und wesentlich ist. Für die vorgenannten administrativen Leistungen kommt im Fall der Auslagerung auf einen außen stehenden Dritten die Steuerbefreiung nur in Betracht, wenn alle Leistungen insgesamt auf den Dritten ausgelagert worden sind. Erbringt eine Kapitalanlagegesellschaft, eine Investmentaktiengesellschaft oder eine Depotbank Verwaltungsleistungen bezüglich des ihr nach dem InvG zugewiesenen Investmentvermögens, kann die Steuerbefreiung unabhängig davon in Betracht kommen, ob ggf. nur einzelne Verwaltungsleistungen aus dem vorstehenden Leistungskatalog erbracht werden.

 

4. Steuerpflichtige Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verwaltung

Insbesondere folgende Tätigkeiten können nicht als Tätigkeiten der Verwaltung eines Investmentvermögens angesehen werden und fallen daher nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG, soweit sie nicht Nebenleistungen zu einer nach Rz. 7 steuerfreien Tätigkeit sind:

  • Erstellung von Steuererklärungen,
  • Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Portfolioverwaltung wie allgemeine Rechercheleistungen, insbesondere
    • die planmäßige Beobachtung der Wertpapiermärkte,
    • die Beobachtung der Entwicklungen auf den Märkten,
    • das Analysieren der wirtschaftlichen Situation in den verschiedenen Währungszonen, Staaten oder Branchen,
    • die Prüfung der Gewinnaussichten einzelner Unternehmen,
    • die Aufbereitung der Ergebnisse dieser Analysen.
  • Beratungsleistungen mit oder ohne konkrete Kauf- oder Verkaufsempfehlungen,
  • Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Anteilsvertrieb, wie z. B. die Erstellung von Werbematerialien.

 

5. Andere steuerpflichtige Tätigkeiten

Nicht nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG steuerfrei sind insbesondere alle Leistungen der Depotbank als Verwahr- oder Kontrollstelle gegenüber der Kapitalanlagegesellschaft. Dies sind insbesondere folgende Leistungen:

  • Verwahrung der Vermögensgegenstände des Sondervermögens; hierzu gehören z. B.:
    • die Verwahrung der zu einem Sondervermögen gehörenden Wertpapiere, Einlagenzertifikate und Bargeldbestände in gesperrten Depots und Konten,
    • die Verwahrung von als Sicherheiten für Wertpapiergeschäfte oder Wertpapier-Pensionsgeschäfte verpfändeten Wertpapieren oder abgetretenen Guthaben bei der Depotbank oder unter Kontrolle der Depotbank bei einem geeigneten Kreditinstitut,
    • die Übertragung der Verwahrung von zu einem Sondervermögen gehörenden Wertpapieren an eine Wertpapiersammelbank oder an eine andere in- oder ausländische Bank,
    • die Unterhaltung von Geschäftsbeziehungen mit Drittverwahrern;
  • Leistungen zur Erfüllung der Zahlstellenfunktion,
  • Einzug und Gutschrift von Zinsen und Dividenden,
  • Mitwirkung an Kapitalmaßnahmen und der Stimmrechtsausübung,
  • Abwicklung des Erwerbs und Verkaufs der Vermögensgegenstände inklusive Abgleich der Geschäftsdaten mit dem Broker; hierbei handelt es sich nicht um Verwaltungstätigkeiten, die von der Kapitalanlagegesellschaft auf die Depotbank übertragen werden könnten, sondern um Tätigkeiten der Depotbank im Rahmen der Verwahrung der Vermögensgegenstände;
  • Leistungen der Kontrolle und Überwachung, die gewährleisten, dass die Verwaltung des Investmentvermögens nach den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften erfolgt, wie insbesondere
    • Kontrolle der Ermittlung und der verbindlichen Feststellung des Anteilspreises,
    • Kontrolle der Ausgabe und Rücknahme von Anteilen,
    • Erstellung aufsichtsrechtlicher Meldungen, z. B. Meldungen, zu denen die Depotbank verpflichtet ist.

 

6. Ort der Dienstleistung / Option / Vorsteuerabzug

Der Ort der Verwaltung von Investmentvermögen richtet sich für vor dem 1. Januar 2010 ausgeführte Umsätze nach § 3a Abs. 1 oder 3 und 4 Nr. 6 Buchst. a UStG bzw. für nach dem 31. Dezember 2009 ausgeführte Umsätze nach § 3a Abs. 1, 2 oder 4 Sätze 1 und 2 Nr. 6 Buchst. a UStG.

Bezüglich der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG ist keine Option zur Steuerpflicht möglich (vgl. § 9 UStG.)

Der Umsatz nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG führt gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug.

 

II. Hintergrund

1. Gemeinschaftsrecht

Nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG ist (neben der Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes) die Verwaltung von Investmentvermögen nach dem InvG umsatzsteuerfrei. Die Steuerbefreiung beruht auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten „die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen“. Ziel und Rechtfertigung dieser Steuerbefreiung ist es insbesondere, Kleinanlegern die Geldanlage in Investmentfonds zu erleichtern. Kleinanleger sollen nicht benachteiligt werden. Die Bestimmung soll die steuerliche Neutralität in Bezug auf die Wahl zwischen unmittelbarer Anlage in Wertpapieren und der Einschaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen gewährleisten (vgl. EuGH-Urteil vom 4. Mai 2006, Rs. C-169/04, Abbey National, Randnr. 62). Diese Organismen erlauben es privaten Anlegern, in breite Anlageportfolios zu investieren und damit das Börsenrisiko zu verringern (vgl. EuGH-Urteil vom 28. Juni 2007, Rs. C-363/05, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust plc, The Association of Investment Trust Companies, Randnr. 50). Gäbe es die Befreiung nicht, wären Besitzer von Anteilen an Investmentfonds steuerlich stärker belastet als Anleger, die ihr Geld unmittelbar in Aktien oder anderen Wertpapieren anlegen und keine Leistungen einer Fondsverwaltung in Anspruch nehmen. Gerade für Kleinanleger ist die Anlage in Investmentfonds von besonderer Bedeutung. Wegen des geringen Anlagevolumens, über das sie verfügen, ist es ihnen nur eingeschränkt möglich, ihr Geld breit gestreut unmittelbar in Wertpapieren anzulegen; zudem verfügen sie oftmals nicht über die nötigen Kenntnisse für den Vergleich und die Auswahl der Wertpapiere. Diese Gruppe von Geldanlegern hat kaum Möglichkeiten, die Tätigkeit eines Fonds selbst zu kontrollieren und ist daher in besonderem Maße auf gesetzlich vorgesehene Schutzmechanismen angewiesen.

Die Mitgliedstaaten haben bei der Definition der in ihrem Hoheitsgebiet angesiedelten Fonds, die für die Zwecke der Steuerbefreiung nach Artikel 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL unter den Begriff „Sondervermögen“ fallen, ein Ermessen (vgl. EuGH-Urteil vom 28. Juni 2007, Rs. C-363/05, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust plc, The Association of Investment Trust Companies, Randnr. 54). Bei der Ausübung dieses Ermessens müssen die Mitgliedstaaten aber das mit der Befreiung verfolgte Ziel beachten, das darin besteht, insbesondere Kleinanlegern die Anlage in Wertpapieren über Organismen für gemeinsame Anlagen durch den Wegfall der Mehrwertsteuerkosten zu erleichtern. Ferner haben die Mitgliedstaaten den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten, wonach gleichartige und infolgedessen miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Die Vorschrift stellt daher auf verwaltete Sondervermögen unabhängig von deren Rechtsform ab. Unter diese Bestimmung fallen also sowohl Organismen für gemeinsame Anlagen in Vertrags- oder Trustform als auch solche in Satzungsform (vgl. EuGH-Urteil vom 4. Mai 2006, Rs. C-169/04, Abbey National, Randnr. 53). Außerdem umfasst der Begriff des Sondervermögens im Hinblick auf die Einhaltung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer sowohl offene als auch geschlossene Investmentfonds (vgl. EuGH-Urteil vom 28. Juni 2007, Rs. C-363/05, JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust plc, The Association of Investment Trust Companies, Randnr. 29).

Zwar harmonisiert die Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. EG Nr. L 375 S. 3), zuletzt geändert durch Artikel 9 der Richtlinie 2005/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2005 (ABl. EU Nr. L 79 S. 9), die innerstaatlichen Regelungen für Investmentfonds. Sie erlaubt jedoch keine zwingenden Rückschlüsse darauf, welche Organismen von der Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL erfasst werden können. Gleichwohl können die Mitgliedstaaten nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 85/611/EWG fallende Formen von Investmentfonds von der Steuerbefreiung ausnehmen, soweit dies mit dem Neutralitätsgrundsatz und dem Normzweck der Befreiungsvorschrift vereinbar ist.

Der Begriff der „Verwaltung“ von Sondervermögen stellt einen autonomen Begriff des Gemeinschaftsrechts dar, dessen Inhalt die Mitgliedstaaten nicht verändern können. Unter den Begriff „Verwaltung“ fallen die Dienstleistungen der administrativen und buchhalterischen Verwaltung der Sondervermögen durch einen außenstehenden Verwalter, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes bilden und für die Verwaltung dieser Sondervermögen spezifisch und wesentlich sind. Spezifisch für die Verwaltung von Sondervermögen sind nach der Rechtsprechung des EuGH neben den Aufgaben der Anlageverwaltung auch die administrativen Aufgaben, die in Anhang II der Richtlinie 85/611/EWG - zweiter Spiegelstrich - unter der Überschrift „Administrative Tätigkeiten“ aufgeführt sind (vgl. EuGH-Urteil vom 4. Mai 2006, Rs. C-169/04, Abbey National, Randnr. 64). Nicht spezifisch für die Verwaltung von Sondervermögen sind dagegen die Aufgaben des Vertriebs entsprechend dem dritten Spiegelstrich in Anhang II der Richtlinie 85/611/EWG. Um ein eigenständiges Ganzes zu bilden, dürfen die Dienstleistungen des außenstehenden Verwalters nicht nur in einzelnen Hilfstätigkeiten bestehen. Insofern reicht es nicht aus, dass eine bestimmte erbrachte Tätigkeit in Anhang II der Richtlinie 85/611/EWG aufgeführt ist. Für das Vorliegen eines eigenständigen Ganzen ist vielmehr erforderlich, dass der außenstehende Verwalter eine Gesamtheit von Leistungen übernimmt, die einen wesentlichen Teil aller bei der Fondsverwaltung anfallenden Aufgaben ausmacht. So fallen nicht unter den Begriff der Verwaltung von Sondervermögen im Sinne von Artikel 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL die Leistungen, die den Aufgaben einer Verwahrstelle im Sinne der Artikel 7 Absätze 1 und 3 sowie 14 Absätze 1 und 3 der Richtlinie 85/611/EWG entsprechen. Diese Aufgaben dienen nicht der Verwaltung der Organismen für gemeinsame Anlagen, sondern der Kontrolle und Überwachung von deren Tätigkeit. Rein materielle oder technische Dienstleistungen wie z. B. die Zurverfügungstellung eines Datenverarbeitungssystems werden von dem Begriff der „Verwaltung“ ebenfalls nicht erfasst (vgl. EuGH-Urteil vom 4. Mai 2006, Rs. C-169/04, Abbey National, Randnr. 71). Hinweis: Die Richtlinie 85/611/EWG wird mit Wirkung vom 1. Juli 2011 aufgehoben und durch die Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) - Neufassung - (ABl. EU 2009 Nr.- L 302 S.32) ersetzt.

Zwar sind in erster Linie Fonds ohne eigene Rechtspersönlichkeit, also Fonds in Vertrags- oder Trustform, auf Verwaltungsleistungen eines externen Fondsverwalters angewiesen. Investmentgesellschaften in Satzungsform können sich dagegen prinzipiell auch ohne Einschaltung eines Dritten selbst verwalten. Soweit Investmentfonds in Satzungsform dennoch einen externen Fondsverwalter einschalten, befinden sie sich in der gleichen Lage wie Fonds ohne eigene Rechtspersönlichkeit.

Bei den nach dem Gemeinschaftsrecht begünstigten Sondervermögen handelt es sich unabhängig von ihrer Rechtsform um Organismen für gemeinsame Anlagen, deren Umsätze darin bestehen, beim Publikum beschaffte Gelder nach dem Prinzip der Risikostreuung für gemeinsame Rechnung in Wertpapieren anzulegen. Das Gemeinschaftsrecht schließt seinem Wortlaut nach nicht grundsätzlich aus, dass sich eine steuerfreie Verwaltung von Sondervermögen im Sinne von Artikel 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL in verschiedene Dienstleistungen aufteilen lässt, die auch dann in den Genuss der dort vorgesehenen Befreiung gelangen können, wenn sie von einem außenstehenden Verwalter erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil vom 4. Mai 2006, Rs. C-169/04, Abbey National, Randnr. 67).

 

2. Nationales Recht

Die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG erstreckt sich auf „die Verwaltung von Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz“. Das InvG ist (u. a.) anzuwenden auf inländische Investmentvermögen, soweit diese in Form von Investmentfonds im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Investmentaktiengesellschaften im Sinne des § 2 Abs. 5 InvG gebildet werden (§ 1 Satz 1 Nr. 1 InvG). Ausländische Investmentvermögen sind Investmentvermögen im Sinne des § 1 Satz 2 InvG, die dem Recht eines anderen Staates unterstehen (§ 2 Abs. 8 InvG).

Investmentvermögen im Sinne des § 1 Satz 1 InvG sind Vermögen zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage, die nach dem Grundsatz der Risikomischung in Vermögensgegenständen im Sinne des § 2 Abs. 4 InvG angelegt sind (§ 1 Satz 2 InvG). Investmentfonds sind von einer Kapitalanlagegesellschaft verwaltete Publikums-Sondervermögen nach den Anforderungen der Richtlinie 85/611/EWG und sonstige Publikums- oder Spezial-Sondervermögen (§ 2 Abs. 1 InvG).

Sondervermögen sind inländische Investmentvermögen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft für Rechnung der Anleger nach Maßgabe des InvG und den Vertragsbedingungen, nach denen sich das Rechtsverhältnis der Kapitalanlagegesellschaft zu den Anlegern bestimmt, verwaltet werden, und bei denen die Anleger das Recht zur Rückgabe der Anteile haben (§ 2 Abs. 2 InvG). Spezial-Sondervermögen sind Sondervermögen, deren Anteile aufgrund schriftlicher Vereinbarungen mit der Kapitalanlagegesellschaft ausschließlich von Anlegern, die nicht natürliche Personen sind, gehalten werden. Alle übrigen Sondervermögen sind Publikums-Sondervermögen (§ 2 Abs. 3 InvG).

Investmentaktiengesellschaften sind Unternehmen, deren Unternehmensgegenstand nach der Satzung auf die Anlage und Verwaltung ihrer Mittel nach dem Grundsatz der Risikomischung zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage in Vermögensgegenständen nach § 2 Abs. 4 Nr. 1 bis 4, 7, 9, 10 und 11 InvG beschränkt ist und bei denen die Anleger das Recht zur Rückgabe ihrer Aktien haben (§ 2 Abs. 5 Satz 1 InvG).

Kapitalanlagegesellschaften sind Unternehmen, deren Hauptzweck in der Verwaltung von inländischen Investmentvermögen im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 1 InvG oder in der Verwaltung von inländischen Investmentvermögen im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 1 InvG und der individuellen Vermögensverwaltung besteht (§ 2 Abs. 6 InvG). Die Kapitalanlagegesellschaft darf neben der Verwaltung von Investmentvermögen nur die in § 7 Abs. 2 Nr 1 bis 7 InvG abschließend aufgezählten Dienstleistungen und Nebendienstleistungen erbringen (§ 7 Abs. 2 Einleitungssatz InvG).

Mit der Verwahrung von Investmentvermögen sowie den sonstigen Aufgaben nach Maßgabe der §§ 24 bis 29 InvG hat die Kapitalanlagegesellschaft ein Kreditinstitut als Depotbank zu beauftragen (§ 20 Abs. 1 Satz 1 InvG). Depotbanken sind Unternehmen, die die Verwahrung und Überwachung von Investmentvermögen ausführen (§ 2 Abs. 7 InvG).

Nach Art. 7 Abs. 3 Buchst. a und b der der Richtlinie 85/611/EWG muss die Verwahrstelle u. a. dafür sorgen, dass die Ausgabe und die Rücknahme sowie die Berechnung des Wertes der Anteile den gesetzlichen Vorschriften oder Vertragsbedingungen gemäß erfolgt. Demgemäß bestimmt § 27 Abs. 1 Nr. 1 InvG, dass die Depotbank im Rahmen ihrer Kontrollfunktion dafür zu sorgen hat, dass die Ausgabe und Rücknahme von Anteilen und die Ermittlung des Wertes der Anteile den Vorschriften des InvG und den Vertragsbedingungen entsprechen. Die Ausgabe und die Rücknahme der Anteile hat die Depotbank selbst vorzunehmen (§ 23 Abs. 1 InvG). Die Bewertung der Anteile wird entweder von der Depotbank unter Mitwirkung der Kapitalanlagegesellschaft oder nur von der Kapitalanlagegesellschaft vorgenommen (§ 36 Abs. 1 Satz 2 InvG).

Die Aufgaben, die für die Durchführung der Geschäfte der Kapitalanlagegesellschaft wesentlich sind, können zum Zwecke einer effizienteren Geschäftsführung auf ein anderes Unternehmen (Auslagerungsunternehmen) ausgelagert werden. Das Auslagerungsunternehmen muss unter Berücksichtigung der ihm übertragenen Aufgaben über die entsprechende Qualifikation verfügen und in der Lage sein, die übernommenen Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen. Die Auslagerung darf die Wirksamkeit der Beaufsichtigung der Kapitalanlagegesellschaft in keiner Weise beeinträchtigen; insbesondere darf sie weder die Kapitalanlagegesellschaft daran hindern, im Interesse ihrer Anleger zu handeln, noch darf sie verhindern, dass das Sondervermögen im Interesse der Anleger verwaltet wird (§ 16 Abs. 1 InvG).

Die Depotbank darf der Kapitalanlagegesellschaft aus den zu einem Sondervermögen gehörenden Konten nur die für die Verwaltung des Sondervermögens zustehende Vergütung und den ihr zustehenden Ersatz von Aufwendungen auszahlen (§ 29 Abs. 1 InvG). Die Kapitalanlagegesellschaft hat in den Vertragsbedingungen anzugeben, nach welcher Methode, in welcher Höhe und auf Grund welcher Berechnung die Vergütungen und Aufwendungserstattungen aus dem Sondervermögen an sie, die Depotbank und Dritte zu leisten sind (§ 41 Abs. 1 Satz 1 InvG.

 

III. Anwendungsregelung

Dieses Schreiben ist in allen offenen Steuerfällen anzuwenden. Abschnitt 69 Abs. 1 UStR ist, soweit er zu diesem Schreiben im Widerspruch steht, nicht mehr anzuwenden.


Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Zum Artikel

Veröffentlicht: 11. Mai 2010

Geschäftszeichen: IV C 6 - S 2137/07/10004

 

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19. November 2003, BStBl 2010 II S. ■ *), entschieden, dass in den Fällen, in denen die zuständige Behörde von der Schadstoffbelastung eines Grundstückes und der dadurch bedingten Sanierungsverpflichtung Kenntnis erlangt, ernsthaft mit der Inanspruchnahme aus dieser Verpflichtung gerechnet werden müsse. Eine mögliche Teilwertabschreibung sei unabhängig von der Bildung einer Rückstellung für die Sanierungsverpflichtung zu prüfen.

Zur Bildung von Rückstellungen für Sanierungsverpflichtungen und zu Teilwertabschreibungen nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 EStG im Zusammenhang mit schadstoffbelasteten Grundstücken nehme ich nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wie folgt Stellung:

 

I. Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten

Nach R 5.7 Absatz 2 der Einkommensteuerrichtlinien 2008 (EStR 2008) ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nur zu bilden, wenn

  • es sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem anderen oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt,
  • die Verpflichtung vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht ist,
  • mit einer Inanspruchnahme aus einer nach ihrer Entstehung oder Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit ernsthaft zu rechnen ist und
  • die Aufwendungen in künftigen Wirtschaftsjahren nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut führen.

 

1. Öffentlich-rechtliche Verpflichtungen nach dem Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten - Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) – vom 17. März 1998 (BGBl I S. 502), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes zur Anpassung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3 214)

Nach § 4 Absatz 3 BBodSchG sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.


2. Keine hinreichende Konkretisierung der Verpflichtung nach dem BBodSchG

Die hinreichende Konkretisierung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung liegt vor, wenn sich ein inhaltlich bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmbaren Zeitraums unmittelbar durch Gesetz oder Verwaltungsakt ergibt und an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind (vgl. R 5.7 Absatz 4 Satz 1 EStR 2008).

Die allgemeinen Grundpflichten zur Beseitigung von Altlasten nach dem BBodSchG schreiben kein inhaltlich bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmbaren Zeitraums vor. Die Erfüllung der Grundpflicht ist auch nicht sanktionsbewehrt. Eine Ordnungswidrigkeit setzt vielmehr voraus, dass der Verpflichtete einer vollziehbaren Anordnung zuwider handelt (§ 26 Absatz 1 Nummer 2 BBodSchG). Da sich die öffentlich-rechtliche Verpflichtung nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, sondern den Erlass einer behördlichen Verfügung (Verwaltungsakt) voraussetzt, ist eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten erst zu bilden, wenn die zuständige Behörde einen vollziehbaren Verwaltungsakt erlassen hat, der ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmbaren Zeitraums vorschreibt (R 5.7 Absatz 4 Satz 2 EStR 2008).

 

3. Wirtschaftliche Verursachung der Verpflichtung

Die wirtschaftliche Verursachung einer Verpflichtung liegt zum Zeitpunkt des Erlasses der in Randnummer 4 genannten behördlichen Anordnung vor. Der Tatbestand, an den der Verwaltungsakt die Verpflichtung knüpft, ist bereits verwirklicht (vgl. R 5.7 Absatz 5 EStR 2008). Die Erfüllung der Verpflichtung knüpft an Vergangenes an und gilt Vergangenes ab.

 

4. Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme aus der Verpflichtung

Mit Bekanntgabe der behördlichen Anordnung (vgl. Randnummer 4) ist auch mit der Inanspruchnahme aus der Verpflichtung im Sinne von R 5.7 Absatz 6 EStR 2008 ernsthaft zu rechnen.

 

II. Teilwertabschreibungen nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 EStG bei schadstoffbelasteten Grundstücken

Nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 EStG erfordert eine Teilwertabschreibung eine voraussichtlich dauernde Wertminderung.

 

1. Grundsatz

Die Frage einer Teilwertabschreibung ist losgelöst von der Bildung einer Rückstellung für Sanierungsverpflichtungen zu prüfen. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Sachverhalte, die im Hinblick auf den Grundsatz der Einzelbewertung und des Vollständigkeitsgebotes - vorbehaltlich der Randnummer 9 - unabhängig voneinander zu beurteilen sind (vgl. auch Entscheidungsgründe unter II Nr. 8 Buchstabe b des Urteils vom 19. November 2003).

 

2. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für eine Sanierungsverpflichtung liegen vor

Liegen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für eine Sanierungsverpflichtung nach den Randnummern 1 bis 6 vor, scheidet eine mit der bestehenden Schadstoffbelastung begründete Teilwertabschreibung oder die Beibehaltung eines niedrigeren Teilwertes gemäß § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 und 3 EStG aus, soweit die Sanierung voraussichtlich zu einer Wertaufholung führen wird. In diesen Fällen kommt eine Teilwertabschreibung nur insoweit in Betracht, als der Steuerpflichtige anhand geeigneter Nachweise (z. B. Gutachten) darlegen kann, dass trotz der voraussichtlichen Sanierung eine dauernde Wertminderung anzunehmen ist.

 

3. Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für eine Sanierungsverpflichtung liegen nicht vor

Ist nach den Grundsätzen der Randnummern 1 bis 6 eine Rückstellungsbildung nicht zulässig, kommt eine Teilwertabschreibung nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 EStG in Betracht (vgl. Randnummern 11 bis 13 des BMF-Schreibens vom 25. Februar 2000 - BStBl I S. 372 unter Berücksichtigung der Änderungen durch das BMF-Schreiben vom 26. März 2009 - BStBl I S. 514). Das gilt nicht, wenn die Rückstellung aufgrund § 5 Absatz 4b Satz 1 EStG nicht gebildet werden kann. In diesen Fällen ist Randnummer 9 anzuwenden.

 

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Zum Artikel

Veröffentlicht: 7. Mai 2010

Aktenzeichen: VII 141/06

 

Eine dem Gesellschafter als Einnahme zuzurechnende vGA liegt auch dann vor, wenn der Gesellschafter aus der Zuwendung zwar selbst keinen unmittelbaren Vorteil gezogen hat, der Vorteil ihm aber mittelbar in der Weise zugerechnet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht (BFH-Beschluss vom 17.08.2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293). Dem Gesellschafter nahestehende Personen können auch juristische Personen sein. Der Vorteil, welcher dem Gesellschafter in diesem Falle gewährt wird, besteht darin, dass die Beteiligung an der durch die Leistung begünstigten Kapitalgesellschaft in ihrem Wert erhöht wird.

 

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, 2

Urteil vom 20. November 2009

Zum Artikel
nach oben